Von Christiane Gläser
Idyllischer geht es fast nicht: Weinberge soweit das Auge reicht, ein Gipfelkreuz in weiter Ferne am Horizont, die angenehme Stille wird nur durch das Zwitschern der Vögel unterbrochen. Bürgermeister Guido Braun steht zwischen den Rebstöcken gleich am Ortseingang von Nordheim am Main (Landkreis Kitzingen). «Das ist wirklich eine Traumlage», sagt der 50-Jährige nicht ohne Stolz. Genau hier soll nicht etwa Baugebiet für Wohnhäuser, sondern Deutschlands erster Friedweinberg entstehen. «Wir gehen davon aus, dass im Frühjahr 2018 die ersten biologisch abbaubaren Urnen in den Boden kommen können», sagt der ehrenamtliche Chef der 1000-Einwohner-Gemeinde.
Der geplante Friedweinberg wird eine Erweiterung des bestehenden Friedhofs sein. «Viele Nordheimer wollen ihren Hinterbliebenen mit der aufwendigen Grabpflege nicht zur Last fallen. Einige hatten deshalb bereits überlegt, sich in einem Wald beerdigen zu lassen», erinnert sich Braun. Doch denen habe er versprochen: «Wir können das bald auch bei uns anbieten.» Gesagt, getan. Schon 1996 hatte Brauns Vorgänger mit dem Bau des neuen Friedhofs auch die Weinberg-Fläche direkt darüber als Friedhofsgelände ausgezeichnet. Nun müssen also lediglich Nägel mit Köpfen gemacht werden.
Damit reagiert die Gemeinde auf der fränkischen Weininsel auf einen gesellschaftlichen Trend, der vor keinem Friedhof Halt macht. «Die Menschen wünschen sich vermehrt pflegefreie und pflegearme Grabanlagen. Die Gemeinden müssen deshalb ihre Friedhöfe weiter entwickeln und somit beleben», sagt Oliver Wirthmann, Sprecher des Bundesverbandes Deutscher Bestatter und Geschäftsführer des Kuratoriums Deutsche Bestattungskultur. Ohne diese Anpassungen blieben die Nutzer aus, das treibe die Kosten in die Höhe und damit stiegen auch die Gebühren.
Gerade in dem berühmten Weinort Nordheim entsprechen Bestattungen in einem Weinberg, unter Rebstöcken, der lokal gewachsenen Kultur, sagt der Experte weiter. «Es wird damit etwas geschaffen, was dem Wunsch der Menschen vor Ort entspricht. Das steigert die Attraktivität des Friedhofs und ist als sehr positiv zu sehen», lobt Wirthmann die Initiative der Gemeinde. Dem Bundesverband zufolge gibt es in Deutschland noch keinen Friedhof im Weinberg. «Das höre ich definitiv zum ersten Mal.»
Im Moment stehen noch rund 1000 Rebstöcke auf der etwa 4000 Quadratmeter großen Fläche. Im Herbst sollen sie zum Teil gerodet werden. Wie genau der Friedweinberg aussehen soll, ist noch unklar. Der Gemeinderat will in den kommenden Tagen mit einem Würzburger Landschaftsarchitekten die Wünsche und Pläne besprechen. Braun selbst hat schon eigene Ideen. «Ich kann mir Sitzecken, Baumgruppen und Schattenspender vorstellen. Vielleicht auch einen von Weinlaub überdachten Pavillon.» Die Urnen könnten unter den Rebstöcken liegen, an den Pflanzen erinnern dann kleine Schilder mit den Namen an die Verstorbenen. Die Bewirtschaftung der Fläche übernimmt die Gemeinde.
Auch der Fränkische Weinbauverband beobachtet die Planungen wohlwollend: «Wenn der Weinberg auch als Ruheplatz wahrgenommen wird, ist das ein schöner Ansatz», sagt Geschäftsführer Hermann Schmitt. Das zeige einfach, dass die Weinbergs-Landschaft einen hohen Sympathiefaktor habe.
Schon jetzt ist das Interesse an einer Grabstätte im künftigen Friedweinberg groß. «Das ist eine feine Sache», sagt beispielsweise der 73 Jahre alte Franz Müller. Er und seine Frau wohnen auf der Maininsel. Sie haben keine Kinder. «Also kann unsere Gräber später keiner pflegen. Der Friedweinberg ist deshalb ideal - und gut zu Fuß oder mit dem Rad zu erreichen», sagt der Rentner.
Bislang dürfen auf dem Nordheimer Friedhof nur Einheimische begraben werden. «Mit dem Friedweinberg aber kann ich mir eine Änderung dieser Regel gut vorstellen», sagt Bürgermeister Braun. Auch aus finanziellen Gründen - kostendeckend ist der Friedhof aktuell nicht.
Ein Zuschussgeschäft. Mit den Grabfeldern unter den Rebstöcken könnte das zumindest besser werden. «Auswärtige müssten zu den regulären Gebühren noch eine Pauschale zahlen», überlegt Braun. Bislang hat der Gemeinderat etwa 100 000 Euro für das Anlegen des kleinen Friedhofparks im Weinberg eingeplant.
Über den Verkauf von «Friedhofswein» können diese Kosten allerdings nicht wieder reinkommen: Das Landratsamt habe bereits angemahnt, dass die Trauben von den Rebstöcken des Friedweinberges nicht zu Wein gemacht werden dürften, erzählt Braun und lacht. «Das wollen wir aber auch nicht. Von der Asche in die Flasche - das wäre schon komisch.» dpa