Hochschule Geisenheim Folgen des Klimawandels

Von Thomas Maier

In den Rebflächen an der Hochschule Geisenheim zischt und surrt es ohne Unterlass. In einem großen Freilandversuch wird den Weinstöcken in der Rheingaustadt von Forschern das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) künstlich zugeführt. Aus kreisförmig angeordneten Ringen, die in 2,50 Meter Höhe über den Rebzeilen schweben, geben Düsen geräuschvoll CO2 ab. Das Gas wird dann mit Hilfe von Ventilatoren gleichmäßig verteilt.

Die hessische Hochschule Geisenheim, bundesweit renommierte Forschungsstätte für den Weinbau, untersucht seit einem Jahr die möglichen Folgen des Klimawandels. Es geht um die Frage, wie der steigende CO2-Gehalt auf die Pflanzen wirkt. Deshalb wird die Luft mit zusätzlich 20 Prozent Kohlendioxid angereichert - um Bedingungen zu simulieren, denen die Rebe künftig ausgesetzt sein wird.

«Wir wollen wissen, wie der Wein in 35 Jahren schmeckt», sagt Claudia Kammann, die das Projekt koordiniert. Bis dahin könnte der Volumengehalt von CO2 in der Luft bei 480-500 ppm (Teile pro Million) liegen. Derzeit sind es rund 400 ppm - etwa 20 Prozent weniger. Als die Menschheit zum Ackerbau überging, waren es nur 280 ppm.

Die Treibhausgase - neben dem CO2 geht es auch um Lachgas und Methan - lassen Experten zufolge die Temperaturen global steigen. Dies hat die Bedingungen für den Weinbau in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch verändert. Austrieb, Blüte und Lese der Reben finden im Rheingau inzwischen viel früher statt. Das Mostgewicht der Trauben - ein wichtiger Indikator für die Reife - hat deutlich zugenommen. In den Weinanbaugebieten Deutschlands können inzwischen Rebsorten wie Cabernet Sauvignon oder Merlot angebaut werden, die eigentlich in den Mittelmeerländern beheimatet sind.

Dem direkten Einfluss des CO2 auf die Rebe wurde bisher aber kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Das vom Land Hessen finanzierte Projekt FACE2FACE (Free Air Carbon Dioxide Enrichment) erforscht, ob der steigende CO2-Gehalt Wuchs, Ertrag und Qualität von Reben verändert oder zu mehr Schädlingsbefall führt. In einem anderen Teil des Langzeitprojekts sollen zusammen mit der Universität Gießen auch Gemüsepflanzen unter die Lupe genommen werden.

Die Forscher sind in die Experimente mit einigen Hypothesen gegangen. So gilt zusätzliches CO2 für das Wachstum der Reben zwar als förderlich - sie bilden durch Photosynthese mehr Biomasse. Nicht umsonst werden Tomaten in Gewächshäusern mit dem Gas gedüngt. Doch auf der anderen Seiten können sich bei der Rebe die Nährstoffkonzentrationen verändern.

Häufig nehme der Stickstoffgehalt ab, sagt Kammann. Daher werden bei den Freilandversuchen Proben des Ernteguts, der Pflanzenbiomasse und des Mosts genommen. Zugleich wird untersucht, wie die Reben auf Schädlinge wie den Traubenwickler reagieren.

Die Forscher gehen sehr penibel vor: Jede Pflanze ist gekennzeichnet, überall gibt es Sensoren, die kontinuierlich die Feuchtigkeit von Laubwand oder Boden messen. Insgesamt gibt es sechs Ringe: Drei werden mit CO2 begast, die anderen dienen zur Kontrolle der Untersuchungen. Alle Ringe sind gleichmäßig mit Riesling und der Rotweinrebe Cabernet Sauvignon bepflanzt. Ausgebaut werden dann 12 unterschiedliche Weine, die pro Ring rund 20 Liter ergeben.

Die höheren Jahrestemperaturen haben im Rheingau bereits dazu geführt, dass die Riesling-Lese im Mittel Ende September beginnt. Höhere Mostgewichte lassen manche glauben, die Winzer könnten zu den Gewinnern des Klimawandels gehören. Möglicherweise ein großer Irrtum: Denn die Sommer werden im Zuge des Klimawandels immer trockener - 2015 ist dafür ein Paradebeispiel.

