Attila Hildmann im Interview

update: Attila eröffnet Snackbar

Von Caroline Bock

Im Flur hängt ein Bild von Arnold Schwarzenegger. Attila Hildmann (32) macht in einem Kapuzenpulli die Tür zu seiner Berliner Wohnung auf. Am Herd trägt der Koch dann ein T-Shirt, das für sein neues Buch wirbt. Der Physikstudent ist der Shooting-Star der Kochszene und ein Fitnessguru. In Zahlen: Er hatte 70 Fernsehauftritte in zwei Jahren und schafft aktuell 30 Klimmzüge.

Seine Rezepte sind nicht nur vegetarisch, sondern vegan. Das heißt, sie kommen ganz ohne tierische Produkte wie Milch, Käse und Eier aus, so wie sein Rote-Beete-Carpaccio, die vegane Pizza oder Spaghetti aus Kohlrabi. Hildmann hat die vegane Küche aus der Ecke der faden Ökokost herausgeholt und eine Marktlücke besetzt. Nach einer Schätzung des Vegetarierbundes gibt es in Deutschland 800 000 Veganer - Tendenz steigend.

Hildmann, der türkische Wurzeln hat und in Berlin aufwuchs, ist mit seinen Büchern zum Bestsellerautor geworden. Dazu sieht er aus wie ein Rasierwassermodel und hat einen Waschbrettbauch, den er gern fürs Marketing benutzt. Hildmann ruft seine Leser auf, sich in «Challenges» (Herausforderungen) eine Zeit lang vegan zu ernähren, zu meditieren und Sport zu machen. Veganismus als Lifestyle.

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Hildmann ist dabei nicht streng. «Ich begrüße jeden, der sagt: Ich esse einmal in der Woche vegan oder einmal am Tag. Ich persönlich lebe vegan, weil es für mich Sinn macht und es mir gesundheitlich bessergeht, ich habe dadurch 35 Kilo abgenommen.» Das kann man auf Vorher-Nachher-Bildern sehen. Im Jahr 2000 war er noch moppelig und sah älter aus als heute.

Ein Schock war für Hildmann damals, dass sein Vater nach einem Herzinfarkt starb. Das brachte ihn dazu, sich mit Cholesterin und gesunder Ernährung zu beschäftigten. Als Student und Autodidakt entwickelte er Rezepte für die Gemüseküche und war damit lange nur Insidern ein Begriff. Mit dem Boom von Bio und vegetarischer Kost kam seine Stunde.

Beim Interview tischt er Zucchini-Röllchen mit Kürbisfüllung und Eis aus Cashew-Nüssen auf, danach einen Matcha-Shake aus Grünteepulver und Reissirup. Hildmann ist Profi und weiß, wie fotogen Zucchini in die Schüssel regnen. Sein freundlich-lockerer Stil erinnert an den britischen Starkoch Jamie Oliver. Den findet er sympathisch. Aber: «Ich bin kein Abklatsch von Jamie Oliver, nur in vegan.» Er legt Wert auf seinen wissenschaftlichen Background. So geht es in seinem neuen Buch unter anderem um Technik gegen das Altern.

Hildmann polarisiert die Leute auch: Nicht nur mit dem Vorzeigen seiner Muskeln, sondern auch mit seinem Porsche, von dem er ein Bild im Internet bei Facebook veröffentlichte, was eine Kommentarflut auslöste. Das war eine Provokation für die strengen Ökos. «Natürlich habe ich Spaß daran», sagt Hildmann. «Vom Unterhaltungswert ist meine Facebookseite besser als das Dschungelcamp.»

Veganer reagieren unterschiedlich auf den Vorzeigesportler: «Einige mag ärgern, dass Hildmann nicht die Tiere, sondern Fitness und Gesundheit in den Vordergrund stellt und er ausgerechnet damit zum Medienliebling wurde», hat der Szenekenner und Buchautor Andreas Grabolle («Kein Fleisch macht glücklich») beobachtet. Grabolle findet ihn «nützlich» für die Bewegung. «Gerade weil Hildmann vegane Ernährung auf seine Weise verkauft, kommt er bei Menschen an, die sonst zunächst keinen Zugang zu dem Thema hätten. Die meisten seiner Bücher kaufen ja Gemischtköstler.»

Hildmann predigt den Mittelweg. «Wenn du bewusst tierische Produkte konsumierst, tust du schon so viel mehr als der Mainstream. Der steht morgens auf, macht den Wurstsalat aufs Brot, isst mittags in der Kantine Schnitzel und abends gibt es Leberwurst. Und das jeden Tag.» Ein Verzicht bedeutet veganes Essen für ihn nicht. Und dem Tier sei es egal, aus welchem Grund es nicht gegessen werde.

Hildmann plant eine eigene Fernsehshow und ein neues Buch. Und bald will er in den USA seine Bücher verkaufen und seine Geschichte erzählen. Im März hat Hildmann dort 50 Radio-Interviews, im Mai kommen die Fernsehtermine, wie er erzählt. Und der Koch hat noch eine persönliche «Challenge»: In zwei Monaten ist Abgabe für seine Physik-Diplomarbeit. dpa

Das Interview mit Attila Hildmann

Hildmann ist Veganer, aber bei anderen nicht so streng. Er ermuntert seine Leser, als Herausforderung («Challenge») eine Zeit lang vegan zu leben. «Ich bin wahrscheinlich der König der Flexitarier-Bewegung», sagt Hildmann in Berlin. Damit meint er Leute, die ab und zu auch Fleisch essen.

