Von Karin Willen
Digital Detox - was ist das denn? Für die einen ist es die neue Art des Fastens. Im Urlaub einfach mal ohne Internet und mobile Endgeräte auskommen. Andere wollen sich auch gleich umfassend vor Elektrosmog schützen. Dazwischen gibt es jede Menge Spielarten des digitalen Entgiftens.
«Detox spielt im Gesundheitstourismus eine große Rolle», sagt Claudia Wagner von Fit Reisen in Frankfurt. «Wir haben derzeit oft von allem zu viel. Zu viel süßes, fettes, vorfabriziertes und ungesundes Essen, Reizüberflutung, zu viel Stress. Die Leute wollen runterkommen.» Wagner sieht Ayurveda und maßgeschneiderte Ernährungskonzepte als gefragte Urlaubsformen.
Technikverzicht ist noch relativ neu. «Wer zum Detoxen nach Indien oder Sri Lanka fliegt, will dann doch gern per Whatsapp mit Freunden in Verbindung bleiben.» Dennoch glaubt auch Wagner, dass bei Reisenden ein neues Bedürfnis wächst: raus aus den Zwängen des digital dominierten Alltags. Abschalten, nicht bloß sprichwörtlich.
Digital Detox - diesen Begriff haben 2012 Levi Felix und Brooke Dean in Kalifornien geprägt. Sie wollten sich und andere von der Online-Sucht heilen. In speziellen Erholungscamps im Herzen der Digitalwirtschaft im Silicon Valley lernten die Teilnehmer, auf die eigenen Bedürfnisse zu achten, zur Ruhe zu kommen und durchzuatmen. Ohne Alkohol, dafür mit Yoga, Sport, gesunder Ernährung, Briefpapier und Schreibmaschine. In Deutschland veranstaltet Ulrike Stöckle mit The Digital Detox ähnliche Naturkuren.
Christian Montag, Suchtforscher an der Universität Ulm, hat dafür großes Verständnis. «Unsere Daten weisen darauf hin, dass mit dem Smartphone eine neue Dimension von Verhaltenssucht einhergeht. Wenn in einer Studie etwa 40 Prozent der Befragten angeben, abends mit dem Smartphone ins Bett zu gehen und morgens als Erstes danach greifen, ist das ein Alarmzeichen.» Der Forscher plädiert für eine tägliche Digital-Detox-Phase. Und warum kein analoger Urlaub?
In der Regel hat der Gast die Wahl zwischen vollständigem Verzicht und der Freiheit, zwischendurch wieder online zu gehen. Das Digital-Detox-Angebot der Mandarin Oriental Hotel Group wird laut Group Spa Director Jeremy McCarthy vor allem von Frauen aus dem jeweiligen Land genutzt. Sie geben für die Zeit des Aufenthalts ihr Mobiltelefon an der Rezeption ab und entspannen sich bei Gesichtsmasken, Lektüre und Malen.
Nicht immer muss der Mensch den Stecker ziehen: In manchen Berghütten und abgelegenen Regionen avanciert das Funkloch zum Standortvorteil. Hüttenurlaube und Klosteraufenthalte bekommen so einen trendigen Anstrich - auch wenn gar nicht Digital Detox draufsteht. «Beim Trekking im indonesischen Regenwald, auf Wildtierbeobachtung in der Massai Mara oder beim Campen im australischen Outback sind unsere Gäste ohnehin offline und haben nur ihre Digitalkamera im Anschlag», sagt Barbara Glanz vom Erlebnisreiseveranstalter Intrepid Travel.
Doch den Ausstieg aus der digitalen Welt bekommt der Urlauber heute auch perfekt inszeniert, etwa im Belle-Epoque-Hotel «Rosenlaui» im Berner Oberland. Dort nächtigt man in Antiquitäten-Betten, es gibt ein Münztelefon, aber weder Fernsehen noch Radio und nicht einmal fließendes Wasser auf den Zimmern. Und ins Fünf-Sterne-Designhotel «vigilius mountain resort» in Südtirol gelangt man nur per Seilbahn.
Die fernsehfreien Zimmer werden nachts vom WLAN abgekoppelt. Die «Hubertus Alpin Lodge & Spa» in Balderschwang im Allgäu animiert ihre Gäste mit einem Funkstille-Paket zum Verzicht aufs mobile Endgerät. Dafür gibt es dann einen Bergkäse.
Solche Angebote mehren sich, seit sich 2012 in Österreich einige Hütten, Apartments und Hotels in der Steiermark gestressten urbanen Urlaubern als Offline-Betriebe anboten. Auch im Biosphärenpark Salzburger Lungau gibt es jetzt entsprechende Auszeiten.
Manchen reicht das noch nicht. Sie wollen mehr als ein Smartphone im Flugmodus und eine handyfreie Zone, sondern gänzlich frei von Elektrosmog sein. Denn im Zweifel strahlen das aktive Handy im Nebenzimmer, das WLAN im Hotel oder der Sendemast auf dem Dach munter weiter. Und das Strommagnetfeld ist ebenfalls allgegenwärtig. In der Öko- und Bioszene haben einige Hotels schon länger Elektrokabel im Haus ummantelt und bieten entweder nur Powerline oder WLAN zum individuellen Ausschalten an.
Andere Hotels folgen mit Neu- und Anbauten dem Trend. Das geht quer durch die Branche. «Nachträglich umzubauen ist technisch und finanziell auch kaum zu leisten», sagt der Hotelier Theo Peter, für den die etwa 200 000 Euro mehr für Elektrosmogreduktion des neuen Hotels «quartier» in Garmisch-Partenkirchen keine Frage war. Seine 18 Holz-Lodges sind an Wänden, Böden und Leitungen abgeschirmt, einen Fernseher gibt es nicht einmal auf Sonderwunsch. Der Gast reguliert mit einem Technikkasten selbst, wann er off- oder online ist.
Sarah Drießen vom Forschungszentrum für Elektromagnetische Umweltverträglichkeit der RWTH Aachen hält das Abschirmen aus wissenschaftlicher Sicht nicht für notwendig, obwohl elektrosensible Menschen danach von einer Linderung ihrer Beschwerden berichteten. «Magnetfelder von Stromleitungen kann man kaum vollständig abschirmen. Es sei denn, Sie stellen das ganze System ab, so dass kein Strom mehr fließt», sagt die Expertin.
Genau das können Gäste seit einem Jahr im Spa-Anbau des «Brenners Park-Hotel» in Baden-Baden. Per Knopfdruck entscheiden sie, ob sie sich in den elektrosmogreduzierten Zimmern vom Stromnetz abkoppeln wollen. Den meisten Reisenden, die digital entgiften wollen, reicht aber wohl schon eine gewisse Zeit ohne Smartphone und Internet. dpa