Von Doreen Fiedler
Selten ist für die Winzer ein Jahr so schwierig, arbeitsreich und voller Ungewissheiten wie dieses. Immer wieder prasselte Starkregen herab, bis die Weinberge unbefahrbar wurden. Pilze breiteten sich in der feuchten Umgebung schnell aus und wüteten in Blättern, Stängeln, Blüten und Trauben. Besonders die Bio-Winzer hatten der Krankheit nicht so viel entgegenzusetzen - und haben oft einen großen Teil ihrer Trauben verloren.
"Wir haben Wetten abgeschlossen, ob wir 10, 15 oder 20 Prozent aus dem Weinberg holen", sagt die von Demeter und Ecovin zertifizierte Winzerin Lotte Pfeffer-Müller. Damit meint sie ihre Scheurebe, die im rheinhessischen Ludwigshöhe weit unten in der Rheinebene steht - und damit oft im Morgentau. Der Müller-Thurgau weiter oben, wo der Wind stärker und es weniger feucht ist, sehe hingegen viel besser aus.
Insgesamt rechnet die Winzerin mit etwa einem Drittel Ausfall. Bald wird sie es genau wissen. In diesen Tagen fahren die Winzer in ihre insgesamt 102 000 Hektar Weinberge, um die Ernte einzuholen - die um einiges geringer ausfallen dürfte als im langjährigen Schnitt.
Bei Bio-Anbietern ist es besonders drastisch. "Wir bekommen Horrormeldungen aus vielen Betrieben und Regionen", sagt Andreas Hattemer, Vorstandschef des Bundesverbandes ökologisch arbeitender Weingüter Ecovin. Einige verzeichneten einen Komplettausfall.
Vor allem der Falsche Mehltau - auch Peronospora genannt - hat ihnen extrem zugesetzt. Konventionelle Winzer spritzen Kaliumphosphonat dagegen, das ironischerweise gerade die Öko-Winzer mitentwickelten. Ihnen aber ist das Mittel seit drei Jahren verwehrt. Damals machte die EU die Substanz vom Pflanzenstärkungs- zum Pflanzenschutzmittel.
Seitdem bleiben den Bio-Winzern Kupfer und Wasserglas zur Abhärtung sowie pflanzliche Zusätze zur besseren Haftung. Ganze 14 Mal habe sie in diesem Jahr gespritzt, berichtet Pfeffer-Müller. "Denn nach einem Starkregen ist alles wieder runter." Eigentlich dürfen die Winzer in Deutschland nur drei Kilogramm Kupfer pro Hektar und Jahr ausbringen. 2016 wurde dies auf vier Kilogramm erhöht. "Im Prinzip war das noch immer zu wenig", sagt sie. Am Ende hätten sie die Lösung immer mehr verdünnen müssen, um sie weiter ausbringen zu können.
Dabei will die Bio-Winzerin Kupfer doch eigentlich nur als "Heilmittel" einsetzten. Nicht zu viel von dem Element, das ein Schwermetall ist, soll in den Boden gelangen. Pfeffer-Müller setzt auch sonst gern auf Pflanzenextrakte, Gesteinsmehle, Backpulver und das Abschneiden von Holunderbeeren, um Pilze wie den Echten Mehltau und Schädlinge wie die Kirschessigfliege zu bekämpfen. "Aber bei großem Infektionsdruck der Peronospora reicht das nicht."
Mittlerweile acht Prozent der Rebfläche in Deutschland werden in biologischer Landwirtschaft bestellt, erklärt das Deutsche Weininstitut. Nach diesem Jahr, in dem Öko-Winzer um die Existenz kämpfen müssen, könnten es sich einige noch einmal überlegen. "Die Produktion war ja keinen Cent billiger, im Gegenteil: Wir mussten viel häufiger rausfahren", sagt Hattemer. Deswegen seien jetzt günstige Überbrückungskredite für Winzer wichtig.
