Corona-Krise Kommt die Pleitewelle?

Die Zahl der angemeldeten Firmeninsolvenzen wird trotz der Corona-Pandemie aus Sicht von Experten auch in den kommenden Monaten niedrig bleiben. Zwar gelte vom 1. Oktober an wieder die Pflicht, bei Zahlungsunfähigkeit Insolvenz zu beantragen, sagte der Vorsitzende des Verbands Insolvenzverwalter Deutschlands (VID), Christoph Niering. Doch die staatlichen Maßnahmen wie das verlängerte Kurzarbeitergeld und die Überbrückungshilfen dürften viele Betriebe am Leben halten.

Gerade diese Stützen sind aus Sicht des Ökonomen Steffen Müller vom Institut für Wirtschaftsforschung (IWH) in Halle ein gravierendes Problem. «Problematisch ist vor allem die extreme Verlängerung des Kurzarbeitergeldes bis Ende 2021», sagte er. Wenn sich die beginnende Erholung der Wirtschaft fortsetze, sei klar, dass kommendes Jahr vor allem solche Betriebe von dem Instrument Gebrauch machten, die schon vor Corona Probleme hatten oder sich von den schweren Einbrüchen durch die Krise nicht mehr erholen werden.

Die Bundesregierung setzt seit dem Frühjahr auf zahlreiche Maßnahmen, um eine Pleitewelle durch die negativen Folgen der Corona-Pandemie und staatlich verordneter Einschränkungen abzuwenden. So sind seit dem Frühjahr sowohl Überschuldung als auch Zahlungsunfähigkeit keine zwingenden Gründe mehr, um Insolvenz anzumelden. Für überschuldete Unternehmen gilt die Lockerung bis Jahresende. Wer zahlungsunfähig ist, muss ab 1. Oktober Insolvenz anmelden.

IWH-Experte Müller leitet ein Team, das jeden Monat die Meldungen zu eröffneten Verfahren in Deutschland zusammenträgt und im IWH-Insolvenztrend veröffentlicht. Diese Statistik weist seit Monaten eine sinkende Zahl von angemeldeten Firmenpleiten aus. Er rechne damit, dass das Kurzarbeitergeld die Zahl der Firmeninsolvenzen bis zum Auslaufen niedrig halten wird, sagte Müller. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht sei hingegen weder im Guten noch im Schlechten problematisch.

Das sieht der Sanierungsexperte und Insolvenzverwalter Lucas Flöther aus Halle ganz anders. «Es ist höchste Eisenbahn, die Antragspflichten wieder scharf zu schalten, um ernste Schäden für die Volkswirtschaft abzuwenden», sagte der Jurist der dpa.

Der Sinn der strengen Regeln sei, dass sich jeder, der Verträge eingehe, darauf verlassen könne, dass der Gegenüber zahlungsfähig ist. «Derzeit besteht im Markt ein wachsendes Misstrauen», sagte Flöther. Vertragspartner forderten zusätzliche Sicherheiten oder verlangten Vorkasse. Auch er sieht ein Risiko in den staatlichen Hilfsmaßnahmen: So könnten nicht überlebensfähige Betriebe gesunden Unternehmen schaden, indem sie durch die Corona-Krise genügend frisches Geld hätten, um eine Insolvenz zu vermeiden.

Dennoch rechnet Sanierungsexperte Flöther damit, dass die Zahl der gemeldeten Insolvenzen erst nächstes Jahr deutlich ansteigt, wenn alle strengen Meldepflichten wieder gelten. Niering verwies darauf, dass viele Geschäftsaufgaben im Stillen passieren. Gerade Inhaber von kleinen Kneipen, Reisebüros oder Einzelhandelsgeschäften dürften einfach zumachen, ohne bis zur Zahlungsunfähigkeit zu warten. dpa