Das bringt für den Wasserhaushalt der Reben viel Stress - mit quantitativen und möglicherweise auch qualitativen Einbußen. Wenn Wasser und kühle Nächte fehlen, dann geht dem Riesling die für ihn so wichtige Säure und Frucht verloren. Das könnte in diesem Jahr - ähnlich wie 2003 - wieder passieren.

Die schnelle Reife der Reben macht außerdem gerade den Riesling, für den der Rheingau berühmt ist, bei Feuchtigkeit gegen Pilzbefall anfällig. Die Winzer müssen aus Angst vor der Grauschimmelfäule Botrytis ihre Ernte viel schneller einbringen als früher, wie der Rheingauer Weinbauverband berichtet.

«Wir wissen einfach noch nicht genug darüber, wie die Auswirkungen des Klimawandels auf die Reben sind», sagt dazu Forscherin Kammann. Eines gilt als sicher: Der Wein wird in einigen Jahrzehnten anders schmecken. dpa

Deutsche Winzer entdecken internationale Rebsorten

Tempranillo statt Trollinger, Merlot statt Müller-Thurgau: Deutsche Winzer setzen verstärkt auf internationale Rebsorten. Wegen des Klimawandels und der höheren Durchschnittstemperaturen ist deren Anbau mittlerweile möglich in Deutschland. Bei den Verbrauchern kommen die südländischen Sorten nach Darstellung der Winzer gut an, im Einzelhandel spielen sie aber auch angesichts ihrer geringen Gesamtmenge kaum eine Rolle. Die Flaschen gehen eher vor Ort im Hofverkauf oder in regionalen Läden über den Tisch.

Der Anteil der internationalen Rebsorten hierzulande ist mit etwa einem Prozent aller Weinberge in Deutschland noch gering, doch es geht aufwärts - beim Cabernet Franc (44 Hektar), Shiraz (57 Hektar) und Tempranillo (10 Hektar) hat sich die Fläche von 2010 bis 2014 mindestens verdoppelt, wie aus Zahlen des Deutschen Weininstituts hervorgeht. Um jeweils 20 Prozent stieg die Anbaufläche beim Cabernet Sauvignon (auf 360 Hektar) und Merlot (auf 600 Hektar).

Beim Deutschen Weininstitut in Mainz sieht man das Thema internationale Rebsorten auch als Marketingmaßnahme. «Damit sendet ein deutscher Winzer die Botschaft, ich steche heraus aus der Masse», sagt Institutssprecher Ernst Büscher. «Man zeigt Kompetenz und kann einen guten Preis verlangen.» Grundsätzlich sieht Büscher den Anbau von Merlot, Tempranillo und Cabernet positiv - im Angesicht des Klimawandels würden wichtige Erfahrungen gesammelt. Sollte es irgendwann also deutlich zu warm werden für den Anbau etwa von Spätburgunder, hätte man erprobte Alternativen.

Unter anderen Weinexperten wird das Thema durchaus hitzig debattiert. Im Kern geht es um die Frage, ob sich der Weinstandort Deutschland treu bleiben soll mit seinem Schwerpunkt auf eher leichte, fruchtige Weine, die auch in kühleren Regionen gut reifen. Dazu zählen etwa Spätburgunder in Baden, Trollinger in Württemberg oder Riesling in Rheinhessen und in der Pfalz. Oder ob man internationaler wird, eigene Merlot-Rotweine oder Cuvées - Mischweine - anbietet und somit in die direkte Konkurrenz etwa zu französischen Winzern tritt.

Langfristig werde die Internationalisierungsstrategie nicht aufgehen, glaubt die auf Weinbau spezialisierte Professorin Ruth Fleuchaus von der Hochschule Heilbronn. Zwar ergäben Merlot, Chardonnay und Cabernet Sauvignon hierzulande in Schönwetterjahren «durchaus auch passable Weine». Doch Deutschlands Alleinstellungsmerkmal und Stärke sei nun mal Weißwein auf Spitzenniveau, sagt sie. Ein Merlot-Rotwein aus Deutschland hingegen sei «kein Differenzierungsmerkmal gegenüber anderen Weinbau treibenden Ländern».

