Bier mit Karamellgeschmack Biersommeliers gefragt

Von Andreas Hummel

Solche Kenner, die es bei Wein schon seit Jahrhunderten gibt, sind auch bei Bieren seit einigen Jahren zunehmend im Einsatz. Wenn Jens Zimmermann zum Bierglas greift, führt er es nicht zuerst an den Mund, sondern zur Nase. "Ich rieche das Aroma eingelegter Pflaumen, etwas Sherry ist dabei", sinniert der 50-Jährige mit Drei-Tage-Bart. Sein Glas hält er dabei etwas schräg. "Wenn man dieses Bier dann trinkt, stößt man wieder auf etwas ganz anderes." Er nimmt einen Schluck, hält inne: "Mich erinnert das ganz stark an Karamellbonbons, dunkle Schokolade und Honig." Zimmermann ist Sommelier - allerdings nicht für Wein, sondern für Bier.

Seit einigen Jahren setzen Deutschlands Brauereien verstärkt auf Bierspezialitäten, mit denen höhere Preise zu erzielen sind - nach US-amerikanischem Vorbild auch Craftbier genannt. Das sind handwerklich gebraute Biere, bei denen besondere Malze oder Aromahopfen zum Einsatz kommen. Zudem bedienen sich die Braumeister historischer Vorbilder, so wie bei dem rötlich schimmernden Red Lager aus Bad Köstritz bei Gera, das Zimmermann eben verkostet hat.

Mit diesem Trend sei die Vielfalt der Biere deutlich gewachsen, gemessen am Gesamtabsatz machten sie aber weniger als ein Prozent aus, erklärt Marc-Oliver Huhnholz vom Deutschen Brauer-Bund. Damit würden vor allem jüngere Menschen sowie experimentierfreudige und kaufkräftige Kunden angesprochen. "Diese Biere bieten ganz andere Einsatzmöglichkeiten, zum Beispiel als Aperitif oder Digestif", sagt Huhnholz. "Der Aufwand ist aber groß, weil man diese Biere erklären muss." Und hier kommen Biersommeliers zum Einsatz.

Zwei Wochen lang hat sich Zimmermann dazu ausbilden lassen. Dabei ging es um die Geschichte der Bierherstellung, die Zutaten, verschiedene Braumethoden und natürlich unterschiedliche Stile, Aromen, aber auch Fehlgeschmacksrichtungen. Der Wunsch, das alles genauer kennenzulernen, sei über längere Zeit gereift. "Ich verkaufe seit mehr als 20 Jahren Bier", erzählt Zimmermann, der die Biere der Köstritzer Schwarzbierbrauerei in Ostsachsen an Gastronomen vertreibt. "Mich hat gestört, dass Wein zelebriert, aber Bier einfach nur gebracht wird."

Und damit ist er offensichtlich nicht allein. Rund 1000 Biersommeliers gebe es inzwischen bundesweit, erklärt Sandra Ganzenmüller vom Verband der Diplom-Biersommeliers. "Der Begriff Biersommelier kann hierzulande allerdings nicht geschützt werden." Das Interesse sei in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Wurden früher im Jahr zwei Kurse der Akademie im oberbayerischen Gräfelfing angeboten, seien es inzwischen etwa zehn. "Manche Brauerei hat schon ihren kompletten Außendienst zum Biersommelier ausbilden lassen." Sei die Nachfrage zunächst vornehmlich aus den Brauereien gekommen, stammten die Kursteilnehmer inzwischen oft aus Gastronomie und Handel, aber auch Privatleute seien darunter.

Mit dem Kurs allein ist es nach Zimmermanns Erfahrung allerdings nicht getan. Er trainiere seine sensorischen Fähigkeiten etwa einmal pro Woche und auch bei ganz normalen Gelegenheiten im Alltag. "In der Gaststätte bekomme ich schon mal komische Blicke, wenn ich meine Riechhaltung einnehme", erzählt er schmunzelnd. Dass sich die Aromen optimal entfalten, sei auch vom Glas und der Trinktemperatur abhängig. Und für einige Biere gelte wie beim Wein: Sie dürfen auch etwas länger lagern. "Ein Pils sollte möglichst frisch getrunken werden", erklärt der Kenner. "Ein alkoholhaltigeres Bier wie das Pale Ale entwickelt sich mit der Zeit, die Aromen gehen ineinander über, die Hopfenbittere geht zurück und es wird fruchtiger." dpa