Von Andrea Löbbecke
Besonders Weinliebhabern könnte diese Geldanlage schmecken: Per Genussschein leiht der Investor sein Geld einem Weingut, die Zinsen fließen in flüssiger Form als Riesling, Spätburgunder oder Silvaner. Für eine Einlage von mindestens 2500 Euro und fünf Jahren Laufzeit bekommt man beispielsweise derzeit beim Mosel-Weingut Kuntz in Lieser sechs Prozent. Beim Ökoweingut Pix am Kaiserstuhl gibt es 7,5 Prozent Naturalzins bei einer Einlage von 1000 Euro. In Zeiten niedriger Bankzinsen für Sparer klingt das verlockend.
«Ich war mit meiner Idee vor 20 Jahren eine Pionierin», erzählt Sybille Kuntz (Foto) in Düsseldorf, wo sich die Branche bis Dienstag zur Leitmesse «Pro Wein» trifft. Anfang der 1990er-Jahre plagte die Winzerin ein Problem: Sie wollte mit ihrem 2,5 Hektar großen Weingut expandieren, erntete aber von den Banken nur Absagen. So kam ihr die Idee mit dem Naturalzins. «Das ist schließlich das älteste Tauschmittel, das es gibt.»
Das ungewöhnliche Investment fand auf Anhieb Geldgeber. Besonders, nachdem 1995 ein Magazin darüber berichtet hatte, stand das Fax nicht mehr still. «Viele meiner Kunden waren Unternehmer, kannten aus eigener Erfahrung die Probleme mit der Bank - und stiegen ein», erzählt Kuntz. Inzwischen ist das Weingut 13 Hektar groß, derzeit sind rund 100 Genussscheine vergeben. Und die Winzerin hat weitere Pläne: «Wir haben noch Weinberge in erster Lage gekauft, die müssen bepflanzt werden. Zudem wollen wir den Keller erweitern», berichtet sie.
Ihre Idee habe viele Nachahmer gefunden - nicht nur aus der Branche, erzählt Kuntz. Beispielsweise habe sich die Erbin einer Matratzenfabrik überlegt, Investoren mit ihren Schlafstätten auszuzahlen. Auch eine Blumenhändlerin und eine Brauerei interessierten sich.
«Eine richtige Geldanlage ist das nicht», sagt Finanzexperte Valentin Brodbecker aus Mainz. Aber natürlich ein gutes Marketing-Instrument, um Kunden zu binden. «Wichtig ist natürlich, dass mir die Weine des Winzers auch schmecken», sagt Brodbecker. Zudem sollte der Geldgeber bedenken, dass künftig eine gewisse Anzahl Flaschen von einem Winzer im Keller landen - «und Wein lebt ja auch von der Vielfalt». Sollte das Weingut Insolvenz anmelden, droht der Totalverlust des Geldes. Denn Genussscheine werden nachrangig zu anderen Schuldnern bedient.
Auch Verbraucherschützer bezeichnen Genussscheine grundsätzlich als «hochriskante» Anlageform. Etwa bei der Insolvenz des Windkraft-Spezialisten Prokon könnten solche Anleger das Nachsehen haben, warnt die Finanzexpertin Sylvia Beckerle von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. «Es muss jedem bewusst sein: Wenn das Weingut aufgeben muss, kommen weder Zinsen noch das Geld zurück.»
Das Weingut Caspari in Traben-Trarbach gibt seit 2009 Genussscheine heraus, um die Bewirtschaftung seines Weinbergs «Enkircher Ellergrub» zu finanzieren. Die Steillage ist besonders arbeitsintensiv, unter anderem müssen die Trockenmauern regelmäßig gepflegt werden, wie Winzer Albrecht Eggert erklärt. Die 120 Genussscheine seien jedes Jahr ausverkauft. Derzeit kosten sie 100 Euro, dafür gibt es im Folgejahr zwölf Riesling-Flaschen «Enkircher Ellergrub», die beim Weingut für rund 13 Euro gelistet sind.
