Von Gitta Keil und Doreen Fiedler
Unzählige Menschen stehen vor Silvester vor dem Sekt-Regal im Supermarkt und grübeln, welche Flasche sie mitnehmen sollen. In diesem Jahr wählen sie häufiger teurere Sekte, Champagner, Proseccos, Crémants und Cavas. «Wir beobachten einen ganz ausgeprägten Trend hin zu den Premiumprodukten», sagt Ralf Peter Müller, Geschäftsführer des Deutschen Sektverbands.
Müller führt das auf die relativ gute Konjunktur zurück. Andreas Brokemper, Sprecher der Geschäftsführung von Henkell & Co, hat eine andere Erklärung: Die Zinsen sind sehr niedrig. «Wenn Sparen nicht so viel Sinn macht, wollen die Menschen ihr Geld für Genuss ausgeben.» Außerdem sehe er gerade bei der jüngeren Generation einen Trend hin zu bewussterem Konsum. Da werde eine Tasse Kaffee genauso zelebriert wie ein Craft Beer oder eben ein Glas Sekt.
Henkell verkauft in Deutschland mehr als die Hälfte aller Premium-Sekte mit einem Preis von mehr als sechs Euro. Um 5,6 Prozent stieg im vergangenen Jahr der Umsatz mit Premium-Schaumweinen der Henkell-Gruppe mit Sitz in Wiesbaden, also für die Flaschen von Fürst von Metternich, Menger-Krug, Mionetto und Alfred Gratien. In diesem Jahr wird ähnliches erwartet.
Der Marktführer im deutschen Sektmarkt, Rotkäppchen-Mumm, reagiert auf den Trend mit einem Ausbau der Flaschengärung. Bislang verkaufte Rotkäppchen-Mumm eine Million Flaschen vom Sekt aus dem aufwendigeren Verfahren - jetzt sind es drei Millionen. «Wir bieten die Flaschengärung inzwischen in drei Sorten an», sagt der Vorstandsvorsitzende der Rotkäppchen-Mumm Sektkellereien GmbH, Christof Queisser.
Dabei setzt das Unternehmen auf sortenreine Weine: Die Sekte gibt es als Weißburgunder Extra Trocken, Riesling Trocken und Chardonnay Extra Trocken. Gerade investiert Rotkäppchen-Mumm rund 6,5 Millionen Euro am Hauptsitz im sachsen-anhaltischen Freyburg in ein neues Glaslager und einen Reifekeller, um die Kapazitäten für die Flaschengärung auszubauen.
Dabei ist es keineswegs so, dass die Menschen in Deutschland mehr Schaumwein trinken. Im Gegenteil: Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes geht der Konsum seit Jahren zurück. Im vergangenen Jahr waren es 301 Millionen Liter. Das reicht noch für den Rekord: In keinem anderen Land wird mehr des prickelnden Getränks ausgeschenkt.
Der Champagner, der stets aus der französischen Provinz gleichen Namens importiert wird, kann nicht vom Trend profizieren. Seit vielen Jahren stagniert die Zahl der verkauften Flaschen bei rund zwölf Millionen, das sind drei Prozent des Schaumweins in Deutschland. Wahrscheinlich, vermutet der Sprecher des Bureau du Champagne, hänge das mit dem Wunsch vieler Menschen zusammen, regionale Produkte trinken zu wollen. «Die Menschen sind auch stolz auf den deutschen Wein und seinen Erfolg», sagt Christian Josephi.
Spitzen-Sommeliers und Wein-Freaks nähmen vor allem den Winzersekt verstärkt in den Fokus, meint Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut. Das Verfahren bei der traditionellen Flaschengärung sei identisch mit dem in der Champagne: Der Grundwein wird für eine zweite Gärung mit Zucker und Hefe in Flaschen gefüllt, um Kohlensäure zu entwickeln. Ist er nach mindestens neun Monaten fertig, rüttelt der Kelleremister die Hefe in den Flaschenhals. Dann wird der Hals in ein Kältebad getaucht und der gefrorene Hefepropfen entfernt.
Die Stilistik aber sei in Deutschland eine andere, sagt Büscher: Während der Champagner eher opulent schmecken soll, seien Winzersekte fruchtig. Und sie kosteten mit 10 bis 15 Euro meist viel weniger. «Der Winzersekt ist eines der am meisten unterschätzen Produkte», meint er. Mittlerweile biete jedes renommierte Weingut auch einen Sekt an, sagt Büscher. Dabei dürften die Trauben nur aus eigenen Weinbergen stammen.
Die Erzeugergemeinschaft Winzersekt im rheinland-pfälzischen Sprendlingen ist die Wiege des Winzersektes im größten deutschen Anbaugebiet Rheinhessen - und auch heute einer der wichtigsten Versekter. Die Nachfrage ist groß: Die Produktion dürfte in diesem Jahr leicht steigen, sagt Geschäftsführer Dietmar Schmahl.
Müller vom Sektverband hält die Winzersekte für Spitzenprodukte. «Wir haben eine wahnsinnige Bandbreite an Qualitätsaromen, die sich keinesfalls verstecken müssen hinter Champagner», findet er. Isabel Strauch-Weißbach von der aufstrebenden Sektmanufaktur Kurfürst von Dalberg erklärt, sie wolle keineswegs Champagner kopieren, sondern erzeuge deutschen Bio-Sekt. «Falls sich ein Kunde beim Trinken an Champagner erinnert, freuen wir uns.» dpa
Welche Kriterien Champagner erfüllen muss
Der Champagner gilt als König der Weine - doch nur ganz bestimmte Schaumweine dürfen sich so nennen. «Champagner stammt ausschließlich aus dem nordostfranzösischen Anbaugebiet Champagne und hat aufgrund des begrenzten Anbaugebietes einen hohen Preis», sagt Andrea Danitschek von der Verbraucherzentrale Bayern.
Es dürfen nur ganz bestimmte Rebsorten wie Chardonnay, Pinot Meunier und Pinot Noir verwendet werden. Außerdem reift ein Champagner mindestens 15 Monate in der Flasche. Hierin liegt auch ein Unterschied zum Sekt. Dieser kann auch in großen Reifetanks gären und muss keine besondere Herkunft haben.
Wer zu Silvester mit einem Glas Champagner anstoßen möchte, sollte auf die richtige Trinktemperatur achten: zwischen sechs und neun Grad sind ideal. Bei der Glaswahl sind sich die Experten jedoch uneins: «In schmalen, hohen Gläsern verflüchtigt sich die Kohlensäure nicht so rasch, es perlt also länger», sagt Danitschek. «Manche schwören aber auf breite Sektschalen, um das Aroma besser zu riechen.»
Statistik: Sekt zum Jahreswechsel wird nicht allzu teuer
Zum Jahreswechsel müssen sich die Verbraucher keine übertriebenen Sorgen um gestiegene Preise für Schaumwein machen. Sekt, Prosecco, Champagner und Co. sind nach Marktbeobachtungen des Statistischen Bundesamtes aktuell zwar 3,8 Prozent teurer als vor fünf Jahren.
Die alkoholischen Begleiter vieler Silvesterfeten blieben damit aber hinter der allgemeinen Teuerung zurück, die das Bundesamt für diesen Zeitraum auf 5,2 Prozent bezifferte. Ein Argument zur Mäßigung könnte der stark gestiegene Preis für ein typisches Katerfrühstück sein. Rollmops und andere Fischmarinaden kosten 12,5 Prozent mehr als vor fünf Jahren.