Von Thomas Körbel
Für Winzer in der Ex-Sowjetrepublik Moldau ist der Sieg der proeuropäischen Parteien bei der Parlamentswahl kein gutes Signal. «Ich hoffe, dass wir bald unseren Wein wieder nach Russland verkaufen können», sagt Weinhändlerin Lilia in ihrem Geschäft in der Hauptstadt Chisinau. Wein ist einer der wichtigsten Exportartikel des von der Landwirtschaft geprägten Moldau. Russland war lange der größte Absatzmarkt. 2006 und 2013 verbot Russland den Import aus dem Nachbarland - angeblich wegen Verunreinigung. Die Regierung sieht darin jedoch eine Strafe für ihren EU-Kurs.
Moldau mit einem Bruttoinlandsprodukt von rund fünf Milliarden Euro steuert seit Jahren entschlossen in Richtung Europäische Union. Russland ist verärgert über den Westkurs des traditionellen Partners und bestraft das Land - wie von 2006 bis 2013 bereits die Südkaukasusrepublik Georgien wegen einer antirussischen Politik - mit Agrarsanktionen. Die Folgen des geopolitischen Konflikts zwischen West und Ost bekommen Moldaus Winzer schmerzhaft zu spüren.
«In der Sowjetunion kam noch jede zweite getrunkene Flasche Wein aus Moldau», sagt Ion Luca, Vorsitzender eines Verbands privater Winzer in Chisinau. Und auch nach dem Zerfall der UdSSR blieb Russland der wichtigste Abnehmer. Mehr als 80 Prozent der Produktion wurden damals ins Riesenreich geliefert. Dann kam das erste einschneidende Embargo von 2006 bis 2007. Danach flossen immerhin noch rund 25 Prozent der Produktion nach Russland.
Seit 2013 geht offiziell kein Wein mehr in Richtung Moskau. Tatiana Savva von der unabhängigen Denkfabrik Expert Grup in Chisinau schätzt den Verlust allein im Jahr 2013 auf zehn Millionen Euro.
Nur 20 Autominuten von Chisinau entfernt sucht Gheorghe Castravet, der Direktor des staatlichen Weinguts Milestii Mici, nach Auswegen aus der Krise. In der letzten Phase der Sowjetunion wurden hier 72 Millionen Liter Wein pro Jahr hergestellt. Heute liege die Produktion bei 20 Millionen Litern, sagt er. Die russischen Embargos zwangen das Staatsunternehmen, sich nach neuen Märkten umzusehen. «25 Prozent unserer Produktion gehen inzwischen auf den chinesischen Markt, und wir verhandeln mit möglichen Abnehmern in den USA», sagt Castravet.
Moldauische Kleinbetriebe versuchen vor allem auf dem umkämpften europäischen Markt ihr Glück. Auch in Deutschland suchten die Privatwinzer mit Werbeaktionen auf Messen nach neuen Abnehmern, sagt Verbandschef Luca. Doch sich zu etablieren, ist schwierig. Zu unbekannt sei Moldau bei den EU-Verbrauchern, zu unerfahren seien die Winzer in modernem Marketing, erklärt er.
Dabei hat Moldau mit einer Weinbaufläche von mehr als 120 000 Hektar und einer Jahresproduktion von zuletzt 400 Millionen Litern großes Potenzial. «Immer mehr Winzer haben den Tourismus entdeckt», sagt Luca. Über Ferienwohnungen und Weinproben versuchten sie, Moldau mit seiner Weintradition als Marke zu etablieren, erklärt er.
Auch der Großbetrieb Milestii Mici hat diesen Trend erkannt. Jährlich kommen nach Darstellung von Direktor Castravet rund 200 000 Touristen auf das staatliche Weingut vor den Toren Chisinaus, um den angeblich größten Weinkeller der Welt zu besichtigen. In Kleinbussen rumpeln sie über die «Cabernetstraße» und die «Sauvignonstraße» durch Stollen eines alten Kalkbruchs. 1,5 Millionen Flaschen lagern bei konstanten 12 bis 14 Grad in dem Tunnelsystem - 2005 war dies einen Eintrag im Guiness Buch der Rekorde wert.
Zwar gingen durch die russischen Embargos zahlreiche Weinbetriebe bankrott, und Trauben verrotteten tonnenweise an den Reben. Doch Castravet und der Privatwinzer Luca sind überzeugt, dass Russlands Embargos einen Denkprozess angestoßen und Moldaus Winzer gestärkt haben. Eine Entspannung im Streit mit Russland zeichnet sich nach dem Wahlerfolg der in die EU strebenden Parteien in Chisinau wohl vorerst nicht ab. Der Fall Georgien aber zeigt: Seit der Abkehr von einer antirussischen Politik fließt der georgische Wein in Russland wieder. DPA