Von Doreen Fiedler
Buntsandstein, Kalkmergel, Sandlöss und Dolomit liegen normalerweise unsichtbar unter den Weinstöcken an den Hängen rund um Mußbach in der Pfalz. Doch die Winzer des Weinorts haben an 14 Stellen neben den Wurzeln in den Tiefe gestochen, um die Erde und Steine hervorzuholen und in Bodenprofilen auszustellen. Denn sie sind sich sicher: Man kann den Boden im Weinglas schmecken. Und so von Zuhause aus quasi von einem Hang zum nächsten wandern.
Einer der Winzer hinter dem Projekt, bei dem 18 Rieslinge von verschiedenen Böden produziert werden, ist Bastian Klohr. Der Geschäftsführer der Winzergenossenschaft Weinbiet meint: «Natürlich spielen die Rebsorte, der Jahrgang und der Ausbau des Weins im Keller eine Rolle - aber die Gemeinsamkeiten der Lage kann man auf jeden Fall nachvollziehen.» Der Boden der Haardter Herrenletten zum Beispiel sei sehr kalkhaltig, das fördere eine abgepufferte Säure.
Ein Wort fällt dabei immer wieder - derzeit nicht nur in Mußbach, sondern auch unter Weinexperten auf der am Sonntag beginnenden Messe ProWein in Düsseldorf: Terroir. Dieser aus dem Französischen kommende Begriff beschreibe nicht nur die Bodenart, sondern alle Standortfaktoren, erklärt Otmar Löhnertz, Leiter des Instituts für Bodenkunde und Pflanzenernährung an der Hochschule Geisenheim. Dazu gehöre auch die Menge an verfügbarem Wasser, die Intensität und Dauer des Sonnenscheins sowie die Hangneigung und -ausrichtung.
Löhnartz füllte an der Hochschule unter wissenschaftlichen Bedingungen Weine ab, bei denen sich nichts unterschied außer der Standort. Dabei benutzte auch er Riesling als Rebsorte, weil dieser viel stärker reagiere als zum Beispiel Chardonnay. «Die Tester, darunter auch normale Endverbraucher, konnten das immer unterscheiden - vielleicht nicht zuordnen, aber das Terroir zu unterscheiden ist überhaupt kein Problem.»
Die Betonung der einzelnen Lage habe eigentlich eine lange Tradition im deutschen Weinbau, führt Löhnartz weiter aus. Das sei anders als zum Beispiel in spanischen La Mancha, dort mache es keinen Unterschied, ob ein Wein an einem Ort oder 50 Kilometer weiter angebaut worden sei. «Nun gibt es in Deutschland eine Rückbesinnung darauf, die Regionalität zu betrachten.» Wobei das nur für gute Flaschenweine gelte - bei Tetra-Pak-Wein sei das nicht nötig.
In den 13 deutschen Weinanbaugebieten werben immer mehr Winzer mit Heimat, Herkunft, Standort. Der Rollanderhof in Rheinhessen zum Beispiel beschreibt einen Wein von der Saulheimer Höhe so: «Sein Duft nach Aprikose und Maracuja ist typisch für diesen vom Kalkstein geprägten Riesling.» Und das Weingut Weltner in Franken meint zur Lage Küchenmeister: «Eine Mischung aus kalkreichem Tonmergelstein, durchzogen von bis zu 2 cm dicken Gipslagen und Sedimenten fossiler Kleinstmeerestiere. Die Weine beeindrucken mit Eleganz und mineralischer Finesse.»
Die Winzer hätten großes Interesse daran, ihre Weine so zu vermarkten, sagt Andreas Göpfert vom Fränkischen Weinbauverband. «Denn beim Wein als großem Naturgut geht es immer darum, Geschichten zu erzählen. Und das ist eine warme Geschichte, mit Wurzeln.» Außerdem gebe es auch beim Wein Strömungen und Schwerpunkte. In den 70er und 80er Jahren sei versucht worden, mit Reinzuchthefen und Enzymen einen bestimmten Geschmack zu erzeugen. Nun gebe es eine starke Hinwendung zu typisch regionalen Weinen - «ohne einen technischen Deckmantel darauf».
Die Kunden gehen mit: In Mußbach zog das Terroir-Projekt so viele Menschen zur jährlichen Präsentation an wie nie zuvor. Die Winzer luden auch Ulrich Fischer ein, Professor für Oenologie und Sensorik am Weincampus Neustadt an der Weinstraße, der über Verwitterung, Muscheln, Gletscher und Druck durch Kontinentalplatten referierte, während er sich durch die Rieslinge schlürfte. «Wir merken eine karge, lang anhaltende, härtere Säure, was daran liegt, dass der Boden wenig Kalk hat», sagte er dort, ehe er noch einen Schluck von der Spätlese vom Königsbacher Ölberg nahm. Dutzende Zuschauer nippten mit ihm und nickten. dpa
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