Auch beim Weingut Pix im badischen Ihringen steckt hinter den Genussscheinen ein spezieller Weinberg - der «Wildenstieg». «Wir wollten den Terrassen-Weinberg für die Kulturlandschaft erhalten, das ist mit vielen Kosten verbunden», erzählt Helga Jakob-Pix. Auf jungen Rebanlagen wächst dort inzwischen Grauburgunder heran.
Das Weingut Pix hatte 2010 erstmals Genussscheine herausgegeben, damals musste ein alter Stall in ein Weinlager umgebaut werden. Derzeit halten rund 60 Kunden einen Anteil - in einigen Jahren könnten dann die Zinsen in Form von Grauburgunder vom «Wildenstieg» fließen. dpa
Die Geldanlage Wein:
Wer sein Geld in der Weinbranche anlegen möchte, hat ganz verschiedene Möglichkeiten. Rebstockpatenschaften gibt es oft schon für unter 50 Euro - sie sind jedoch mehr ein Marketing-Gag als eine Geldanlage. Wer regelmäßig eine Flasche Wein aufmacht und 1000 Euro übrig hat, für den könnten - bei allen Risiken - auch Genussscheine mit «flüssiger» Verzinsung interessant sein. Und um richtig in ein Weingut einzusteigen, muss man eine sechsstellige Summe in die Hand nehmen.
- Genussscheine mit Naturalzins werden von verschiedenen Weingütern herausgegeben, in manchen Fällen wird mit dem Geld ein spezieller Weinberg bewirtschaftet. Die Zinsen fließen als Wein. Finanzexperten geben jedoch zu bedenken, dass man sich sehr an ein bestimmtes Weingut bindet - und so weniger Platz im Keller für Flaschen anderer Winzer hat. Zudem werden bei einer Insolvenz Genussscheine erst nachrangig zurückbezahlt - also oft gar nicht. «Jeder sollte sich klarmachen: Genussscheine sind ein hochriskantes Produkt», warnt Finanzexpertin Sylvia Beckerle von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.
- Mindestens 100 000 Euro sollte man investieren, wenn man in ein Weingut einsteigen möchte, wie der Makler Valentin Brodbecker rät. Dabei sollte sich der Geldgeber darüber im Klaren sein, dass Weingüter oft nur wenig Gewinn abwerfen. «Anstelle einer Ertragswertanlage ist es eine Substanzwertanlage.» Wichtig: den Betrieb vorher sehr genau anschauen und einen Blick in die Bücher werfen. Dies gilt auch für den Kauf eines kompletten Guts - ab etwa einer Million Euro ist man dabei.
- Ebenfalls 100 000 Euro muss mitbringen, wer sein Geld in Weinflaschen á la Rothschild und Co. investieren möchte. Allerdings sollte man schon ein wenig Ahnung von Wein haben, sagt Brodbecker. Als Anlage etabliert seien nach wie vor die großen internationalen Namen. Aber auch in Deutschland gebe es rund zehn Topwinzer, bei denen es sich lohne, größere Mengen zurückzustellen und in einigen Jahren weiterzuverkaufen. Für die Lagerung reiche oft ein Keller mit konstant 15 bis 18 Grad aus. Wer mehr als 1000 Flaschen anschafft, sollte über eine professionelle Lagerung nachdenken, die mit rund einem Euro pro Flasche im Jahr zu Buche schlägt.
- Mit etwas Mut kann man auch in «Futures» investieren, das sind aufstrebende Weingüter, deren Weine voraussichtlich in den nächsten Jahren teurer werden. «Hier sollte man jedoch belesen sein», sagt Brodbecker. Mit etwas Glück könnte dann auch hier die Faustregel gelten, die man sich über Bordeaux-Weine erzählt: «Ich kaufe mir zwei Kisten, verkaufe nach zehn Jahren eine davon und kann damit die zweite mitfinanzieren, die ich dann selbst austrinke.» dpa
ProWein-Spezial: Weingastronomie