In etwa fünf Wochen werden die ersten Trauben gelesen. «Jetzt muss noch das Wetter mitspielen», sagte Winzer Manfred Lindicke, Geschäftsführer des Weinbaubetriebes Werder/Havel (Potsdam-Mittelmark). Trockene Witterung mit wenig Regen wäre optimal. Die derzeit nur etwa erbsengroßen Beeren brauchen noch ihre Zeit. Die Hoffnungen auf einen guten Jahrgang seien groß, sagte Lindicke, der mit einer Fläche von knapp sieben Hektar die größte Fläche bearbeitet. Insgesamt stehen im Land auf 30 Hektar Reben. Der Wein wird nur in der Region verkauft.
Wein statt Braunkohle
Wo früher Kohle abgebaggert wurde, pflücken Erntehelfer bald wieder Trauben: Die Winzer von Weinhängen in ehemaligen Braunkohle-Gebieten in Südbrandenburg gehen von einer guten Ernte in diesem Jahr aus. "Es gab keinen Spätfrost", sagte Winzer Andreas Wobar aus Großräschen (Oberspreewald-Lausitz).
Die 5000 Reben stehen auf einem Hang an einer ehemaligen Tagebaugrube, in der durch Flutung der Großräschener See entsteht. Im vergangenen Jahr sei das erste Mal gelesen worden, sagte Wobar. Seit 2012 gibt es den Weinberg.
Die Trauben am Rande des Braunkohletagebaus Welzow-Süd bei Cottbus (Spree-Neiße) sind ebenfalls gut im Wuchs. "Letztes Jahr hatten wir keine Ernte, um die Anlage zu stärken", sagte Winzer Martin Schwarz. Der Boden sei wie generell in der Lausitz durch geringe Niederschläge trocken. Weil der Weinberg noch sehr jung sei, müsse sich das Bodenleben erst nach und nach aufbauen.
Die 26 000 Rebstöcke des Weinbergs Wolkenberg sind vor rund fünf Jahren auf einer rekultivierten Fläche der Vattenfall-Grube gepflanzt worden. Der Tagebau ist heute noch aktiv. Etwa ein Drittel der einmal angestrebten Menge kann dieses Jahr voraussichtlich gelesen werden, wie der Winzer ergänzte. Der Wein wird dann im sächsischen Meißen gekeltert. Geplant ist, dass ab 2017 auch Sekt aus Tagebau-Trauben verkauft wird.
Märkischer Wein als Botschafter
Das Wetter hat in diesem Jahr die Brandenburger Winzer nicht im Stich gelassen. Die Blüte verzögerte sich zwar um zehn Tage. Hält nun das Wetter, kann aber wie geplant ab Ende August die Lese beginnen. Über guten Wein entscheiden Farbe, Geruch und Geschmack. Für märkische Rebensäfte gibt es zunehmend Prämierungen. Sie müssen sich nicht mehr hinter den Produkten aus traditionellen Anbaugebieten verstecken.
Fakten zum Brandenburger Wein:
VERKAUF: Märkischer Wein wird nur in der Region verkauft. Ins Ausland gelangt er eigentlich nur im Touristengepäck: als Souvenir.
WERBUNG: Die Weine sind für das Land wichtige "flüssige Botschafter". So kommt bei offiziellen Essen des Ministerpräsidenten Havel-Zander mit Müller-Thurgau aus Werder auf den Tisch. Auch andere Sorten - weiß, rot oder rosé - werden gern serviert. Verdiente Landeskinder, Amtskollegen oder Gäste werden gern mit einer Flasche bedacht.
WEINBERGE: 95 Prozent der Rebflächen sind in Südbrandenburg und in Werder/Havel zu finden. Die Südbrandenburger gehören zum Qualitätsweinanbaugebiet Sachsen, die in Werder zu Saale-Unstrut in Sachsen-Anhalt. Der nördlichste liegt in Annenwalde (Uckermark). Eine neue Anlage kam mit der Bundesgartenschau 2015 in Brandenburg/Havel hinzu. Die erste Lese ergab eine Handvoll Flaschen "Buga-Wein". Das größte Weinbaugebiet liegt auf dem Wachtelberg in Werder/Havel mit 6,2 Hektar. Wein wächst seit Jahren auch in ehemaligen Tagebau-Gebieten.
BEDINGUNGEN: Weinbauern schreiben der märkischen Sonne einen guten Einfluss auf die Qualität der Trauben zu. Schlecht sind zu frostige Winter und fehlender Regen im Sommer. Aber auch natürliche Feinde wie Waschbären oder Krähen machen den Winzern zu schaffen. Annenwalde büßte im Vorjahr durch Waschbären einen großen Teil der Ernte ein. Vom Jahrgang 2014 blieben statt der erwarteten etwa 600 nur knapp 100 Liter übrig.
GESCHICHTE: Franken und Rheinländer brachten im Mittelalter den Weinbau nach Preußen. Ein Freund des Getränks war auch König Friedrich II. (1712-1786), der 1769 einen Weinberg auf dem Klausberg in Potsdam anlegen ließ. Derzeit wird er wieder rekultiviert. Mittlerweile aktivieren neun Weinbauvereine landesweit historische Flächen.
ERTRAG: In den letzten Jahren wurden zwischen 300 und 600 Hektoliter Wein erzeugt. Pro Hektar lagen den Erträge im Durchschnitt bei etwa 30 bis 40 Hektoliter je Hektar. Eine Flasche kostet zwischen sieben und zehn Euro.
REBRECHTE: Ohne Rebrechte geht gar nichts: damit sollen im europäischen Binnenmarkt Anbau und Preise stabil gehalten werden. Derzeit gibt es 30 Hektar - bundesweit sind es etwa 102 000. Seit 2013 konnten die alten Weinländer jährlich um ein halbes Prozent und die neuen Länder im ein Prozent aufstocken. Für das Land sind damit 3000 Quadratmeter möglich - zu wenig, wie Weinbauern bemängeln.
SORTEN: Zwischen Elbe, Elster und Oder gedeihen vor allem widerstandsfähige Sorten. Bei den Weißweinen gibt es unterem die traditionellen Sorten Müller-Thurgau, Weißburgunder, Riesling oder Sauvignon blanc. Spitzenreiter bei den Roten ist Regent, dann kommen Dornfelder und Cabernet Dorsa. dpa