Von Bernadette Winter
Jetzt Ende September ist es wieder so weit: Winzer Andreas Wagner hockt in den Reben seines Weingutes in Essenheim bei Mainz. Sorgfältig prüft er die Trauben, bevor er sie mit einer Schere vom Rebstock knipst. Ein ruhiges, fast schon meditatives Arbeiten. In seinem Kopf allerdings spielen sich dabei blutige Szenen ab, garantiert ein Mord, vielleicht auch zwei.
Wagner widmet sich während der Weinlese nämlich ausgiebig seinem liebsten Hobby, den Kriminalfällen. Schließlich ist er - laut seinem Ingelheimer Verlag - der einzige Winzer Deutschlands, der auch erfolgreich Krimis schreibt. Wein-Krimis natürlich.
«Ich bin ein Saisonarbeiter», sagt Wagner, der eigentlich promovierter Historiker ist, 2002 aber gemeinsam mit seinen beiden Brüdern das elterliche Weingut übernahm. «Draußen im Wingert spinne ich die Geschichte weiter, im Winter schreibe ich.»
Regionalkrimis haben landesweit Konjunktur. «Neben der Eifel ist Rheinhessen die Region mit der höchsten Krimiautorendichte», schätzt Wagner. Neben ihm schreiben in der Region zum Beispiel Claudia Platz, Friederike Harig, Jürgen Heimbach und Peter Jackob. Nach Angaben des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels haben 44 Prozent der Menschen in Deutschland im vergangenen Jahr mindestens einen Krimi gelesen, allen voran Frauen.
«Lokales liegt im Trend. Die Heimat und die Region, in der man lebt, sind angesagt», sagt Thomas Koch, Sprecher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. «Regionalkrimis bieten über das Spannungsmoment und den Reiz des Verbotenen hinaus sehr großes Identifikationspotenzial.» Ob man in einem Dorf in der Pfalz oder im tiefsten Allgäu lebt - die dörflichen Strukturen ähneln sich.
Bei manch einem Leser-Fan geht die Liebe zum Detail derart weit, dass er oder sie mit einem Wagner-Buch in der Hand durch Essenheim läuft und Dorfbewohner anspricht, wo denn nun genau dieser oder jener Tatort sei. «Sehr zur Bestürzung meiner Nachbarn», meint der 42 Jahre alte Familienvater amüsiert.
Ideen für seine Kriminalromane lieferten ihm ein Freund bei der Polizei, ein Pathologe und der eigene Beruf, sagt Wagner. So lernen die Leser in jedem Roman etwas über die Weinherstellung und die Unwägbarkeiten, denen Winzer ausgesetzt sind.
Bis zum März, wenn die Weinstöcke austreiben und Wagner wieder zum Vollzeit-Winzer wird, kann sich das Blatt für seinen Protagonisten der Krimis noch wenden. Dann erkennt Polizist Paul Kendzierski aus Nieder-Olm vielleicht, dass ein bisher Unbekannter der Mörder war. Auch Wagner weiß das nicht immer von Anfang an. «Das hält auch für mich die Spannung hoch. Ein viel angenehmeres Schreiben.» dpa