Ganz anderer Meinung ist Ulrich Maile, Chef der Lauffener Weingärtner. Sein 850 Hektar großer Betrieb bei Stuttgart hat auf 10 Hektar internationale Rebsorten angebaut - noch im Versuchsstadium, um deren Tauglichkeit zu testen. «Wir wollen mit diesen Sorten beweisen, dass unsere Standorte gut genug sind, um auf internationalem Niveau Weine erzeugen zu können», sagt Maile. Er ist davon überzeugt, dass Merlot, Cabernet Franc, Tempranillo und Shiraz hierzulande eine große Zukunft haben.

Der verstärkte Anbau dieser Sorten in hervorragenden Lagen geschieht aus seiner Sicht auch aus wirtschaftlicher Vernunft. Wegen des Klimawandels würden etwa Trollinger-Trauben vier Wochen früher reif als noch vor 20 Jahren. Das hieße auch, dass die Flächen nach der nun frühen Weinlese lange ungenutzt blieben - «vier Wochen Top-Lagenpotenzial verschenkt man praktisch, vier Wochen, in denen noch tolle Trauben reifen könnten», sagt Maile. Mit internationalen Rebsorten, die länger brauchen zum Reifen, könnte dieses Potenzial besser genutzt werden.

Nach Einschätzung von Maile wird die Umstellung im großen Stil auf Merlot & Co. aber noch lange dauern. Ein Weinberg könnte bis zu 40 Jahre gut genutzt werden. Schon nach 20 Jahren roden, um die neuen Rebstöcke anzupflanzen, mache keinen Sinn, zumal die Umstellung pro Hektar mit etwa 20 000 Euro sehr teuer sei.

Fast schon ein Veteran in Sachen «Merlot allemand» ist der badische Winzer Fritz Keller. Schon vor einem Vierteljahrhundert begann er mit dem Anbau von Merlot und Cabernet Sauvignon auf seinem Gut am Kaiserstuhl. Warum? Zunächst war es ein Experiment, dann ging es auch ums Prestige. Gleich mehrfach habe er mit seinen Weinen Wettbewerbe und damit Aufmerksamkeit gewonnen, sagt er.

Doch Kellers Begeisterung hat Grenzen. Die Merlot-Qualität aus deutschem Anbau reiche nicht aus, um mit Weinen aus Regionen wie Bordeaux mithalten zu können, sagt er nüchtern. Daher setzt er auch weiterhin auf heimische Klassiker wie Spätburgunder und Grauburgunder. «Die haben noch Entwicklungspotenzial, mit denen kann man punkten auf internationalem Parkett.» dpa

Im Rheingau wird es immer wärmer

Im Rheingau mit seinen berühmten Weinbaulagen für Riesling wird es immer wärmer. Zugleich beginnen die Reben immer früher auszutreiben und zu blühen. Noch stärker hat sich in den vergangenen Jahrzehnten der Lesebeginn der Ernte im Herbst beschleunigt. Dies geht aus den Jahrzehnte alten Aufzeichnungen des Weinbauamts Eltville und der Außenstelle Geisenheim des Deutschen Wetterdienstes (DWD) hervor. Danach war 2014 mit einer Jahresmitteltemperatur von 12,0 Grad das wärmste Jahr überhaupt am Standort Geisenheim. Seit 1884 gibt es dort Messungen.

Der Austrieb der Reben beginnt inzwischen rund zehn Tage früher als noch vor 60 Jahren. Absoluter Rekord war im vergangenen Jahr, als die Rebsorte Riesling schon am 7. April austrieb. Die Blüte - inzwischen meist Anfang Juni - ist im Mittel inzwischen rund 15 Tage früher dran als 1955.

Der Beginn der Zuckereinlagerung in die Beeren findet inzwischen meist schon Anfang bis Mitte August statt. Vor 60 Jahren war es noch Ende August. Noch stärker nach vorne ins Jahr geschoben hat sich der Lesebeginn. Mit der Ernte des Rieslings wird jetzt schon Ende September begonnen, drei Wochen früher als noch in den 1950er Jahren.

Rheingau: Kleines Weinbaugebiet mit großen Lagen

Die Weinbauregion ist kleiner als andere in Deutschland, doch der Rheingau hat berühmte Weinorte mit großen Lagen. Einige Kennzahlen:

- Rebfläche: 3200 Hektar

- Rebsorten: 78 Prozent Riesling, 12 Prozent Spätburgunder

- Betriebe: 700 - Lagen: 118 Einzellagen, 12 Großlagen

- Sonnenscheinstunden: 1649 Stunden im Kalenderjahr im Schnitt