Von Clare Byrne
Mancher Franzose fürchtet schon um das kulturelle Erbe der Grande Nation. Es geht um nichts geringeres als den Bordeaux. Immer mehr Weinliebhaber aus China entdecken den französischen Traditionswein. Und mancher zu Geld gekommene Geschäftsmann aus China findet Gefallen daran, sich gleich ein ganzes Weingut in Frankreich zu gönnen.
Das Interesse aus Fernost am Bordeaux kommt nicht von ungefähr. «Das wichtigste in China ist deine gesellschaftliche Stellung», sagt Li Lijuan. Die 29-Jährige Expertin für die bekanntesten französischen Rotweine weiß, wie der chinesische Weinmarkt tickt. Die Leidenschaft ihrer Landsleute für die weltweit größte zusammenhängende Weinbauregion hat einen handfesten Grund: «Bordeaux zu trinken bedeutet, die schönen Dinge im Leben zu schätzen zu wissen. Ein eigenes Weingut zu besitzen, kommt also fast der Aufnahme in den Hochadel gleich.»
Mehr als 50 Winzerbetriebe wechselten in den vergangenen fünf Jahren in der Region Bordeaux in den Besitz von chinesischen Getränkekonzernen, Grundstücksmagnaten oder bekannten Persönlichkeiten. Bisher waren es nur kleinere Güter aus den hinteren Reihen, wie La Fleur Jonquet, Château Le Bon Pasteur, Château Rolland Maillet oder Château Bertineau Saint-Vincent.
Obwohl diese Verkäufe an Chinesen nur einen Bruchteil der rund 8000 Weingüter in der Region betreffen, sorgt die Entwicklung bereits für Aufsehen in Frankreich. Manche Medien rücken die chinesische Kauflust schon ins Licht einer militärischen Invasion.
Je größer die Ambitionen der Chinesen, desto größer die Klagen jener Franzosen, die um ihr kulturelles Erbe fürchten. «Werden wir in einigen Jahrzehnten noch in Frankreich heimisch sein?», fragte sich ein Leser vor einiger Zeit in einem Beitrag auf der Webseite der Regionalzeitung «Sud Ouest». Ein anderer schrieb nach einem der zahlreichen Artikel, die vom chinesischen Sturm auf das Bordeaux berichteten: «Es ist eine Schande.»
Andere verteidigen die Chinesen und sehen sie lediglich als Nachfolger von Iren, Belgiern, Holländern und anderen Ausländern, die über die Jahrhunderte verteilt hierher kamen und deren Namen sich noch immer auf den Etiketten einiger der besten Bordeaux-Weine wiederfinden.
Eines der größten Weingüter in chinesischem Besitz ist das Château du Grand Mouëys im Gebiet Entre-deux-Mers. Der neue Besitzer, Zhang Jinshan, kam mit ambitionierten Plänen, um das Anwesen samt seiner Rotweine weiter nach vorne zu bringen. Doch er hat bereits Abstriche machen müssen. Einen Golfplatz etwa wird es nun doch nicht geben.
«Es war kein leichtes Jahr», sagt Yang Chen, der 28-jährige Geschäftsführer des Weingutes. Heftige Sommerstürme mit Hagelkörnern so groß wie Tischtennisbälle haben rund ein Drittel der Ernte zerstört. Ein Teil der Belegschaft begehrte auf. Für Yang alles eine Frage der Anpassungsfähigkeit. «Die französischen Arbeiter haben eine sehr eingeschränkte Denkweise. Sie wollen einfach keine Veränderungen», klagt der neue Besitzer.
Nur 16 Kilometer weiter, auf dem Château Mylord, treten die Gebrüder Michel und Alain Large ihr 44 Hektar großes Weingut an einen Geschäftsmann aus Hongkong ab. Mit ihnen findet nun die vierte Generation von Winzern ihr Ende auf diesem Land. «Wir hatten hier einige großartige Momente und wir sind ganz sicher nicht stolz darauf jetzt zu verkaufen», sagt der 67-jährige Michel mit leiser Stimme.
Er selbst hat keinen Nachwuchs und die beiden Kinder seines Bruders haben kein Interesse am Weinbau. Zu schwierig ist das Überleben, wenn man als Winzer nur in kleinem Maßstab produziert. Und so finden sich die meisten an Chinesen verkauften Weingüter auch in diesem Segment, in dem die Preise unter fünf Millionen Euro liegen.
Allerdings richtet sich das Interesse der Chinesen zunehmend auf vornehmere Weingüter in Gebieten wie Saint-Émilion und Médoc. So kaufte ein Investor aus dem Reich der Mitte im vergangenen Jahr das Weingut Bellefont-Belcier, immerhin ein Grand Cru classé aus Saint-Émilion.
Gerüchten zufolge soll er dafür einen Preis im Bereich von 40 Millionen Euro bezahlt haben. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, dass ein Chateau aus der zweiten oder gar ersten Reihe nach Fernost geht. dpa