Bei Gosset in der Champagne

Ich zähle über 110 Stufen hinab in den Weinkeller der Domaine Gosset in Epernay, dem ältesten Weinhaus in der Champagne, das idyllisch gelegen, mit dicht bewaldetem Park und denkmalgeschützten Gebäuden aus dem 19. Jahrhundert stammt. Nathalie, die seit langem sozusagen zum "Hausinventar" gehört, erzählt mit großer Leidenschaft die Geschichte des Hauses Gosset: "Wir haben nicht genug Trauben, aber es gibt auch nicht genug Flächen – die Welt möchte mehr und mehr Champagner trinken."

Hier im Keller liegt eine Menge davon. Auf einer Länge von 1,7 km ist Platz für 2,5 Millionen Flaschen, wobei Gosset jährlich über 1 Million Flaschen produziert. "Wir haben mit mehr als 200 Winzern in über 60 Dörfern Verträge. Wir kaufen die Trauben, zahlen den Preis pro kg, es wird aber nur der Saft abgeliefert." Die Weinbauer haben einen Transportweg zwischen 15 und 20 km, jeder Bauer bewirtschaftet durchschnittlich einen Hektar.

Ay und Epernay

Präsident Jean-Pierre Cointreau (ja genau der, der früher Cointreau-Gründer war) kaufte 1994 das Weingut von der Witwe Gosset. Vorher war es seit 1584 durchgängig im Besitz von 17 Gosset-Generationen mit Unternehmenssitz in Ay, fast gegenüber von Epernay, getrennt durch den Fluss Marne. Inhaber Cointreau kaufte 2009 eine Domaine in Epernay, in der Rue Malakoff, dazu. Es ist das ehemalige Herrenhaus aus der Trouillard Familie, das zuvor Chateau Malakoff hieß. Ein bedeutender Zugewinn, der dem Champagnerhaus noch mehr Präsenz und vor allem Platz für die "wertvollen und prickelnden Kellerkinder" gibt.

Eine Gärkapazität von 26.000 Hektolitern

"Man könnte 3 Millionen Flaschen herstellen", sagt Nathalie. "Die größten Tanks haben Platz für 203 Hektoliter, die kleinsten für 40 Hektoliter". Gigantisch was hier im Keller lagert, sichtlich beeindruckt gehen wir weiter zur Abfüllanlage. Hier wird bei 25 Grad Minus der Hefebodensatz entfernt, der sich während der zweiten Gärung abgesetzt hat. Man nennt diesen Vorgang "degorgieren". Durch die besondere Lagerung der Flaschen (fast auf dem Kopf) und durch das "Rütteln" setzt sich die Hefe im Flaschenhals ab.

Keine malolaktische Gärung

Das Champagner-Haus Gosset verzichtet auf die malolaktische Gärung, weil die erzeugten Champagner gezielt so komponiert werden, dass die natürliche Apfelsäure dem Wein eine spezielle Frische und fruchtige Eleganz zuspielt. Daher sind lange Lagerzeiten – fünf Jahre – erforderlich. Viele andere Champagner-Häuser hingegen arbeiten bewusst mit der malolaktischen Gärung, da die verwendete Rebsorte ohne den Abbau der strengen Apfelsäure "untypisch" oder zu "herb" wirken könnte – oder man möchte einfach nur eine aromatisch gewünschte Veränderung erzielen.

Kellermeister Jean-Pierre Mareigner, seit über 31 Jahren im Hause Gosset tätig, öffnet seine "Kellerkinder" zum Degustieren. "Grand Réserve ist das, was wir sind", sagt Mareigner und vergleicht seine Arbeit mit der eines Haut Couturiers, immer auf der Suche nach Perfektion.

Drei Rebsorten werden für die sieben verschieden hergestellten Champagnersorten verwendet: Hauptsächlich Pinot Noir, sehr viel Chardonnay und wenig Pinot Meunier. Natürlich ist die Gewichtung bei den angebotenen Champagnersorten unterschiedlich, aber beispielsweise beim "Flaggschiff" Grande Réserve werden 42% Pinot Noir, 43% Chardonnay und 15% Pinot Meunier verwendet.

319 Gemeinden produzieren Champagner

Die Champagne befindet sich ca. 150 km östlich von Paris und besteht aus 319 "Crus" (Gemeinden), die sich auf die Départements Marne, Aube, Aisne, Haute-Marne und Seine-et-Marne verteilen. Champagne ist eine kontrollierte Herkunftsbezeichnung und umfasst ein Anbaugebiet von etwa 34.000 Hektar, das seit 1927 gesetzlich festgelegt ist.

Ich sinniere beim Probieren der unterschiedlichsten Champagnersorten von Gosset, was Champagner so begehrenswert macht: Ist es die begrenzte Anbaufläche, die Champagner so wertvoll, so edel macht – und das Kontingent begrenzt? Sind es die erfrischenden perlenden Weine, die durch das besondere Herstellungsverfahren so beliebt sind? Einen "Grand Millésime" genießend, spinne ich weiter, dass es nicht wichtig ist, aus welchem Grund Champagner so beliebt ist. Ich denke lieber an berühmte Zitate, die in "Champagner-Laune" entstanden sind, wie das von Anthèlme Brillat-Savarin: "Beim Bordeaux bedenkt, beim Burgunder bespricht, beim Champagner begeht man Torheiten".

Reise in die Champagne: Flug nach Paris, Aufenthalt in Reims, dann nach Epernay und auf der gut beschilderten Champagner-Straße, die eine Länge von über 600 Kilometer hat und sich in fünf verschiedene Routen aufteilt, die Region und den Champagner genießen. www.champagne-gosset.com

 

Eure

Rose Marie Donhauser