Gault Millau 2012 - Restaurants in Bayern

Al dente blanchierte Scheibchen vom Radieschen als «Zungenstreichler» zur Seeforelle und hauchdünner roher Blumenkohl: Mit solchen Kreationen hat Andree Köthe aus Nürnberg auf sich aufmerksam gemacht. Der Gault Millau kürt ihn dafür zum «Koch des Jahres».

Der 47-Jährige «kochte schon vor zehn Jahren sein Gemüse aus der Neben- in die Hauptrolle und bot Fleisch wie Fisch als Beilage dar». Dabei habe er eine unglaublich sichere Hand im Umgang mit der Würze bewiesen, «die hier so vielfältig, so ungewohnt, so fordernd und auch so provozierend wirkt wie in kaum einem anderen deutschen Restaurant», hieß es zur Begründung.

Für diese «in Sphären absoluter puristischer Aromatik vorstoßende Küche» erhielt Köthe in der Deutschlandausgabe 2012 des Gault Millau 18 von 20 möglichen Punkten. Mit 19 Kochmützen die höchste Punktzahl unter den 149 getesteten Restaurants in Bayern bekamen erneut Christian Jürgens vom «Seehotel Überfahrt» in Rottach-Egern und Heinz Winkler von der gleichnamigen Residenz in Aschau.

Über Jürgens schrieben die Kritiker: «Seine Küche will unterhalten, vermeidet aber jegliche Effekthascherei». Im «Bestreben, die Seele eines Produkts auf das Bestmögliche darzustellen», experimentiere er mit Garmethoden und komme dabei zu beeindruckenden Ergebnissen. Winkler dagegen imponiere «durch seine Küche von erhabener Leichtigkeit bei gleichzeitig tiefgründigen Aromen».

Es folgen die Restaurants «Essigbrätlein» sowie «Königshof» und «Tantris» (beide in München) mit 18 Punkten. 17 Punkte erhielten «Il Giardino» in Bad Griesbach, das «Kastell» in Wernberg-Köblitz sowie die Landeshauptstadt-Restaurants «Atelier», «Dallmayr», «181 first» und «Terrine». Im «Atelier» arbeitet mit Enrico Spannenkrebs zudem der «Oberkellner des Jahres». dpa

Nachdenken über Grünkohl - Der (Aroma)-Koch des Jahres

Von Christian Volbracht

Andree Köthe und Yves Ollech denken im Nürnberger «Essigbrätle» wieder über Grünkohl nach. «Wir haben das schon 123 Mal gemacht», sagt Köthe, «jetzt ist es wieder so weit». Die Köche haben schon intensiven Grünkohlsaft mit warmem Apfel- und Kartoffelsalat angerichtet oder den Saft in eine Creme aus Macadamia-Nüssen gerührt, und dazu gebratene Grünkohlherzen mit kandiertem Meerrettich und Reh mit Anis serviert.

Diesmal will sich Köthe, «Koch des Jahres» im Restaurantführer «Gault Millau», vom Gänsebraten mit Grünkohl aus seiner nordhessischen Heimat inspirieren lassen. Der Grünkohl hat den ersten Frost gehabt und ist nicht mehr so bitter. «Aber er darf nicht zu intensiv kochen», sagt Köthe. Das Team in dem kleinen 20-Plätze-Restaurant in der Nürnberger Altstadt will die Gäste mit reinen und klaren Aromen beeindrucken.

Im Restaurantführer «Michelin» erzielte die Nürnberger Gewürzküche zwei Sterne, im «Gault Millau» jetzt wieder 18 von 20 Punkten und die Ehrung als «Koch des Jahres». Damit hat Köthe aber so seine Probleme. «Eigentlich habe ich den Preis gar nicht allein verdient», sagte er der dpa, «ohne Yves Ollech wäre das alles gar nicht so geworden».

