Er wollte sich vom Hauptstadt-Zirkus fernhalten, jetzt ist er mittendrin: Thomas Gottschalk (61) hat sich als Stammgast des Berliner Promi-Lokals «Borchardt» geoutet. «Bei mir gab es zuerst auch diese Verweigerungshaltung: Wenn da alle hinrennen, gehe ich erst recht woandershin», schrieb der Fernseh-Entertainer in der «Bild»-Zeitung vom Freitag. «Jetzt sitze ich zweimal die Woche da und treffe Leute, die offensichtlich fünfmal die Woche da sind, denn ich gehe immer an anderen Tagen hin.»
In der Januar-Ausgabe des Männermagazins «GQ» hatte Gottschalk noch gesagt: ««Ich werde in Berlin leben wie ein Mönch.» In seinem neuen Hauptstadt-Leben werde man ihn auf roten Teppichen oder Promi-Partys «eher selten sehen».
Gottschalks eher wenig geguckte ARD-Vorabendshow «Gottschalk Live» wird im wahrsten Sinne um die Ecke des Restaurants «Borchardt» produziert. Das Lokal feiert in diesen Tagen seinen 20. Geburtstag, zu dem Gottschalk «sehr herzlich» gratulierte («Aber nur unter der Bedingung, dass ich mir für die nächsten fünf Jahre keine andere Stammkneipe in Berlin suchen muss»).
Der frühere «Wetten, dass?»-Moderator mag übrigens am «Borchardt» vor allem den Besitzer und Wirt Roland Mary: «Er nuschelt ein bisschen, schaut dich immer nur mit einem Auge an, weil er mit dem anderen den Rest seines Ladens im Auge behält. Aber ich finde den Kerl klasse. Ich bin schon fast beleidigt, wenn ich eine Stunde am Tisch sitze und er treibt sich immer noch bei anderen rum.»
Borchardt-Wirt Roland Mary mag keine Schnitzel
Es ist das bekannteste Restaurant der Berliner Republik und prägt nicht nur zur Berlinale das hauptstädtische Glamourpflaster. Das «Borchardt» wird am 5. März 20 Jahre alt, eine Feier ist aber nach Angaben des Lokals nicht geplant. Das Haus, das heute deutsch-französische Küche bietet, blickt auf eine 150-jährige Geschichte zurück. Gegründet wurde es 1853 als Wein- und Delikatessenhandlung. Heute treffen sich dort Hollywoodstars und Politiker zum Schnitzel, das mit lauwarmem Kartoffelsalat 21 Euro kostet.
Zum Geburtstag gratulierte der «Spiegel» mit der Einschätzung, im «Borchardt» komme täglich «magisches Theater» zur Aufführung. Wirt Roland Mary hat privat genug von der Spezialität des Hauses. «Ich esse gerne Bouillabaisse zum Beispiel. Das Schnitzel ist mehr so ein Medienthema», verriet der Gastronom kürzlich der «Bild am Sonntag».
Er schätze Gäste, die allein ins Restaurant kämen, sagte er. «Ich finde die klasse, irgendwie. Die sind beschaulicher. Bilden in dem Trubel eine Art Ruhepol.» Freundschaften seien in all den Jahren zwischen Wirt und Stammgästen aber kaum entstanden. dpa
Und weil es so schön ist, hier mein legendärer und leicht patinierter Text über das Borchardt - damals anlässlich der Berlinale 2005, als Eichinger noch unter uns weilte:
Ein Hauch von Hollywood
"Ziemlich früh für Berlinale-Verhältnisse, so gegen 19.30 Uhr, schlägt er auf - als Appetizer sozusagen. Als nächstes kommt Alfred Biolek mit junger blonder Begleitung, ohne großes Tamtam.
Biolek bestellt eine Flasche Dönnhoff, einer der besten Rieslinge Deutschlands. Ein Tisch mit bayrischen Touristen, auf Platz 20, wo im vergangenen Jahr Jack Nicholson saß und auch ab und zu der Kanzler speist, freut sich darüber: Der Bio, das ist doch was.
