«Schamlos ausgenutzt»? Berlin kommt Karstadt entgegen

GKK hatte eingewilligt, statt sechs vorerst nur zwei seiner elf Berliner Warenhäuser zu schließen: die Filialen in Hohenschönhausen und in den Neuköllner Gropius-Passagen. Im Gegenzug sicherte der Senat in einer Absichtserklärung («Letter of intent») zu, große Bauvorhaben des Unternehmens mit seinem Mutterkonzern Signa in der Stadt zu unterstützen.

Von Investitionen in Höhe von vier Milliarden Euro ist die Rede. Im Kern geht es um diese drei Projekte:

ALEXANDERPLATZ

Rund um den Alex will der Senat mehrere Hochhäuser ermöglichen. Eines ist das von Signa geplante Gebäude am Kaufhof-Warenhaus. Noch dieses Jahr soll sich entscheiden, wie der 130-Meter-Turm aussehen wird. Nach dem «Letter of intent», der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, verzichtet das Land auf Vorgaben aus dem Bebauungsplan: eine Drehung des Gebäudes und den beabsichtigten Wohnanteil.

KURFÜRSTENDAMM

Am Karstadt-Standort Kurfürstendamm wollte Signa schon lange zwei bis drei 100 bis 150 Meter hohe Hotel- und Gewerbetürme bauen. Das Baukollegium lehnte ab. Nun will das Land in einem Bebauungsplan mit dem Bezirk «ein bis zwei Hochpunkte» ermöglichen, wie es in der Erklärung heißt - «unter Berücksichtigung der Höhendominanten am Breitscheidplatz». Die dortigen Hochhäuser erreichen knapp 120 Meter.

HERMANNPLATZ

Ein Neubau am Ort des Karstadt-Gebäudes soll an die Tradition des größten Warenhauses Europas anknüpfen, das vor dem Zweiten Weltkrieg dort stand. Es soll auch Flächen für Büros, Wohnungen, Sport und lokale Institutionen geben. Ebenfalls wie am Kurfürstendamm wäre hier auch ein Hotel möglich, als Betreiber ist 25hours im Gespräch.

Doch es gibt Widerstand von Anwohnern und Lokalpolitikern, die nach der Aufwertung der Lage eine Verdrängung der Bewohner befürchten. Im «Letter of intent» heißt es: «Es besteht Konsens über die Bedeutung des Projekts für Signa wie für Berlin.» Ein Masterplan solle zügig entstehen.

Der Senat hebt hervor, mit der Karstadt-Einigung viele Arbeitsplätze für Jahre gesichert zu haben. Aus Sicht der Linken-Politikerin Gennburg hat Signa hingegen «die Krise schamlos ausgenutzt». Sie spricht von Erpressung. «Wir brauchen diese Hochhäuser in Berlin nicht», sagte Gennburg. Es sei nicht absehbar, ob es in der Koalition eine Mehrheit dafür gebe.

Skepsis ist - neben Freude über die geretteten Arbeitsplätze - auch bei den Grünen zu hören. Das Parlament sei an den «Letter of intent» nicht gebunden, sagte die stadtentwicklungspolitische Sprecherin Daniela Billig. Sie verlangt eine vollständige Bürgerbeteiligung, Nachhaltigkeit beim Bauen und eine Ausrichtung der Projekte an den Bedürfnissen der Bezirke. «Stadtentwicklung als „Chefsache“ von oben durchgestellt ist nicht die Art von Politik für die wir angetreten sind», sagte Billig. «Da ist also auf jeden Fall noch Musik drin.»

In der SPD des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller wurden die Vorhaben jedoch begrüßt. Daniel Buchholz, der Fraktionssprecher für Stadtentwicklung, sprach von einer «wunderbaren Nachricht». Es sei auch absolut richtig, dass das Land die Planungsverantwortung für die Großprojekte an sich ziehe. Dem stimmte die Neuköllner SPD-Fraktion zu. Die Sozialdemokraten wollen das Thema am 2. September für eine Anhörung des Stadtentwicklungsausschuss des Abgeordnetenhauses nutzen. GW/dpa