Grillen wird zur Prestigefrage

Von Katja Heins

«Gas oder Holzkohle?» Das ist die alles entscheidende Frage des Abends. Die Kursteilnehmer der Grill-Akademie in Düsseldorf schauen ihren Meisterkoch erwartungsvoll an. Doch der denkt gar nicht daran, sich auf eine Seite der Hobby-Brutzler zu schlagen. «Das kommt immer auf das Zeitfenster an, das man hat», antwortet Sascha Ziller diplomatisch.

Die 16-köpfige Runde, allesamt mit schwarzer Schürze der Kochschule ausgestattet, ist enttäuscht. Wäre doch die Freude groß gewesen, zur «richtigen» Fraktion zu gehören. Doch in einem sind sich alle einig: Ein Dreifuß mit Wackelbein aus dem Baumarkt geht gar nicht mehr. Was der Grill auf der heimischen Terrasse gekostet hat?

«Schatz, hör doch mal weg», sagt Teilnehmer Thorsten und raunt dann: «1700 Euro.» Das Model «Smoker», eine rollbare Grillstation, mit Lichtquelle, Thermometer, Gourmet BBQ-System, Wokpfanne, Grillhähnchenhalter und drei Brennern, hat eben seinen Preis. «Der Grill ist zum Status-Symbol geworden», sagt Teilnehmer Stefan. «Man hat Gäste und man will glänzen mit dem neuen Hightech-Gerät.»

Der Grill als Prestigeobjekt - diesen Trend bestätigt Freizeitforscher Ulrich Reinhardt vom Hamburger Institut für Zukunftsfragen. Zudem wird für Geräte und Zubehör in Deutschland immer mehr Geld ausgegeben: 2012 knackte die Branche nach Angaben des Kölner Instituts für Handelsforschung die eine Milliarde-Euro-Marke beim Umsatz. Ein Jahr später waren es 1,5 Prozent mehr - trotz eines durchwachsenen Sommers. Laut Reinhardt liegt das an den Herstellern der «Multifunktionssupergeräte», wie er sie nennt. Allen voran die Firma Weber aus den USA, die den Trend befeuere.

Seit 2004 in Deutschland angesiedelt, warf das Unternehmen die Marketing-Maschine an. Mittlerweile gibt es das Firmen-TV, eine App sowie ein Kochbuch. «Jeder, der was auf sich hält, hat das Gefühl, so einen Grill zu brauchen», sagt der Psychologe. «Das alte Motiv: Der Mann am Feuer, der sich beweisen muss, ist geblieben.»

Dass Männer beim Brutzeln das Kommando führen, haben Wissenschaftler hinreichend analysiert. In Düsseldorf ist die Mehrzahl der Kurs-Teilnehmer in der Tat männlich. «Frauen sind für die Salate zuständig», sagt Frauke, die ihren Mann begleitet. «Die wollten nicht immer nur angekokelte Bratwurst», gesteht der von seiner Frau geschickte Kurs-Teilnehmer Christian. Er ist mit einem Freund gekommen. Für beide galt bisher: «Beim Grillen ist grundsätzlich nichts verbrannt, das sind alles nur Röst-Aromen.»

An diesem Abend in der Grill-Akademie wird ihnen klar: Die Bratwurst und die profane Pute auf dem Rost waren einmal. Paella mit Kabeljau, karamellisierter Burger, Flank Steak an Avocado-Dip und gegrillte Ananas mit Zuckerhütchen stehen auf dem Speiseplan. Schnell zeigt sich, wer Könner und wer Blender ist. Während sich Robert beim Grillmeister nach der richtigen Temperaturstufe für Bauchmuskelfleisch vom Rind erkundigt, ruft Olli keck dazwischen, ob man anstelle des Salzsteins «nicht auch einfach 'ne Fliese» nehmen könne. Wolfgang hat sich indessen Finger und Gaumen verbrannt und wartet sehnsüchtig auf den Nachtisch mit Eis.

«Die Kurse bis Oktober sind fast alle ausgebucht», sagt der Betreiber der Akademie, Alexander Hübsch. «Die Nachfrage ist unheimlich hoch.» Das spiegelt sich auch im Internet wider. Dort tummeln sich zahlreiche Anbieter: «Feuer, Fleisch und Dosenbier» heißt der Titel eines Seminars, das laut Homepage ständig ausgebucht ist. Der Kurs «Hot & Spicy» richtet sich nur an Männer, bei der «Beef Party» lernen eingefleischte Griller alles über Rumpsteak und Entrecôte.

«Einfach ausgedrückt geht es um die Identifikation über ein Stück Fleisch», sagt Psychologe Reinhardt. «Im Büro ist diese immer schwerer zu erreichen. Man identifiziert sich immer weniger mit dem, was man tut. Also versucht man die eigene Identifikation eher in der Freizeit zu erfahren.»

Teilnehmer Stefan sieht es weniger wissenschaftlich, sondern praktisch: «Der Grill ist einfach zum Herdersatz geworden. Meine Frau hat dadurch weniger Sauerei und Gestank in der Küche.» dpa

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