Von Matthias Röder
In ihrem Büro stehen die Skier in Reichweite, der Blick durchs Fenster geht auf einen Pfeiler der Gondelbahn, an der Wand prangt ein großformatiges Foto eines ihrer Luxus-Chalets. Der Arbeitsplatz der "Alpenkönigin", wie sie das österreichische Wirtschaftsmagazin "trend" nennt, könnte stimmiger kaum sein. Die 53-jährige Martha Schultz regiert von der Unternehmenszentrale im Zillertal mit ihrem Bruder Heinz (50) eines der erfolgreichsten Unternehmen im alpenländischen Tourismus: sieben Skigebiete mit rund 70 Liften, mehr als 50 Pistenraupen, 1500 Liegestühle, Hotels mit 1500 Betten, Luxus-Hütten und ein Golfplatz gehören dazu. Sorgen über die Zukunft angesichts schneearmer Winter kennt sie nicht.
"Mit Schnee-Erzeugern können wir im Winter Betriebssicherheit gewährleisten und außerdem sind die Seilbahnen ein fast ganzjähriges Transportmittel", sagt Schultz. Mit diesem Selbstbewusstsein plant die Schultz-Gruppe ihr bisher wohl spektakulärstes Projekt im Zillertal: In den Neubau der Spieljochbahn und die ab 2019 geplante Errichtung einer talüberspannenden Gondelbahn, deren 3,2 Kilometer langes freies Seil teils 900 Meter über Grund verlaufen wird, werden
75 Millionen Euro investiert.
"Die Fahrt von Gipfel zu Gipfel wird acht Minuten dauern", sagt der technische Leiter der Firma, Rudolf Hirschhuber. Die Projekt-Finanzierung scheint kein Problem. "Wir sind ein sehr gut aufgestelltes Privat-Unternehmen", sagt Schultz. Die Investition werde sich in 15 Jahren amortisieren, ist sich die Unternehmerin sicher.
Binnen 40 Jahren hat die Familie ihr Freizeit-Imperium aufgebaut. Ausgangspunkte waren ein Bauernhof, eine Käserei, eine Eisdiele, eine Privatpension und schließlich die erste Seilbahn. Ein günstiger Umstand für den Erfolg: Das gut erreichbare, landschaftlich attraktive Zillertal hat sich mit sieben Millionen Übernachtungen im Jahr zu einer Top-Destination in Österreich entwickelt. Wer hier Grund und Boden hat, genießt höchste Bonität bei den Banken.
Die größten Probleme für die Schultz-Gruppe liegen auf dem Arbeitsmarkt. Der bietet aus Sicht von Schultz, die als Vizepräsidentin der Wirtschaftskammer Österreichs besonderen Einfluss hat, für Arbeitslose wenig Anreize, auch weiter entfernte Jobs anzunehmen. Die zumutbare Pendelzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln zwischen Wohn- und Arbeitsort liegt nach Angaben des Arbeitsmarktservice (AMS) bei zwei Stunden täglich. In Deutschland sind es bis zu zweieinhalb Stunden. Ein Umzug sei bei Vorhandensein einer Unterkunft aber jederzeit zumutbar, heißt es beim AMS-Tirol.
Einer der Effekte: In Tirol mit seiner im österreichweiten Vergleich geringen Arbeitslosenquote von 6,7 Prozent werden laut AMS jede Saison eine Vielzahl von Köchen und Kellnern gesucht, während in anderen Bundesländern Tausende aus dieser Branche erwerbslos gemeldet sind. Die Lösung sind Gastarbeiter: "Viele unserer Beschäftigten kommen aus Ungarn oder Süditalien", meint Schultz. Sie können mit freier Kost und Logis rechnen, mit Skipässen, und teils auch mit recht noblen Mitarbeiterhäusern. "Wir haben in unser Mitarbeiterhaus in Osttirol fünf Millionen Euro investiert", erzählt die 53-Jährige.
Das ist in der Branche keine Seltenheit. Auch andere Hotelbesitzer ködern ihre Arbeitskräfte mit Zimmern, die Vier-Sterne-Charakter haben. "Es ist ein Verdrängungswettbewerb", so Schultz, deren Unternehmen 600 Ganzjahreskräfte und 200 bis 300 Saisonkräfte beschäftigt. Der Umsatz der Gruppe liegt bei mehr als 100 Millionen Euro.
Der Hotel-Branche Österreichs geht es laut Experten schlechter als die Jubel-Meldungen über Übernachtungsrekorde im Winter und Sommer glauben machen. Jeder vierte Betrieb - auch im vom Fremdenverkehr verwöhnten Tirol - ist nach einer umfassenden Analyse der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV) von der Pleite bedroht.
Die Schuldenlast sei teils enorm und die Auslastung übers Jahr gesehen gering. "Es gibt Schuldentilgungsdauern von mehr als 150 Jahren", sagt ÖHV-Sprecher Martin Stanits. Die auch durch unüberlegte Investitionen in Wellnessbereiche ins Trudeln geratenen Betriebe bräuchten dringend eine Exit-Strategie, meint Stanits. "Manche müssen aus dem Markt, andere muss man übernahmefähig machen."
Als Überlebens-Strategie schwebt Schultz eine Verlängerung der Saison vor. Alle Regionen müssten sich massiv darum kümmern, mit gezielten Angeboten die Touristen in fast jeder Jahreszeit anzulocken. Im Zillertal herrsche dank der attraktiven Infrastruktur schon jetzt zehn Monate Saison. Die Schultz-Gruppe hat nicht nur gut betuchte Sportler im Blick, sondern ist seit 25 Jahren dick im Geschäft mit Schul-Skikursen. Jeden Winter kommen 60 000 Schüler aus Deutschland in die Jugendhotels der Gruppe. "Da sind auch Schüler aus St. Peter-Ording in Schleswig-Holstein dabei", freut sich die 53-Jährige.
Die Managerin freut sich besonders, wenn sie mit ihren Mitarbeitern ganz früh morgens auf die Bergstation fährt, um die Erste auf der Piste zu sein. "Das ist Luxus", sagt die sportliche Tirolerin. dpa