Lange Zeit passiert jetzt nichts. Wir schauen uns an, das kann doch nicht alles gewesen sein. Die nächste Flasche Sauvignon Blanc wird geöffnet. Kein Minister, kein Hollywoodgesicht. Das "Borchardt" ist jetzt bis auf einen Tisch am Hof randvoll, die Stimmung gut, auch ohne Berlinale-Auflauf.
Der Kanzler ist entschuldigt, er sitzt mit Doris im "Adlon".
Endlich, gegen 21 Uhr dann Bewegung im Saal. Kommt der Hauptgang? Produzent Arthur Cohn, mehrfacher Oscar-Preisträger, steuert den langen Tisch an. Im Schlepptau Denver-Biest Joan Collins. In Schwarz mit silbernem Dekolleté-Kreuz. Die 71jährige sieht aus drei Meter Entfernung wie eine strahlende Endvierzigerin aus. Kompliment!
Die ersten Köpfe drehen sich in ihre Richtung. Sie genießt es offensichtlich. Jetzt geht es Schlag auf Schlag. Klaus Wowereit kommt endlich, ja wo war der Regierende Bürgermeister denn die ganze Zeit? Goldie Hawn hat Ehemann Kurt Russell dabei, mein Gott ist der in Wirklichkeit schmal und zerbrechlich. Goldie sieht zehn Jahre älter aus als die Collins.
Wie macht die das nur, scheint sich das ganze Restaurant zu fragen. Kurz danach nimmt ein blendend aufgelegter Thomas Gottschalk neben Goldie Platz. Sie passen gut zusammen, Goldene-Kamera-Organisatorin Beate Wedekind, im Knitter-Look, stellt alle vor. Wowereit scheint nicht ganz zufrieden, die Collins zeigt ihm die kalte Schulter und widmet sich lieber dem attraktiven Herrn von Sponsor VW. Und zieht sich die Lippen rot nach.
Knisternde Atmosphäre. Es vibriert. Am Tisch mit den Bayern rutschen sie inzwischen unruhig hin und her. Und telefonieren mit den Frauen zu Hause: Wenn ihr wüßtet, mit wem wir hier sitzen!
Wowereit begrüßt Biolek, Biolek begrüßt Gottschalk, dann sitzen Gottschalk und Wowereit zusammen, vorher zeigt Gottschalk noch der Goldie seine Leselupe, die er wohl von seiner Thea zu Weihnachten bekommen hat. Gegen 22 Uhr kommt Filmproduzent Bernd Eichinger mit einer Assistentin. Schlecht gelaunt, er hat eine Erkältung, die Assistentin tropft ihm ein Mittelchen auf den Löffel, mißt Fieber. Kein guter Abend für Eichinger, er bleibt allein am Tisch, verzieht sich nach einer Stunde ins Hotel.
Nochmals Bewegung im Restaurant. Ist das Dessert im Anmarsch? Maître Rainer Möckel läßt zwei Tische zusammenstellen.
Dazu muß Armin Rohde mit seinem Kreis weichen. Und wird dazu mit zwei Runden Absinth aufs Haus entschädigt. Der Tisch ist für Bruce Willis. Das Publikum gibt sich der Vorfreude hin und bestellt weitere Flaschen. Willis sagt eine halbe Stunde später ab.
Pech gehabt. Vielleicht hat ihn der inzwischen angewachsene Pulk von Autogrammjägern vor der Tür abgeschreckt. Vielleicht kommt er ja morgen.
Auch nicht da war Helmut Dietl, der über das "Borchardt" einen Film drehen will, selbst schuld, muß er halt seinen Spezi, den Eichinger, fragen, was er alles verpaßt hat. Haben wir noch etwas vergessen? Nein. Ach ja, gut gegessen haben wir auch noch." (Erschienen am 13. 2. 2005 in der WELT)
Auf die nächsten 20 Jahre, Liebes Borchardt!
Dein Niko