Ständige Vertretung in Berlin Bonner hören in der StäV auf

Von Caroline Bock

Der Rhein, das Tuckern der Frachter auf dem Strom, die Hügel der Eifel: Das löst beim Gastwirt Harald Grunert (68) Heimatgefühle aus. Das gibt es in Berlin nicht. Vieles andere aus dem Rheinland schon, in der «Ständigen Vertretung». Einem Lokal, wo der Kellner das Kölsch so lange bringt, bis der Bierdeckel das Glas verdeckt. Wo es rheinischen Sauerbraten gibt. Wo ein Zeitungsautomat für den «Express» vor der Tür steht - «der einzige zwischen Bergisch Gladbach und Sibirien», sagt Grunert.

Er war nach dem Ende der DDR mit seinem Kompagnon Friedel Drautzburg (79) einer der Bonner Pioniere in Berlin. Vor 20 Jahren öffneten sie im Regierungsviertel die «Ständige Vertretung». Damals trafen sich am Spreeufer die Neulinge aus dem Westen. Die Touristen fragten: «Wo kann man denn hier Bonner gucken?» Die «StäV» brummt seit Gerhard Schröders Zeiten. «Immer rappelvoll!», steht im Reiseführer. Im Sommer haben Grunert und Drautzburg das Geschäft an Jüngere verkauft. Das Lokal hat zwei neue Chefs.

Die «Ständige Vertretung» ist eine Westalgie-Reise, eine Kreuzung aus Kneipe und Museum. Die Wände sind voller Bilder von Politikern und Promis. An der Decke baumeln Karnevalsorden, über der Tür wacht Hennes, das Ziegenbock-Maskottchen des FC Köln. Gegenüber hängt ein Kunstwerk aus einem Fenster aus dem Bonner Wasserwerk.

Die «StäV» lebt von der Folklore und seinen Geschichten. Grunert brachte den Berlinern den Karneval näher, ein mühsames Geschäft. Drautzburg war ein Weggefährte von Günter Grass. Die beiden Schnauzbart-Träger tourten 1969 mit dem VW-Bus durch Deutschland, um für Willy Brandt und die SPD Wahlkampf zu machen. Drautzburg ist sogar im Grass-Roman «Tagebuch einer Schnecke» verewigt.

Grunert hat am Kneipentresen zufällig den Mann kennen gelernt, der auf einem der historischen Fotos zu sehen ist - als Polizist vor der echten «Ständigen Vertretung». So hieß im geteilten Deutschland die diplomatische Niederlassung der BRD im Ostteil Berlins. Amüsiert erzählt Grunert von einer Gruppe junger Leute, die neulich da war. Die war ahnungslos, wer der Mann mit Zylinder an der Wand ist. Einer hielt Konrad Adenauer für den Erbauer der Berliner Mauer.

Den Wandel Berlins sieht Grunert gelassen. «Es ist viel voller und internationaler geworden», sagt er und deutet auf zwei asiatische Touristinnen am Nachbartisch. Die Speisekarten gibt es auch auf Japanisch, Chinesisch und Koreanisch. Aber von wegen Weltstadt Berlin und von wegen verschlafenes Kaff am Rhein: Grunert erinnert sich, dass in Bonn verschleierte Frauen aus Katar im Supermarkt einkauften. «Bonn war die internationalste Stadt, die es in der Bundesrepublik gab.»

Anders als Drautzburg war Grunert kein Gegner des 1991 beschlossenen Bonn-Berlin-Umzugs von Bundesregierung und Bundestag. Er zitiert das rheinische Grundgesetz: «Et kütt, wie et kütt». Es kommt, wie es kommt. Das passt auch zu dem «StäV»-Ableger, der irgendwann auf dem neuen Berliner Flughafen öffnen soll. Wann der öffnet, weiß noch keiner.

Bei der «StäV» bleiben die Gründer Berater. Das Konzept wollen die neuen Betreiber, Jörn Peter Brinkmann (38) und Jan Philipp Bubinger (32), nicht ändern. Harald Grunert widmet sich weiter dem Karneval. Am 11.11. geht es mit der Party los, nicht in der «StäV», sondern in der Kulturbrauerei im Prenzlauer Berg. Bonner, die Heimweh haben, könnten dort sein. dpa