Köthe stammt aus Dohrenbach im Werra-Meißner-Kreis. Seine Mutter, von Beruf Köchin, besorgte dem 16-Jährigen eine Lehrstelle bei einem Sternekoch. Aber Köthe wollte ein anderes Arbeitsklima, ohne Druck und Schreierei und machte sich mit 25 Jahren selbstständig. «Der Start in Nürnberg 1989 war kaufmännisch ein Riesendrama», sagte er.

Aber 16 Punkte im «Gault Millau» nach dem ersten Jahr brachten den Durchbruch. 1997 kam der aus Wernigerode stammende Ollech ins Team. Er hatte zuletzt bei Fritz Schilling in den berühmten «Schweizer Stuben» in Wertheim-Bettingen gekocht. «Er ist eine ganz große Nummer», lobt Köthe. «Er findet immer wieder neue Wege und Kreationen.»

In der engen Küche werden die Gerichte im Team entwickelt. Köthe nennt sich Autodidakt und Inspirator. «Ich gebe ein Thema vor, weil ich die Märkte abklappere.» Obwohl der Name «Essigbrätlein» Sauerbraten bedeutet, spielt Fleisch keine große Rolle. «Schauen Sie sich die Umgebung um Nürnberg an», sagt Köthe, «keine Viehwirtschaft, nur Gemüsebauern. Wir nehmen das Beste, was wir hier kriegen können.»

Was sonst in Deutschlands Topküchen geschieht, interessiert den Koch weniger, eine eigene Homepage hat das Restaurant noch nicht. Die Freizeit gehört der Familie. Köthe ist Vater von fünf Kindern, darunter drei kleine aus der zweiten Beziehung. «Ich war seit fünf oder sechs Jahren nicht mehr in einem Spitzenrestaurant essen», bekennt der 47-Jährige. Dagegen sei Ollech gut informiert.

Ein Musterbeispiel für die eigenständige Aroma- und Gewürzküche des Teams entstand 1999: Rote Bete mit Kümmelkaramell und Roquefortcreme. «Ein Gericht, das dem Gast mit einfachen Aromen konfrontiert und sich nicht über teure Zutaten definiert», erklärt Köthe. Er ist stolz, dass seine Küche ohne teure Edelprodukte auskommt, einfach und nicht kompliziert und auch ethisch vertretbar sei. Möglichst viele Bestandteile sollen auch bei einfachen Zutaten wie dem Grünkohl verwertet werden. Das Sieben-Gänge-Menu kostet 115 Euro.

Bei seinen Aromastudien arbeitet der Koch jetzt mit einem Biologen zusammen. «Wir haben 150 Aromen neu kennengelernt.» Mischgewürze gibt es nicht mehr. «Der Gast soll erkennen, was er isst», sagt Köthe. «Man entdeckt immer was Neues.» Aber beim Ort bleibt es. Den Pachtvertrag für das Mini-Restaurant mit den Butzenscheiben und der modernen Inneneinrichtung hat er gerade um zehn Jahre verlängert. dpa

Die besten Restaurants des Gault Millau in Bayern

19 Punkte Residenz Heinz Winkler in Aschau/Chiemgau Gourmetrestaurant Überfahrt in Rottach-Egern

18 Punkte Königshof und Tantris in München Essigbrätlein in Nürnberg

17 Punkte Il Giardino in Bad Griesbach Atelier, Dallmayr*, 181 first und Terrine in München Kastell in Wernberg-Köblitz

16 Punkte Schwingshackls Esskunst in Bernried bei Deggendorf Herrmannsdorfer Schweinsbräu in Glonn bei München Christians Restaurant in Kirchdorf bei Wasserburg Laudensacks Parkhotel in Bad Kissingen Zum alten Rentamt* in Klingenberg/Main Villino in Lindau Acetaia, Acquarello und Jin in München Oberndorfers Restaurant Eisvogel* in Neunburg vorm Wald Wonka in Nürnberg Ess Atelier Strauss und Maximilians in Oberstdorf Silberdistel in Ofterschwang/Allgäu Herrmanns Restaurant in Wirsberg Philipp in Sommerhausen bei Würzburg

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