Berlin ist immer eine Reise wert

Der Berlin-Tourismus wächst weiter rasant. Im vergangenen Jahr verbuchte die Hauptstadt einen weiteren Rekord: knapp 9,9 Millionen Gäste und nahezu 22,4 Millionen Übernachtungen - doppelt so viele wie vor zehn Jahren.

Mit Zuwächsen von 9 Prozent bei den Gästezahlen und 7,5 Prozent bei den Übernachtungen hat sich das Tempo wegen der europäischen Schuldenkrise etwas verlangsamt, übersteigt die bundesweiten Raten aber deutlich. Rückgänge bei Besuchen aus Italien, Portugal und Griechenland glichen neue Gäste aus Ländern wie Russland, Polen, Israel und Brasilien mehr als aus.

«Berlin ist Wachstumsmeister in Europa», sagte Vladimir Preveden, Partner der Unternehmensberatung Roland Berger, die mehrere europäische Hauptstädte verglichen hat. Demnach liegt Berlin nach Zahlen für das Jahr 2010 bei Übernachtungen an dritter Stelle hinter London (48,7 Millionen) und Paris (35,8 Millionen).

Berlin und seine Tourismuswerber peilen nun die 30-Millionen-Marke für das Jahr 2020 an, wie Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz (parteilos) sagte. «Der Tourismus ist ein Fundament für den wirtschaftlichen Erfolg dieser Stadt.» Der Jahresumsatz liege bei neun Milliarden Euro. 230 000 Arbeitsplätze hingen davon ab.

Potenzial für weiteres Wachstum sieht die Marketing-Agentur Visit Berlin besonders bei Besuchern aus Brasilien, Russland, Indien und China. «Wir müssen eigentlich nur so bleiben, wie wir sind: ein bisschen wild, kreativ, überraschend», sagte Geschäftsführer Burkhard Kieker. Besucher reize vor allem, zu beobachten, wie Berlin nach der Teilung zunehmend einen Platz unter den Weltmetropolen einnehme. «Berlin ist die Stadt der Bewegung, die Stadt des Wandels.»

Einen weiteren Schub erhofft sich die Branche durch den neuen Flughafen, der im Juni in Schönefeld in Betrieb geht. Die Lufthansa will mit zusätzlichen europäischen Städteverbindungen zu Kampfpreisen dort den Billigfliegern Passagiere abjagen und wirbt kräftig für das Reiseziel Berlin.

Von Obernitz will mit den Fluggesellschaften reden, damit sie mehr Langstrecken anbieten, etwa nach Nordamerika und Asien. Dann könne Berlin auch mehr Kongresse und wissenschaftliche Messen mit tausenden zahlungskräftigen Teilnehmern anlocken. Nach der Berger-Studie steht Berlin kurz davor, unter den europäischen Kongressstandorten Paris als Nummer zwei hinter Wien abzulösen.

Die Statistiker zählen solche Gäste wie alle Geschäftsreisenden, die in der Stadt übernachten, zu den Berlin-Besuchern. Kieker nimmt an, dass 60 Prozent der 22,4 Millionen Übernachtungen auf Touristen entfallen. Hinzu kämen geschätzte 3 Millionen Übernachtungen in privaten Ferienwohnungen.

Unternehmensberater Preveden sieht bei allen Rekorden auch Nachholbedarf. Der Anteil ausländischer Gäste liege mit 41 Prozent weit unter dem Durchschnitt der europäischen Hauptstädte (71 Prozent). Hotels lieferten sich einen starken Preiskampf. Die Auslastung sei mit gut 50 Prozent zu gering, der Erlös mit 60 Euro pro Zimmer vergleichsweise bescheiden. Hier seien Lösungen gefragt.

Es gibt in Berlin 125 000 Hotelbetten, 4000 kommen laut Amt für Statistik Berlin-Brandenburg in diesem Jahr hinzu. Von Obernitz sagte zu, das angestrebte Wachstum für die Berliner erträglich zu gestalten und beispielsweise Ferienwohnungen einzudämmen. Sie bekräftigte, dass der Senat im nächsten Jahr eine Steuer auf Hotelübernachtungen (City tax) einführen wolle. Die Einnahmen sollten zu einem «beträchtlichen Anteil» in den Tourismus und in die Kultur fließen, sagte die Senatorin. «Darüber hinaus ist sicher auch an Einnahmen für das Land Berlin gedacht.» dpa

Wo Berlins Besucher herkommen

Die meisten Berlin-Besucher kommen aus Deutschland, doch schon mehr als 40 Prozent der Übernachtungen entfallen auf ausländische Touristen. Die nach Übernachtungen zehn wichtigsten Herkunftsländer des vergangenen Jahres - und die stärksten Auf- und Absteiger:

1. Deutschland 13 109 000 + 6,7 Prozent

2. Großbritannien 881 000 + 8,2 Prozent

3. Italien 763 000 - 8,1 Prozent

4. Niederlande 703 000 + 7,7 Prozent

5. Spanien 700 000 + 9,4 Prozent

6. Vereinigte Staaten 651 000 + 2,5 Prozent

7. Frankreich 523 000 + 7,9 Prozent

8. Dänemark 514 000 + 2,7 Prozent

9. Schweiz 460 000 + 17,5 Prozent

10. Russland 315 000 + 32,8 Prozent

 

11. Schweden 310 000 + 13,9 Prozent

13. Israel 220 000 + 13,1 Prozent

15. Belgien 206 000 + 14,2 Prozent

16. Polen 195 000 + 22,4 Prozent

17. Australien 184 000 + 15,2 Prozent

18. Finnland 152 000 + 18,2 Prozent

19. Brasilien 151 000 + 24,6 Prozent

20. China/Hongkong 125 000 + 21,1 Prozent

23. Griechenland 105 000 - 21,9 Prozent

24. Irland 82 000 - 8,8 Prozent

29. Portugal 49 000 - 8,9 Prozent

34. Luxemburg 25 000 - 11,5 Prozent

Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg, verglichen mit dem Vorjahr