Das Direktkundengeschäft mit Wein legt in diesen Wochen deutlich zu, Großhandel und Exporte zeigen in der Corona-Krise aber deutliche Bremsspuren. Der Weinhandel über die Gastronomie sei teilweise zusammengebrochen, sagte Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut in Bodenheim bei Mainz. Auch der zunehmend wichtiger gewordene Weintourismus mit dem Direkteinkauf beim Winzer sei weitgehend zum Erliegen gekommen. «Die Corona-Krise hat den Weinverkauf durcheinandergewirbelt.»
Der Lebensmitteleinzelhandel berichte etwa von steigenden Weinabsätzen, sagte Büscher. Denn in der Corona-Krise wird weniger außer Haus getrunken und dafür mehr für zu Hause gekauft. Zu den Exporten gibt es laut Büscher noch keine verlässlichen Daten. Schon jetzt sei aber klar, dass die Corona-Krise den ohnehin schon unter Strafzöllen leidenden Weinexport in die USA zusätzlich belasten werde. Allein im Januar und somit noch vor der Krise lag der Wert in die USA exportierter Weine um 40 Prozent unter dem Vorjahresergebnis.
Die Vereinigten Staaten sind Weinexportland Nummer eins für Deutschland, 2018 wurden rund 171 000 Hektoliter Wein im Wert von 71 Millionen Euro in die USA ausgeführt.
Von Umsatzeinbußen im Großhandel von 30 bis 35 Prozent sprach das Weinkontor Freund in Borgholzhausen (Kreis Gütersloh). Dies betreffe vor allem den klassischen Großhandel mit der Gastronomie, sagte Geschäftsführer Dirk Röhrig. Im Geschäft mit dem stationären Weinfachhandel gebe es wegen der unterschiedlichen Einschränkungen in den Bundesländern kein einheitliches Bild. «Es gibt eine große Verunsicherung im Markt, viele Verbraucher gehen deswegen direkt in den Supermarkt.»
Kräftige Zuwächse verzeichnet der Online-Handel mit Wein. Die Bestellungen von Weinen bis zu zehn Euro hätten sich ungefähr verdoppelt, sagte der Geschäftsführer des Online-Shops weine.de, Friedhelm Rosenow. Im Premium-Bereich sei die Entwicklung eher stabil. «Die Leute sitzen zuhause im Homeoffice und wollen zum Feierabend einen guten Wein trinken.» Die hohe Nachfrage spürten auch die Hersteller von Kartonverpackungen für den Weinversand - «die produzieren am Limit». Und die starke Belastung der Paketdienste führe zu längeren Lieferzeiten.
«Die Bestellungen im Endkundengeschäft haben um 70 bis 100 Prozent zugenommen, sich also nahezu verdoppelt», sagte auch der Geschäftsführer des Mainzer Online-Shops geileweine.de, Sedat Aktas.
So könne der Ausfall des Geschäfts mit der Gastronomie ausgeglichen werden - «unterm Strich hält sich das die Waage».
Auch die Winzer bekommen die besondere Situation zu spüren. Während die Reben jetzt schon ausgetrieben sind - zwei Wochen früher als im langjährigen Durchschnitt, sorgen sie sich um die gewohnten Vertriebswege. «Der Fachhandel ist fast komplett zum Erliegen gekommen, auch der Export», sagte die rheinhessische Winzerin Hanneke Schönhals in Biebelnheim (Kreis Alzey-Worms). Schmerzhaft sei auch die Absage von Veranstaltungen mit Weinausschank. Das Geschäft mit Privatkunden habe dafür angezogen, um etwa 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. «Man merkt, dass die Leute zuhause mehr Zeit und Lust auf Wein haben.»
Der Direktvertrieb könne die Einbußen in der Gastronomie nicht ganz ausgleichen, sagte der Winzer Martin Tesch in Langenlonsheim an der Nahe. Auch der Export in Länder außerhalb Europas stehe unter Schock.
Es sei sehr schwierig geworden, Containerraum nach Asien zu bekommen und die Frachtkosten seien stark gestiegen. Aber er sei optimistisch, dass sich die Situation im Sommer wieder normalisieren werde. Anders als Bier habe Wein den Vorteil der Lagerfähigkeit, und Qualität sei auch eine Frage der Zeit. «Wein ist keine Frischmilch, es muss nicht alles so schnell gehen.» dpa