Ich habe auf dem Weg hierher ein Brötchen mit Käse gegessen. Was war daran verkehrt?

Ich halte aus gesundheitlicher Sicht nichts von tierischen Produkten. Aber jeder kann essen, was er mag. Ich bin da überhaupt nicht dogmatisch.

Wie viele Menschen sind durch Bücher von Attila Hildmann zum Veganer geworden?

Ich bin wahrscheinlich der König der Flexitarier-Bewegung. Es gibt viele Leute, die machen die Challenges für 30 oder 60 Tage. Danach essen sie wieder normal oder lassen bestimmte Kochtipps in ihren Alltag einfließen. Geht man von einer Dreiviertel Million verkauften Büchern aus, dann haben es vielleicht die Hälfte der Leute probiert.

Was spricht dagegen, sich einmal in der Woche ein Bio-Schnitzel zu braten?

Nichts. Wir haben zwei Extreme: Das eine ist die Forderung, komplett vegan zu werden, weil tierische Produkte ganz böse sind. Das halte ich für ein Hippietum 2.0. Das zweite Extrem ist, dass wir in einer Welt leben, in der wir täglich und nicht nur einmal in der Woche Fleisch essen. Und eben nicht beim lokalen Bauern einkaufen. Man kann einen Mittelweg finden. Ich begrüße jeden, der sagt: Ich esse einmal in der Woche vegan oder einmal am Tag. Ich persönlich lebe vegan, weil es für mich Sinn macht und es mir gesundheitlich bessergeht, ich habe dadurch 35 Kilo abgenommen.

Was haben Sie sich vom britischen Starkoch Jamie Oliver abgeschaut?

Ich habe natürlich jahrelang seine Videos angeguckt und seine Fernsehshows. Er ist der Prototyp des modernen Fernsehkochs. Ich fand ihn sympathisch. Mittlerweile ist es aber so, dass ich Dinge mache, die man nicht vergleichen kann. Ich bin kein Abklatsch von Jamie Oliver, nur in vegan. Mich macht vor allem aus, dass sich die Leute auch von meinem wissenschaftlichen Background inspirieren lassen.

Von Ihnen gibt es viele Bilder, die Ihren Sixpack zeigen. Ist das auch Eitelkeit?

Das ist eine klare Bildersprache und Marketing. Ich lebe in einer Welt, in der Männerzeitschriften massiv mit solchen Sixpack-Bildern Käufer angeln wollen. Und ich bin auch in einer Gesellschaft groß geworden, in der man neidisch auf jemanden blickt, der muskulös ist. Selbst heute lasse ich mich von Fitness-Models weltweit inspirieren. Ich finde es einfach stark, wenn man seinen Körper formt.

Sie machen viel von sich öffentlich: Zum Beispiel ein Bild vom Porsche auf Facebook oder vom Geburtstag der Mutter im Restaurant. Wie passt das zum Ansatz, auch besinnlich und offline zu leben?

Ich habe durch Online-Plattformen wie Youtube meinen Erfolg geschafft. Deswegen bin ich da heute noch aktiv. Die Frage ist immer, wie du damit umgehst. Ich poste täglich etwas, aber ich hänge nicht vor dem Computer. Sonst könnte ich ja nicht reisen oder Bücher schreiben.

Für den Porsche sind Sie auch angefeindet worden - war das überraschend?

Nein, das war ja absichtlich. Ich finde es wichtig, dass man klarstellt, dass sich Veganer auch etwas gönnen können.

Sie haben also schon die militante, spaßfreie Seite der Veganer-Szene kennengelernt?

Die können Sie jeden Tag auf Facebook beobachten. Dann poste ich den Porsche mit Volllederausstattung. Natürlich habe ich Spaß daran. Vom Unterhaltungswert ist meine Facebookseite besser als das Dschungelcamp. Das Porsche-Bild haben eine halbe Million Menschen gesehen. Natürlich erregt das auch Aufmerksamkeit.

Muss ein Veganer auch umweltbewusst sein? Oder darf man es nur wegen der Fitness sein?

Mein Erfolg kommt ja daher, dass ich diese Ideologie aufbreche: Du musst nicht dein ganzes Leben umkrempeln. Du kannst auch nur 30 Tage vegan essen. Dem Tier ist es egal, aus welchem Grund es nicht gegessen wird. Jeder, der sich bewusst für ein veganes Gericht entscheidet, egal aus welchem Grund, setzt ein Zeichen für den Tierschutz. Jeder Schritt in die richtige Richtung zählt.

Träumen Sie manchmal von Käse oder Fleisch?

Überhaupt nicht. Da vergeht mir einfach der Appetit. Sie könnten mich nicht mal mit einem Steak, Käsefondue oder einer fetten Rahmsoße reizen. Ich würde mich danach einfach schrecklich fühlen, rein gesundheitlich.

ZUR PERSON:

Attila Hildmann (32) hat türkische Wurzeln und wuchs bei deutschen Eltern in Berlin auf. Als Student begann er, vegane Rezepte zu entwickeln und wurde Kochbuchautor. Eine Kochlehre hat er nicht gemacht, er ist Autodidakt. Sein neues Buch widmet sich auch dem Kampf gegen das Altern, es heißt «Vegan for Youth». Hildmann plant eine Fernsehshow und will bald auch in den USA in den Medien auftreten.