In Corona-Zeiten wird nicht gespart Markenartikel boomen

Im Corona-Jahr 2020 griffen die Verbraucherinnen und Verbraucher deutlich häufiger zu Markenartikeln als vor der Krise. «Die Menschen wollten es sich zu Hause, wo sie aufgrund des Lockdowns den Großteil ihrer Zeit verbringen mussten, gut gehen lassen und waren bereit, mehr Geld für Nahrungsmittel, Getränke und Wasch-, Putz-, Reinigungsmittel auszugeben», erklärt der GfK Handelsexperte Robert Kecskes den Trend. Für ihn ist 2020 «das Jahr der Marke.»

Nach den Zahlen des Marktforschers GfK gaben die Haushalte in Deutschland im Corona-Jahr 2020 im Durchschnitt gut 10 Prozent mehr Geld für Markenartikel aus als 2019. Die Eigenmarken des Handels konnten bei diesem rasanten Wachstum nicht ganz mithalten und verloren Marktanteile - zumindest in den meisten Kategorien.

Selbstverständlich ist der Erfolg der Markenartikel nicht. Denn Kurzarbeit und Zukunftsängste hätten durchaus etwas anderes erwarten lassen. Schließlich hatten die Verbraucher in Deutschland noch unmittelbar vor Ausbruch der Krise großes Vertrauen in die Eigenmarken des Handels signalisiert.

In einer gemeinsam vom Fachblatt «Lebensmittel Zeitung» und dem Marktforschungsunternehmen Ipsos durchgeführten Umfrage gaben noch Anfang Februar 2020 rund 96 Prozent der Verbraucher an, Handelsmarken zu kaufen. Zwei Drittel vertrauten ihnen nach eigener Aussage genauso sehr wie den Herstellermarken. Und fast jeder Zehnte hielt sie sogar für vertrauenswürdiger als die teurere Konkurrenz. Doch mit der Krise kam bei vielen Verbrauchern offenbar eine Rückbesinnung auf die starken Marken.

Für den Psychologen Stephan Grünewald vom Kölner Rheingold-Institut, das mit tiefenpsychologischen Interviews die Stimmung in der Bevölkerung zu ergründen versucht, ist dieses Kaufverhalten durchaus nachvollziehbar. «Corona ist mit großen Ohnmachtserfahrungen verbunden, weil wir die Gefahr nicht sehen, riechen oder schmecken können», erklärt er. Markenprodukte versprächen in dieser Situation Stabilität. «Wir kennen sie seit Kindertagen. Sie haben Jahrzehnte überdauert und viele Krisen überstanden. Deshalb vermitteln sie gerade in der Pandemie ein Gefühl von Sicherheit.»

Außerdem sei in der Pandemie vieles weggebrochen, was das Leben sonst lebenswert machte - wie Stadionaufenthalte, Discobesuche oder Reisen. Das wollten die Verbraucher zumindest ein Stück weit kompensieren. «Wir wollen uns trösten und verwöhnen und greifen dann auch gerne einmal zu den teureren Markenprodukten - in der Hoffnung, uns etwas von der verlorenen Sinnlichkeit zurückzuholen.»

Und noch etwas spielte nach Einschätzung des Psychologen den Markenartiklern in die Hände: «Es gibt eine verbreitete Angst davor, im Homeoffice in Schlabberhose zu verwahrlosen», beobachtet er. Der Einkauf bei Edeka und Rewe gewinne dadurch eine neue Bedeutung als Demonstration der eigenen Kultiviertheit. «Und das geht mit Markenprodukten einfach besser.»

Der Handelsexperte des Marktforschers Nielsen, Fred Hogen, sieht bei den Verbrauchern in Deutschland in der Pandemie außerdem einen Trend zur bewussteren Ernährung. «Bio-Produkte, vegetarische und vegane Nahrungsmittel haben einen richtigen Boom erlebt.»

Auch die geänderten Einkaufsgewohnheiten in der Corona-Krise kamen den Markenartiklern zugute. Denn aus Angst vor einer Corona-Infektion erledigen viele Verbraucher ihre Einkäufe zurzeit möglichst in einem einzigen Geschäft und vermeiden es, noch einen zweiten oder dritten Laden aufzusuchen. Das bringt den Supermärkten mit ihren vielfältigen Sortimenten zurzeit zusätzliche Kunden. Und dort ist die Verlockung, zu Markenprodukten zu greifen, viel größer als beim Discounter. An Geld fehlte es in vielen Fällen nicht. Schließlich mussten pandemiebedingt viele Restaurantbesuche ausfallen und zahlreiche Urlaubsreisen verschoben werden.

