Ex-Weinkönigin Julia Klöckner Kritik am Titel Weinkönigin

Die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende und frühere Deutsche Weinkönigin Julia Klöckner möchte eine neue Bezeichnung für die Frauen, die das Gesicht des deutschen Weines sind. «Muss das noch Weinkönigin heißen?», fragte sie vor der Wahl Ende September, und schlug als Alternative «Botschafterin» oder «Repräsentantin» vor. Sie selbst habe bei ihren Auftritten die Krone oft in der Hand gehalten, statt sie auf den Kopf zu setzen.

Der Begriff Königin erinnere sie an eine Märchenwelt, sagt Klöckner im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. «Da wird man nicht ernst genommen.» Dabei schrieben die jungen Frauen ihren Reden selbst und informierten andere über Önologie und Weinrecht. «Sie sind nicht wie Petersilie, die bei einem Produkt dabei liegt», sagte Klöckner.

Der Weinjournalist Wolfgang Junglas, der das Buch «60 Jahre Deutsche Weinköniginnen» schrieb, mag dieses Märchenhafte. Für viele der Frauen sei die Wahl wie die Geschichte von Aschenputtel. «Gerade eben haben sie noch Erde an der Hand und sitzen auf dem Traktor, dann drehen sie sich um und schütteln schon der Bundeskanzlerin die Hand.»

Ausrichter der Wahl ist das Deutsche Weininstitut. Dessen Geschäftsführerin Monika Reule hält die Weinkönigin «für eines der genialsten Marketinginstrumente des deutschen Weins». Und weiter: «Wenn es sie nicht gäbe, müsse man sie erfinden.» dpa

Die Weinkönigin von heute: Englisch-Fachvokabeln statt Dirndl

Konzentriert blicken die 13 Gebietsweinköniginnen auf ihre Zettel mit den englischen Aufgaben. Sie sollen den Prozess im Weinkeller auf Englisch beschreiben, malolaktische Gärung übersetzen und beim Ausfüllen des Kreuzworträtsels wissen, dass Winzer zwar «winegrower», Weinberg aber «vineyard» geschrieben wird. «Was heißt noch mal Rebschnitt?», fragt eine von ihnen. «Pruning», antwortet Lehrerin Nicole Tomberg. «Aaah», entfährt es einigen der Frauen.

Am 30. September wird eine der Weinköniginnen der 13 deutschen Anbaugebiete zur Deutschen Weinkönigin gewählt. Zuvor liegt nicht nur ein Vorentscheid an diesem Samstag, sondern auch ein Trainingslager mit Englischseminar, Kamera- und Rhetorik-Training sowie Stilberatung und Fotoshooting. Monika Reule, Geschäftsführerin des durchführenden Deutschen Weininstituts (DWI) sagt: Die Weinhoheiten müssen heute mehr können als im Dirndl ein Weinglas in der Hand zu halten.

Das war 1949 bei der ersten Weinkönigin, Elisabeth Kuhn aus dem pfälzischen Diedesfeld, noch ganz anders. Sie fuhr auf einem Lastwagen durch Westberlin und schenkte den jubelnden Menschen nach Jahren des Mangels Unmengen an Freiwein aus. Damals hätten die Weinköniginnen auch noch nicht heiraten dürfen, erzählt Wolfgang Junglas, der das Buch «60 Jahre Deutsche Weinköniginnen» schrieb.

Petra Mayer, die Weinkönigin 1988/89, gilt als die erste, die kein Dirndl trug. Heute sei die einzige Vorschrift von Seiten der deutschen Weinwirtschaft an ihre Repräsentantin, dass sie gerade kein Dirndl anziehen soll, sagt Reule. Gefragt sei eine moderne Fachfrau - mit Schlagfertigkeit, Eloquenz und guten Umgangsformen.

Über die Jahrzehnte hätten die Weinköniginnen ihren Hofstaat immer mehr Zuhause gelassen und reisten als Event-Managerinnen herum, sagt Junglas. Eine, die das Amt für sich nutzte, ist die jetzige stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Julia Klöckner. Sie traf Bundeskanzler Helmut Kohl, Sowjetpräsident Michail Gorbatschow, den südafrikanischen Präsidenten Nelson Mandela - und schenkte dem Papst einen Riesling. «Man kann als Weinkönigin vieles Neue sehr wohlwollend kennenlernen», sagt sie über ihr Amtsjahr 1995/1996.

Weinkönigin zu sein, sei ein gutes Training für's Leben - durch die Reisen, die vielen Treffen und die erworbene Weinexpertise, sagt Klöckner. «Ich würde jeder jungen Frau raten, das Amt wahrzunehmen. Es ist eine Riesen-Chance.» Das meint auch die jetzige Weinkönigin Josefine Schlumberger, die wie ihre Vorgängerinnen rund 200 Termine absolviert hat, manchmal auch in Jeans. «Man bewegt sich in Kreisen, zu denen man mit Anfang 20 sonst keinen Zugang hätte», sagt sie.

Schlumberger hat in Tokio, Shanghai und Peking Seminare gegeben, in Toronto vor Englisch-Muttersprachlern gesprochen und in Warschau den deutschen Wein präsentiert. Ihre Reden schreibt die 22-Jährige immer selbst - und kann auch spontan länger sprechen, wenn zum Beispiel der Landwirtschaftsminister noch nicht da ist. Auf der Bühne bewegt sie sich mittlerweile ganz natürlich. «Weinkönigin - den Titel kann man tragen wie einen Bachelor-Abschluss. Den wird man nicht los, wenn man das Studium beendet hat», sagt sie.

Wer ihre Nachfolgerin wird - darüber entscheidet auch eine Englischaufgabe im Auswahltest. Vor dieser Prüfung, wenn sie auf der Bühne auf einmal für 45 Sekunden in eine andere Sprache schalten müssen, haben die Kandidatinnen besonderen Bammel. Die Lehrerin bläut ihnen ein: Ein Burgunder ist nicht Burgundy, sondern Pinot.

Champagner kommt nur aus Frankreich, andernfalls ist Sekt immer sparkling wine. Und halbtrocken ist nicht half-dry, sondern semi-dry oder medium-dry. «Ich werde vor der Wahl noch einmal Vokabeln lernen», sagt Sandra Warzeschka von Weinanbaugebiet Saale-Unstrut.

Die jungen Frauen haben ihre jeweils eigenen Tricks und Glücksbringer. Warzeschka etwa trägt ein hölzernes Weinblatt als Kette, das ein älterer Mann ihr schnitzte, als sie zur Gebietsweinkönigin gekrönt wurde. Sarah Hulten vom Mittelrhein hat eine Handy-Hülle, in der rote Flüssigkeit in der Form eines Weinglases herumschwimmt. «Wenn ich auf einem Termin bin und alle genervt sind, nehme ich das Handy und schwenke es. Und alle lachen», sagt sie. Am großen Tag wird die besondere Handyhülle mit dabei sein.