In Rheinland-Pfalz, wo 65 Prozent des deutschen Weins produziert werden, startete die Landesregierung in der Notsituation einen Großversuch. Zunächst wurde im Staatsweingut Bad Kreuznach Kaliumphosphonat verwendet. Später wurde allen interessierten Bio-Winzern angeboten, sich dem Versuch anzuschließen - und diesen Wein dann ohne Bio-Siegel zu vertreiben. Nun hoffen die Teilnehmer, dass die Pflanzen im kommenden Jahr wieder als Reben gelistet werden können, die Bio-Wein tragen. Ausgemacht ist das noch nicht.
Das Land versucht zusammen mit der Bundesregierung, auf die EU-Kommission einzuwirken, das Mittel gegen Pilze doch endlich zuzulassen. Schon 2013 wurde ein entsprechender Antrag gestellt, und Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) setzte sich nach Angaben eines Sprechers mehrfach ein - bisher vergeblich. Aus Brüssel heißt es, man könne sich nicht über Befunde von Experten hinwegsetzen, die Kaliumphosphonat für unvereinbar mit biologischem Anbau halten.
Deutschland vermutet den wahren Grund woanders. Der rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister Volker Wissing, der auch für Weinbau zuständig ist, macht dafür die südlichen Weinbauländer wie Frankreich, Italien und Spanien verantwortlich.
In ihren wärmeren Lagen sind sie nicht so vom Mehltau betroffen. "Ich will nicht verhehlen, dass auf europäischer Ebene mit der Zulassung von solchen Mitteln (...) Wettbewerbspolitik der weinbautreibenden Staaten innerhalb der EU betrieben wird", sagte Wissing im Landtag.
Was also tun? Soll Deutschland einfach mehr Kupfer zulassen - so wie andere EU-Länder? Eine Lösung könnte auch aus ganz anderer Richtung kommen: Es gibt Rebsorten, die widerstandsfähig gegen Pilze sind. "Aber man kann jetzt nicht hektarweise Weinstöcke rausreißen. Es ist eine Sache einer ganzen Generation, ein Weingut umzustellen", sagt Ecovin-Vorstand Hattemer. Doch mit Sorten wie Regent und Johanniter sei die Vermarktung schwierig. "Das sind Sorten, die in Amerika keiner kennt. Dort wollen sie ihren Riesling." dpa
ECOVIN: Bio-Winzer beklagen zum Teil riesige Ernteausfälle
Viel Regen, viele Pilze und nicht ausreichend Pflanzenschutzmittel: Öko-Winzer beklagen in diesem Jahr teils riesige Ernteausfälle. Pessimistische Schätzungen gingen von etwa 30 Prozent weniger Ökowein aus, sagte Andreas Hattemer, Vorstandschef von Ecovin, dem größten Verband ökologisch arbeitender Weingüter.
Manche Kollegen klagten sogar über Totalausfälle - und bräuchten nun dringend günstige Übergangskredite. Auch die konventionellen Winzer erwarten etwas weniger Wein als im langjährigen Durchschnitt, teilte das Deutsche Weininstitut mit.
Schuld an einem Großteil der Ausfälle ist der Falsche Mehltau, der in der Feuchtigkeit im Mai und Juni viele Rebstöcke befallen hat. Die konventionellen Winzer spritzen dagegen Kaliumphosphonat - ein Mittel gegen Pilze, das seit drei Jahren aufgrund einer EU-Verordnung im Bio-Weinbau nicht mehr zugelassen ist.
Immerhin hat das Wetter der vergangenen Wochen den Winzern in die Karten gespielt. «Der zweite Horror mit der Kirschessigfliege ist uns erspart geblieben», meinte Hattemer. Die kleine Fliege sticht dunkles Obst an und legt Eier hinein. Durch die enorm schnelle Vermehrung kann sie großen Schaden anrichten.
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