Andreas Steinhöfel, Rico und Oskar aus Berlin

Von Andrea Barthélémy

Gerade ist der dritte und letzte Band der in Berlin spielenden, preisgekrönten Reihe um den hochbegabten Oskar und seinen «tiefbegabten» Freund Rico, «Oskar und der Diebstahlstein», erschienen. Steinhöfel verrät im Interview, was ein gutes Kinderbuch ausmacht.

Die Rico-Trilogie ist fertig. Sie selbst leben nicht mehr in der Berliner Dieffenbachstraße, sondern sind zurück nach Hessen aufs Land gezogen. Haben Sie mit der «Dieffe», in der ja auch Rico im Buch wohnt, komplett abgeschlossen?

Steinhöfel: «Ja, so kann man wohl das sagen. Das war jetzt der letzte Band der Reihe. Außer, ich brauche irgendwann mal einen Zuschuss zur Rente (lacht). Ursprünglich sollte das alles ein einziger langer Roman werden. Aber mein Verleger - der weiß, wie verdammt langsam ich arbeite - sagte: Bitte, bitte, splitte das auf. Ich war eigentlich immer gegen mehrbändige Reihen. Aber: es hat funktioniert, Rico hatte Riesenzuspruch. Sonst würde ich wohl heute noch an der langen Version rumschreiben.»

Gibt es Abschiedsschmerz?

Steinhöfel: «Oh ja, den gibt es. Rico ist mir ans Herz gewachsen. Ich mag es, in der ersten Person zu erzählen. Und Rico ist so emotional, so witzig und traurig. Er kriegt die Leute zum Lachen und zum Weinen. Natürlich ist das auch ein bisschen Kalkül: Er ist der "reine Tor", eine archetypische Figur.»

Wie haben Sie die Geschichte gefunden?

Steinhöfel: «Da kam einiges zusammen. Ich wollte etwas über Berlin machen. Und auch über Hochbegabte. Aber dazu brauchte ich einen Counterpart, den tiefbegabten Rico. Zuerst habe ich die Geschichte aus der Warte des hochbegabten Oskars angefangen, aber da gingen dann alle Witze auf Kosten von Rico. Der hat mir da echt leidgetan. Deshalb habe ich dann aus Ricos Warte nochmal neu angefangen. So hat's dann funktioniert. Außerdem habe ich zu dem Zeitpunkt meinen Lebenspartner kennengelernt, der ADHS hatte - als Kind und auch als Erwachsener. Auch davon steckt auch etwas in Rico drin. Und was dann die Entwicklung der anderen Figuren angeht, etwa der Mutter, die Geschäftsführerin in einem Nachtclub ist, da habe ich versucht, ein paar Denkverbote aufzubrechen.»

Die Geschichte ist voll mit handfesten Problemen, aber am Ende wird alles gut.

Steinhöfel (lacht): «Jaja, dieses dicke fette Happyend. Das haben die Kinder sich so gewünscht, ich kriege ja Berge von Briefen dazu, und ich hatte es von Anfang an versprochen. Ich alleine hätte es wohl etwas weniger rund gemacht. Aber Kinder hassen es, wenn das Happyend fehlt. Im Buch wie im wirklichen Leben. Oft sind kindliche Bedürfnisse so einfach und so unerfüllbar zugleich.»

Was macht ein gutes Kinderbuch für Sie aus?

Steinhöfel: «Ich habe ein Problem mit Problembüchern. Ein Buch darf nicht pädagogisch sein. Auch nicht parteiisch oder manipulativ. Da kann man Kinder und Jugendliche schnell mit überfordern. Und sie wollen es auch nicht lesen. Allgemein merke ich, dass Kinder heute durch die digitalen Möglichkeiten, die sie haben, viel weniger in der Lage sind, sich auch mal hinzusetzen, etwas wirklich zu durchdringen und in Bezug zum eigenen Leben zu setzen. So etwa, wie Rico das mühevoll im Buch versucht. Dieses 'schnelle, tolle' Internet-Wissen, das reicht nur für Günther Jauch. Da müssten wir als Erwachsene viel mehr hinterher sein.»

Wer sind die künftigen Steinhöfelschen Helden?

Steinhöfel: «Oh, da sind mehrere Eisen im Feuer. Ich habe meine Arbeit als Drehbuchautor und Übersetzer deshalb erstmal runtergefahren. Ich schreibe an einem Jugendbuch, das nun im ländlichen Raum spielt, aber auch an einem Roman für Erwachsene. Darin geht es um ein Kind, das sterben muss. Aber ich bringe es nicht übers Herz, es sterben zu lassen, deshalb komme ich auch nicht recht weiter. Die Figuren bekommen manchmal ein Eigenleben und büxen einfach aus. Das ist schön und schrecklich zugleich.»

Und was lesen Sie selbst?

Steinhöfel: «Bloß keine Kinderbücher mehr. Am liebsten lese ich Klassiker, um die eigenen Wurzeln zu erforschen. Nur an den Russen bin ich bis jetzt gescheitert, da verwechsle ich ständig die Namen der Figuren.» dpa

Andreas Steinhöfel: Rico, Oskar und der Diebstahlstein, Carlsen Verlag, ab 10 Jahre, 336 Seiten, 12,90 Euro