Sind die Markenartikel überall auf dem Vormarsch? Nicht ganz: Es gibt Ausnahmen. Im Bereich Kosmetik und Körperpflege etwa waren es 2020 die Markenartikel-Hersteller, die unter die Räder kamen. Denn der Lockdown und der Siegeszug des Homeoffice verringerte die Bedeutung von Kosmetikprodukten und Teilen der Körperpflege. «Sie wurden nicht mehr so häufig benötigt, und wenn sie benötigt wurden, dann reichte häufig die günstigere Handelsmarke aus», berichtete Kecskes.

Ein Wiedererstarken der Eigenmarken des Handels will Kecskes denn auch trotz des aktuellen Erfolgs der Markenartikel-Hersteller nicht ausschließen. Aktuell seien die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie bei den meisten Haushalten noch nicht angekommen. Doch werde die Situation wohl in Zukunft eher schwieriger und das Geld in so manchem Haushalt knapper werden. «Das wird dann eine Chance für ein Comeback der Handelsmarken sein», glaubt er. dpa

Tante-Emma-Laden 2.0 - Dorfläden in Pandemie besonders geschätzt

Als Reaktion auf Supermarkt-Schließungen auf dem Land gibt es immer mehr von Bürgerinnen und Bürgern gegründete Dorfläden. Bundesweit sei ihre Zahl seit 2015 von rund 200 auf etwa 300 gestiegen, sagte Günter Lühning, erster Vorsitzender der Bundesvereinigung multifunktionaler Dorfläden. Die Geschäfte haben oft ein kleines Café und sind sozialer Treffpunkt, wenn aus dem Ort schon der Bäcker und das Gasthaus verschwunden sind.

«Es ist keine Modeerscheinung, sondern ein nachhaltiger Trend geworden, auch wenn es immer schwerer wird, eine schwarze Null zu schreiben», sagte Lühning, der zu den Gründern des vor 20 Jahren eröffneten Dorfladens in Otersen gehört. Der Laden im Landkreis Verden zählte zu den ersten in Deutschland.

Während des Lockdowns im Frühjahr und seit November seien die Umsätze der Dorfläden bei den Lebensmitteln um 10 bis 30 Prozent gestiegen, berichtete Lühning vom Austausch im Netzwerk der Betreiber. Die Kunden zeigten in der Pandemie ihre Wertschätzung. «Gut, dass wir euch vor Ort haben», sei oft zu hören.

In der Pandemie können sich vielerorts Senioren und Risikogruppen vom örtlichen Dorfladen beliefern lassen. «Bei uns wird das allerdings kaum angenommen», sagte Frauke Lehrke, Leiterin des Dorfladens Bolzum bei Hannover. «In der Pandemie ist die Stimmung bei vielen Kunden bedrückt, weil Frühstücks-Stammtische und Veranstaltungen ausfallen.» Gerade ältere Menschen ließen sich deshalb den persönlichen Schnack an der Käsetheke oder Kasse nicht entgehen.

Wollen die Betreiber die Tante-Emma-Läden der Nachkriegszeit bewahren? Laut Lühning setzen sie vielmehr auf Zukunftsthemen wie regionale Produkte und Nachhaltigkeit. Der Dorfladen Otersen etwa hat einen kleinen Elektrobus, vergrößert im Frühjahr seine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach und plant drei Ladesäulen für E-Autos. Für die Investition gebe es schon Darlehens-Zusagen in sechsstelliger Höhe von den Mitgliedern, berichtete der 59-Jährige.

In vielen Fällen verkaufen die Initiatoren von Dorfläden Anteilsscheine, die Kunden können Teilhaber werden. Kommunen fördern oft die Gründungen. Nach Angaben der Bundesvereinigung befinden sich etwa die Hälfte der aktuell rund 300 Dorfläden in Bayern. Jeweils etwa 30 gebe es in Baden-Württemberg und Niedersachsen, jeweils circa 25 in Nordrhein-Westfalen sowie in Rheinland-Pfalz mit dem Saarland, etwa 10 in Hessen. In Schleswig-Holstein gibt es 40 MarktTreffs, die von der Landesregierung in Kiel gefördert werden - einige davon sind bürgerschaftlich organisiert. Zuletzt gab es laut Lühning mehrere Gründungen in Ostdeutschland. dpa