Wir (er)laufen einen Teil der Innenstadt von etwa 5 km, um Helsinki kulinarisch zu erforschen (foodsightseeing.com). Ausgangspunkt ist die "Kauppahalli", eine Markthalle, in der Rentierschinken und Räucherlachs degustiert wird. Weiter geht es in einen Delikatessenladen, um die berühmte finnische Lakritze und eine Art finnische Cola, hergestellt aus nordischen Beeren, zu probieren.
Im Designhotel Klaus K. (klauskhotel.com) gibt es bei einem "Kunstrundgang" einen Aperitif, Sekt aus Birkensaft und die nordische Antwort auf Hamburger, dunkle Brötchen gefüllt mit Heringen. In der Karaoke-Bar "Restrooms" wird es mit einem Bier, eines aus den unzählig vielen Privatbrauereien Finnlands, locker – inklusive finnischen Gesangsproben. Das Singen wäre ja nicht das Problem, aber das Aussprechen der langen, sehr schweren finnischen Wörter …
Zum Abschluss geht es in ein urgemütliches Restaurant namens "Seahorse" (seahorse.fi) um traditionelle Gerichte, wie beispielsweise gebratenen Hering und Kartoffelgemüse zu essen. Gut nachgespült – mit finnischem "Cider", der mächtig gut und intensiv nach Äpfeln schmeckt. Lustig wird es – und unsere finnische Begleitung antwortet auf die Frage nach den drei Lieblingsdingen oder -Betätigungen der Finnen, dass dies ganz klar "Sauna, Bier und Eishockey" seien.
Ravintola und Schagga
Mein Lieblingswort in Helsinki ist "Ravintola", was auf Finnisch Restaurant heißt, geworden. Es gehört zu den einfachsten Wörtern, ohne einen Zungenschlag bei so vielen äs, üs und vor allem sehr langen Wörtern zu bekommen. Ravintola, da gibt es was zum Essen – auch in dem netten Fischrestaurant namens "Fish you where here" oder im Ravintola Grotesk (grotesk.fi), wo wir einen Kochkurs mit Küchenchef Sami Tallberg (eatbest.fi) absolvierten.
Doch davor streiften wir mit Sami durch die Wälder in und um Helsinki, um Pilze und Kräuter für das Mittagessen zu sammeln. Es kam letztlich eine gute Mischung von Wildkräutern zusammen, zu der es eine Piniennadelvinaigrette gab. Ein sensationeller Geschmack und dabei so einfach, die Nadeln in einem Küchenmixer feinst zu pürieren.
Als Hauptgang mundete gebratener Zander mit "wilder Pastinake" vorzüglich. Wir bestellten Kaffee und bekamen "Schagga", ein fast schwarzes Heißgetränk, das aus einem Pilzkonzentrat besteht. Generell ist es beeindruckend, wie die "neue finnische Küche" mit ihrem regionalen Bewusstsein Naturschätze wieder entdeckt hat, integriert und serviert.
Silakka und Ruisleipä
Alljährlich im Oktober findet in Helsinki die traditionelle Herings-Messe "Helsinki Baltic Herring Fair" statt, die über 1 Woche dauert und viele Besucher an den Hafen lockt. Dabei steht nicht Frischfisch, sondern eingelegte Heringe in allen Geschmacksvarianten, geräucherter und gebeizter Lachs im Mittelpunkt.
"Silakka" (das finnische Wort für Hering) kann überall probiert werden und dazu gibt es das in Finnland allseits beliebte dunkle und leicht süßlich schmeckende Brot "Ruisleipä".Hannah, eine Lebensmittelverkäuferin, erzählt: "Eigentlich essen wir gar nicht sooo viel Hering, eher mehr Lachs. Dazu Kartoffeln und alles, was man selber pflücken kann, wie Pilze und Beeren." Gesagt – und Hering in den Mund geschoben.
Wir schlendern am Hafen entlang, bewundern die größte orthodoxe Kirche Westeuropas, die Uspenski-Kathedrale, steigen über 40 Stufen zum benachbarten Dom "Kirkkokatu" hinauf und machen einen langen Spaziergang zur meist besuchten Felsenkirche "Temppeliaukion Kirkko". Im Kaffeehaus Fazer probieren wir ein Zimtstück namens "Korvapuusti", das zu einem Finnlandbesuch dazu gehört, genauso wie im Ravintola "Seahorse" Rentiersteak mit Cranberry-Sauce und Kartoffelstampf zu essen.
Wer es gerne moderner und innovativer möchte, der ist im Ravintola Spis (spis.fi) mit "pure nordic Food" bestens aufgehoben. Und noch ein Finne, der in Berlin im Brandenburger Hof als Sternekoch gearbeitet hat, möchte besucht werden – und zwar in der Brasserie im Luxushotel Kämp, wo Sauli Kemppainen als Küchenchef arbeitet. Kemppainen gehört zu den besten Köchen Finnlands und ist mit seiner neuen Fernsehserie "Health Kitchen" zum Star avanciert.
Leipäjuusto von Lentävä Lehmä
Käse wird viel gegessen, aber hauptsächlich Kuhmilchkäse. In der Markthalle "Hakaniemi" am Käsestand "Lentäva Lehmä", was übersetzt fliegende Kuh heißt, werden über 60 verschiedene Käsesorten von regionalen Produzenten angeboten. Leipäsjuusto, ein Käse, der aussieht wie ein Fladen und übersetzt Brotkäse heißt, so einen habe ich noch nie gesehen.
Nach dem ersten Bissen kaufe ich mehrere Käsefladen als Mitbringsel, denn der Geschmack ist so herrlich anders. Draußen vor der Markthalle herrscht auf dem Wochenmarkt buntes Treiben, mit saisonalen Angeboten von Pilzen und Beeren – und von "Vihdat", Birkengrünbüschel für die Sauna.
Geschlagen und gekocht
"Wer in Finnland war und nicht die Sauna besucht hat, der war nicht in Finnland", sagt Eva vom Tourismusbüro, während wir zu einem, extra für unsere Gruppe gebuchten Saunahäuschen, fahren. Sie hat so Recht, es wäre ein Frevel, diese Tradition nicht kennenzulernen. Die Sauna wird mit Holz befeuert, die Hitze ist so stark, dass das Wasser im Trog daneben kochend heiß wird. Jeder kann sich mit kaltem Wasser sein temperiertes Wasser mischen, mit der Schüssel über den Kopf schütten und wieder auf den Holzstufen Platz nehmen.
"Vihdat", die Birkenbüschel kommen zum Einsatz – jeder schlägt sich selbst auf die Schulter, um die Blutzirkulation in Gang zu bringen. "Ich komme mir wie gekocht und geschlagen vor", albert eine Amerikanerin herum und kann vom "sich mit Wasser überschütten" und sich "mit Birkenbüscheln schlagend" gar nicht genug bekommen.
Im Saunahäuschen ist auch eine große Stube mit offenem Kaminfeuer integriert. Die Saunahäuschenbesitzerin hängt einen Topf mit Fischsuppe über das Feuer, bringt hausgebackenes Brot und Apfelkuchen mit. Am Tisch stehen verschiedene Früchte, Säfte, Wasser, Bier und Cider bereit. Genauso habe ich mir Finnland vorgestellt: Fisch essen, Bier trinken, Eishockey gucken und die Sauna nicht mehr zu verlassen. (visithelsinki.fi/kaurilas-sauna) (visitfinland.com) (helsinkifoodism.com)
Eure
Rose Marie Donhauser