Die Hotellobby wird zum Wohnzimmer

Von Verena Wolff

Eine Halle, ein paar Sitzgelegenheiten, eine große Theke - so sieht fast jede Hotellobby auf der Welt aus. Ein Gast kommt an, er geht zum Tresen, er checkt ein. Doch so einfach ist das nicht mehr, zumindest in einigen neuen oder frisch renovierten Häusern. Zum Beispiel im «Hotel Löwen» in Schruns im österreichischen Vorarlberg: Hier ist von einem Empfangstresen in der Hotelhalle weit und breit nichts mehr zu sehen. Nach einer Renovierung wird inzwischen gemütlich im Sitzen eingecheckt.

Auch das neu erbaute «Intercontinental» in Davos verzichtet auf eine massive Theke in der großzügigen Hotelhalle. «Hier checken die Gäste an drei kleineren Terminals ein, die versetzt in einer Ecke stehen», sagt Kathrin Matthiesen, Innenarchitektin und Gründerin des Büros CM Design in Hamburg, die das Innere des Luxushotels in Graubünden entworfen hat. «Man kommt in ein Entrée, in die Kamin-Lounge und läuft nicht direkt vor eine massive Theke.» Der Urlauber soll sich zunächst umschauen und in aller Ruhe das Ambiente aufnehmen, ganz ohne Hektik.

Nicht auf seinen Tresen verzichten will Hansjörg Hefel, Direktor des «Marriott» in Frankfurt am Main. «Wir haben sehr viele Tagungen und Konferenzen, und um alle Gäste in kurzer Zeit zu bedienen, brauchen wir die Kapazitäten, die diese Rezeption bringt.» Sonst aber hat er die komplette Lobby des Hochhauses im Herzen Frankfurts zu einem großen Wohnzimmer umgestalten lassen. «Wir nennen das Great Room», sagt Hefel. Seit der Renovierung hat dieser einst überwiegend ungenutzte, aber riesige Raum gleich eine ganze Reihe von Funktionen: Hier können Geschäftsleute kleinere und größere Meetings abhalten, man kann arbeiten, etwas essen oder einen Kaffee trinken.

«Wir haben einzelne Sitzgelegenheiten, Sessel, Sofas, aber auch Tische, an denen vier oder sechs Leute Platz haben», beschreibt Hefel. Hier passiere es häufiger, dass sich Geschäftspartner treffen. «Alle setzen sich hin, und jeder klappt seinen Laptop auf.» Auch der Service ist auf die verschiedenen Gäste eingestellt. So gibt es Gerichte, die wie ein Mini-Buffett für alle serviert werden. «Zudem ist unsere Speisekarte für den Great Room nicht in Vorspeise, Hauptgericht und Dessert unterteilt: Die Kategorien heißen 5, 10 und 20 Minuten - je nachdem, wie viel Zeit die Gäste eben haben.»

Während der Internet-Zugang in den fast 600 Zimmern des Business-Hotels im Zentrum Frankfurts kostenpflichtig ist, wird er in der Halle gratis angeboten - auch das ist Teil des Konzepts, die Gäste in die Lobby zu bewegen. «Etwa die Hälfte der Plätze hat zudem Steckdosen mit verschiedenen Anschlüssen für die internationalen Gäste.» Den veränderten Gewohnheiten der jungen und nicht mehr ganz so jungen Technikverliebten will Hefel mit seinem Konzept des Great Rooms entgegenkommen. «Die Generationen X und Y machen bald mehr als die Hälfte der Gäste aus, und sie vermischen Arbeit und Freizeit deutlich stärker als die Generationen vor ihnen.»

Nicht nur verschiedene Marriott-Hotels, auch andere Häuser, die zur InterContinental Hotels Group (IHG) gehören, richten die neuen Wohnzimmer ein. «Die Open Lobby wird ihre Deutschlandpremiere im neuen «Holiday Inn Berlin City East Side» haben, das in den nächsten Monaten eröffnet», sagt Robert Shepherd, IHG-Chefentwickler für Europa. Die Idee basiere auf den Ergebnissen einer Trendstudie, die einen neuen Typus des Geschäftsreisenden identifiziert. «Dieser ist nicht an gewöhnliche Bürozeiten und -arbeitsweisen gebunden, schätzt eine Umgebung mit Café-Atmosphäre und lässt sich von anderen Reisenden inspirieren, die an ihren Laptops und mit ihren Smartphones arbeiten.»

Die Hotellobby als Wohnzimmer - diesen Trend sieht auch die Hamburger Innenarchitektin Matthiesen in zahlreichen Hotels, die gebaut oder generalüberholt werden. «Wir nennen das «Homing», es soll ein gemütlicher Mischmasch-Stil sein, in dem sich jeder Gast irgendwie wiederfindet», sagt sie. Oft gleiche das allerdings einer Möbelausstellung, statt tatsächlich einladend und funktional zu sein.

In vielen Häusern wird zudem mit verschiedenen Varianten gespielt, die Gäste online, über ihr eigenes Handy oder einen Computer in einem zentralen Terminal, einchecken zu lassen. Das ist allerdings, nicht zuletzt wegen der Pflicht, einen Meldezettel für jeden Gast zu haben, in Deutschland nicht ganz einfach, wie Marriott-Direktor Hefel sagt. Auch Kostengründe spielen bei vielen Hotels eine Rolle. So legt man Bereiche zusammen, um sie nur noch mit einer Person zu besetzen. Bei den «Pentahotels» übergibt etwa der Barkeeper den Schlüssel - und kann bei der Gelegenheit gleich die Bestellung für das Abendessen aufnehmen.

«Das ist sehr effizient, denn es gibt keine Differenzierung mehr zwischen Front Office, Restaurant und Bedienung», sagt Marketing-Chef Sönke Ingwersen. «Alle unsere Mitarbeiter sind ausgebildete Hotelfachleute, die sich gleichermaßen um die Kunden kümmern.» So könne zu jeder Zeit jede Frage von der Person beantwortet werden, die gerade da ist. Alle Hotels sind gleichzeitig als Lounge und Szeneclub konzipiert, in denen Bar und Restaurant Teil des Eingangsbereiches sind, wie Ingwersen erläutert: «Die Geschäftsreisenden sollen nach getaner Arbeit sitzen bleiben, Besucher aus der Nachbarschaft bestenfalls auf einen Cocktail reinschauen.» dpa