In dem Arche-Hof werden gefährdete Haustierrassen gehalten, darunter auch Deutsche Sperber, eine seltene Hühnerrasse. Masson gibt auch Seminare für Hühnerhalter. «Die Nachfrage nach diesen Kursen ist in den vergangenen Jahren sehr gestiegen», so die Landwirtschaftsexpertin.
Es habe ein Generationenwechsel stattgefunden. «Viele jüngere Menschen ab 30 interessieren sich nun dafür», so Masson. Klassischerweise kenne man den 70-jährigen Opa als Hühnerhalter. Auch im Internet tauschen sich inzwischen zehntausende Hühnerfans bundesweit in Facebook-Gruppen über Ställe, Rassen und Futter aus oder posten Bilder ihrer gefiederten Freunde in allen Lebenslagen bei Instagram.
Auch Petra Saballus, die seit 27 Jahren in Schöneiche bei Berlin hauptsächlich an Kunden aus Berlin und Brandenburg Hühner verkauft, registriert den Trend. «Es sind viele junge Familien unter den Kunden», sagt sie. Seit Jahren sei das Hühnerhalten im Kommen. Die Corona-Zeit habe die Nachfrage in ihrem Geschäft noch einmal befeuert. «Wir haben etwa 30 Prozent mehr Hühner verkauft als sonst.»
«Mit dem Dioxinskandal vor etwa zehn Jahren ging es los. Und der Bio-Trend sorgt auch dafür, dass das Interesse an eigenen Hühnern steigt», sagt der Präsident des Bundes Deutscher Rassegeflügelzüchter, Christoph Günzel. Außerdem werde die Hühnerhaltung zum Teil sogar gefördert, wie etwa in Sachsen. Das Biosphärenreservat Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft startete ein Erhaltungszuchtprogramm für die Rasse «Sachsenhuhn». Mehr als 300 Interessenten aus der Region, die die Rasse retten wollen, meldeten sich seit Anfang des Jahres.
Im Garten von Vanessa Janßen aus Berlin-Rudow scharren und picken seit Sommer 2019 keine Rassehühner, sondern sechs Hybridhennen, Kreuzungen verschiedener Rassen mit guter Legeleistung. Das Regiment führt ein Federfüßiger Zwerghahn. «Ich habe schon seit einigen Jahren daran gedacht, mir Hühner zuzulegen - als Verwerter für Essensreste und um eigene Eier zu haben», erzählt die 40-Jährige.
Eine Freundin aus der Nachbarschaft mit Hühnern habe sie schließlich ermutigt, so Janßen. Den Stall hat die 40-Jährige selbst gebaut. «Seitdem wir die Hühner haben, brauchten wir für unsere fünfköpfige Familie keine Eier mehr kaufen und können auch immer wieder Eier verschenken», so die gelernte Tierpflegerin und Ergotherapeutin. Außerdem hätten auch die Kinder ihre Freude an den Tieren und könnten eine Menge über die Haltung lernen.
Hühner sind Experten zufolge als Einstieg in die Nutztierhaltung gut geeignet, aber man sollte sich vorher gut informieren. «Die Hühnerhaltung ist nicht unaufwendig. Einfach Tiere kaufen und mit ihnen in das Thema hineinwachsen ist nicht gerade tierfreundlich», sagt etwa Antje Feldmann, Geschäftsführerin der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH). Sie empfiehlt, sich bei örtlichen Züchtervereinen oder in Seminaren und Büchern vorab zu informieren.
Außerdem rät sie, mit den Nachbarn zu klären, ob sie mit dem tierischen Lärm leben können. Der sei längst nicht so akzeptiert wie der Lärm von Autos, Laubbläsern und Rasenmähern. «Hähne krähen, aber darauf warten nun mal nicht alle Nachbarn», so Feldmann. Sie plädiert dafür, Hühner immer mit Hähnen zu halten. Alles andere sei nicht artgerecht. «Hähne geben eine Herdenstruktur vor und warnen die Hennen auch vor Gefahren, etwa durch Greifvögel aus der Luft.»
Mit einer Gefahr musste auch schon Vanessa Janßen Bekanntschaft machen. «Ein Fuchs spaziert leider regelmäßig durch unseren Garten.» Füchse und Greifvögel seien eine oft unterschätzte Gefahr, sagt Geschäftsführerin Feldmann. Das Lärmproblem hat Vanessa Janßen hingegen gut im Griff: «Unter der Woche lasse ich Hahn und Hühner um 7 Uhr aus dem Stall, am Wochenende um 8 Uhr. Das sind humane Zeiten», ist sie überzeugt. Und die Müllabfuhr sei häufig deutlich früher unterwegs, und zwar lautstark. «Es hat sich noch kein Nachbar über den Hahn beschwert», so Janßen.
Wer erst einmal testen möchte, kann zunächst auch Hühner mieten. Anbieter aus verschiedenen Bundesländern sind zum Beispiel auf der Internetseite www.mieteeinhuhn.de zu finden, unter ihnen auch Matthias Schmidt aus Schulzendorf in Brandenburg.
Seine drei Teams mit je vier Hennen plus Stall, Voliere und Zubehör vermietet er vor allem an Berliner und Brandenburger mit eigenen Gärten. «Aber auch in Hinterhöfen werden Hühner gehalten», so Schmidt. Nötig sei eine Fläche von 30 Quadratmetern. Die Corona-Zeit habe ihm eine etwas höhere Nachfrage beschert. «Viele Menschen wollten schon immer mal Hühner halten. Nun hatten sie Zeit dafür», so der Hühner-Vermieter.
Tierschützer sehen die Vermietung allerdings kritisch. «Tiere sind keine Gegenstände, die man ständig herumreichen kann, sie wollen eine gewisse Kontinuität», sagt Beate Kaminski vom Berliner Tierheim. Die Haltung in der Stadt sieht sie zwiegespalten. Es seien sicher viele Halter, die alles richtig machten, so Kaminski. Doch es gebe auch andere Fälle: So habe das Tierheim erst vor wenigen Wochen fünf Hühner aufgenommen, die in Kartons auf einem Hochhausbalkon gehalten wurden und sich vor Stress gegenseitig verletzten. dpa