Der Absatz alkoholfreier Sekte war 2021 mit etwa 23 Millionen Flaschen deutlich höher als der von entalkoholisiertem Wein (5 Millionen Flaschen); die Zahlen beziehen sich hauptsächlich auf den Lebensmitteleinzelhandel. Büscher gibt den Anteil der alkoholfreien Variante an den in Deutschland konsumierten Schaumweinen mit sechs Prozent an. Der Verband Deutscher Sektkellereien (VDS) geht nach verbandsinternen Erhebungen für 2021 von einem Marktanteil von rund fünf Prozent und einem Absatzplus von 7,3 Prozent gegenüber 2020 aus. «Die Tendenz ist kontinuierlich wachsend, ebenso die Markenvielfalt in diesem Nischensegment», sagt VDS-Geschäftsführer Alexander Tacer. Zahlen für 2022 gibt es noch nicht.
«Wir sind mit allen unseren Kernmarken auch auf dem alkoholfreien Schaumweinmarkt aktiv. Das Segment wächst stetig und wird auch international zunehmend nachgefragt», sagt der Sprecher von Henkell Freixenet, Jan Rock. «Die Deutschen lieben Sekt, und entsprechend haben sie auch beim alkoholfreien Sekt die Nase vorne.»
Die Sektmanufaktur Strauch im rheinland-pfälzischen Osthofen hat vor rund fünf Jahren mit alkoholfreiem Sekt angefangen, als die geschäftsführende Gesellschafterin schwanger war. «Das Marketing war am Anfang sehr schwierig», erinnert sich Isabel Strauch-Weißbach. Inzwischen machen die alkoholfreien und auch veganen Bio-Sekte 20 Prozent des Angebots der Rheinhessen aus.
Rund 44 Prozent der Verbraucher haben nach einer repräsentativen Studie der Hochschule Geisenheim University und dem VDS vom Oktober 2022 schon einmal alkoholfreien Sekt probiert. Besonders gut kommt er danach bei jüngeren Menschen unter 30 Jahren an. Und: «Frauen sind dabei mit 54 Prozent wesentlich experimentierfreudiger als Männer.»
«Cool Sober Drinking - der bewusste alkoholfreie Genuss - entwickelt sich aktuell hin zu einem Lifestyle», sagt Marketingleiterin Cathrin Duppel von der Rotkäppchen-Mumm Sektkellereien GmbH. Fast die Hälfte der Menschen in Deutschland sagt nach einer Yougov-Umfrage vom Sommer vergangenen Jahres kategorisch «Nein» zu promillehaltigen Getränken. Besonders hoch ist die Alkohol-Ablehnung demnach unter den jungen Erwachsenen. Der Stimmungswandel, der beim Konsum von Alkohol oft gesucht werde, sei nicht mehr so häufig gewünscht, sagt Duppel.
Ist der Geschmack auch ein Argument für den Ausschank? «Durch den Einsatz neuer Technologien und Prozessoptimierungen haben sich die entalkoholisierten Weine und Sekte in den letzten Jahren geschmacklich sehr zum Positiven weiterentwickelt», berichtet Büscher. «In diesem Segment ist in jüngster Zeit auch ein Trend zur Premiumisierung zu beobachten.»
Einen deutlich besseren Geschmack als in den Anfangsjahren sieht auch Duppel, ergänzt aber: «Die Kategorie ist noch nicht ganz so weit wie das beim Bier der Fall ist.» Strauch-Weißbach sagt: «Wenn man sie direkt nebeneinander trinkt, schmeckt man schon den Unterschied.» Aber wer zuerst den alkoholfreien trinke, schmecke «eine sehr, sehr gute Alternative».
«Die Entalkoholisierung der Weine geschieht mittlerweile sehr aromaschonend bei relativ niedrigen Temperaturen von unter 30 Grad Celsius durch Vakuumdestillation oder in einer Schleuderkegelkolonne», erläutert Büscher. Bei der Auswahl der Grundweine seien aromastarke Rebsorten und gute Qualität gefragt, damit der fehlende Alkoholanteil etwas ausgeglichen werden könne. «Denn Alkohol ist ein Geschmacksträger, wie das Fett im Essen.»
Dabei habe der Sekt einen Vorteil gegenüber dem Wein: «Bei den Schaumweinen ohne Volumenprozente kompensiert die Kohlensäure den fehlenden Alkohol recht gut», sagt Büscher - und erklärt: «Entalkoholisierte Sekte entstehen, indem man einem Wein den Alkohol, der durch die Vergärung des Zuckers entstanden ist, wieder entzieht und dem entalkoholisierten Wein Kohlensäure zugibt.» Weinrechtlich müsse alkoholfreier Sekt als «schäumendes Getränk aus alkoholfreiem Wein» gekennzeichnet werden und die Alkoholgehalte unter 0,5 Volumenprozent liegen.
Duppel ist stolz auf die besondere «Spinning-Cone-Technologie» ihres Unternehmens. Dabei bleibe das Bouquet durch die Erwärmung im Vakuum an der Wand hängen und könne so schon vor der Entalkoholisierung abgetrennt werden. Mit dieser Methode wolle Rotkäppchen in diesem Jahr auch noch einen Sekt mit 0,0 Prozent Alkohol erreichen. Das sei einigen Verbrauchern zu streng, ermögliche aber auch die Erschließung anderer Zielgruppen wie schwangerer Frauen. dpa