Von Miriam Bandar
Wir sind Brasilien: Das südamerikanische WM-Sommermärchen und die aktuell tropischen Temperaturen haben deutschen Gartenfreunden Lust auf südliche Gewächse gemacht. Palmenverleiher berichten von leergeräumten Gewächshäusern, Gärtner sehen einen klaren Trend hin zu mehr Exotik in Vorgarten und auf der Dachterrasse. Anhänger regionaler und naturnaher Gärten schütteln über den Kübel-Palmenhain vor dem Klinkerbau allerdings den Kopf.
"Momentan haben wir gar keine Palmen mehr", sagt der Angestellte Dennis Gilmann von "Palmrent" der Artemis Service GmbH mit Sitz in Ludwigshafen und Mannheim. Die verschiedenen Gewächshäuser der Firma seien komplett leer. Seit 2012 verleiht und verkauft das Unternehmen in Griechenland herangezogene Palmen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Laut Gilmann steigt die Nachfrage stetig. Neben Gastronomen wie Beach-Clubs holten sich auch immer mehr Privatleute die Kübel-Palme in den Garten.
"Wir haben nur noch Reste im Hof stehen - für uns wird das ein Top-Jahr", sagt auch der Besitzer von Palmenverleih Deko Kretschmann, Horst Kretschmann, im niedersächsischen Sittensen. Neben den warmen Temperaturen habe auch die WM die Nachfrage befördert - viele wollten mit Palmen brasilianisches Flair erzeugen. Der gelernte Gärtner verleiht seine mehr als 1000 Palmen deutschlandweit, ab einer Größe von 2,5 Metern für 40 bis 60 Euro die Woche ohne Transportkosten. Die größten Leih-Gewächse sind 7 Meter hoch und wiegen nach seinen Angaben 2,5 Tonnen.
Die Palmen kommen meist aus Spanien und Italien und müssen sich erst bis zu drei Jahre lang auf Kretschmanns Hof ans deutsche Klimagewöhnen: "Wir lassen die Pflanzen erst mal ankommen, erst dann sind sie stabil genug für den Verleih." Und nicht jede Palme ist geeignet:"Eine Kokospalme kann man in Deutschland vergessen, die braucht 95 Prozent Luftfeuchtigkeit." Beliebt sei die chinesische Hanfpalme: "Da kann ein Kellner aufrecht drunter stehen, die piekt nicht und spendet Schatten wie ein Sonnenschirm." Im Winter kommen die Süd-Importe ins Gewächshaus - dann verleiht Kretschmann unter anderem Tannenbäume.
"Es gibt einen Trend hin zu mediterranen Pflanzen, der verstärkt sich immer mehr", sagt die Sprecherin des hessischen Gärtnereiverbandes, Andrea Peters. Neben Palmen in Kübeln stellten sich auch immer mehr Menschen Oliven-, Feigen- oder Zitronenbäume in den Garten oder auf den Balkon. Das habe mit dem wärmer werdenden Klima zu tun, aber auch mit speziellen Züchtungen, die das deutsche Wetter besser aushalten. Palmenverleiher Kretschmann sieht den Trend auch in einer übersättigten Gesellschaft begründet, die das Besondere sucht. Habe man früher schon mit einem Spanferkel bei einer Feier Eindruck schinden können, müsse es heute mehr sein. Palmen verkörperten Urlaub, Süden und Entspannung. "Eine Palme hat eine Ausstrahlung, die ist nicht ohne - das ist was anders, als wenn sie unterm Apfelbaum sitzen."
Die Geschäftsführerin des Bundesverbandes der Gartenbauvereine, Monika Lambert-Debong, lässt das völlig kalt: "Ich empfinde das teilweise als sehr unpassend." Ihr Verband setze sich für lebendige, blühende Gärten mit heimischen Pflanzen ein, die Lebensraum für Tiere wie Insekten sind. Ein Kübel-Palmenhain auf frisch geharktem Splitt-Untergrund entspreche dem nicht. "Palmen wirken sehr steril, meist passt das auch gar nicht zu den Häusern." Im Urlaub, beispielsweise in Südtirol, suche der Deutsche schließlich auch das Authentische wie den Alpengarten und nicht die Exotik-Kopie. dpa