Sylt-Fischkönig Gosch wird 80 Aale und wilde Partynächte

Von Lea Sarah Pischel

Kurz vor seinem 80. Geburtstag beweist er, dass er im Krabbenpulen noch so schnell ist wie zu seinen Anfängen auf Sylt. Nur wenige Sekunden braucht Jürgen Gosch, um ein Tierchen geschickt aus seinem Panzer zu drehen. «Das verlernt man nicht. Ich suche noch immer einen Herausforderer, der mich schlägt», sagt der Inhaber der nach ihm benannten Handels- und Restaurantkette. Vor seinem runden Geburtstag am 15. Mai erinnert sich der Sylter Promi-Gastronom an die ersten verkauften Aale aus dem Bauchladen und wilde Partynächte in seinem legendären Lister Fischlokal.

Der gelernte Maurer hatte mit seiner kleinen, aber später legendären «nördlichsten Fischbude» auf Sylt angefangen. Inzwischen betreibt der Unternehmer elf Lokale auf der bei Prominenten beliebten Nordseeinsel und hat 25 Niederlassungen auf dem deutschen Festland, ist Multimillionär, steht noch immer täglich im Laden und träumt davon, dort noch lange zu bleiben. 

Stillstand gibt es bei ihm nicht. «Man muss sich immer weiterentwickeln», sagt «Jünne» Gosch. Gerade lässt er das Obergeschoss seines Restaurants in List umbauen. «Das wollen wir ein bisschen vornehmer machen», sagt er. Prominente Gäste sollen im neuen «Jünnes Restaurant» ab Juli mit mehr Privatsphäre speisen können, ohne dabei von autogrammjagenden Fans unterbrochen zu werden.

Zu seinen Stammgästen zählen Fußballtrainer Jürgen Klopp und seine Frau, der ehemalige deutsche Fußballspieler Karl-Heinz «Kalle» Rummenigge, Schauspielerin Anja Schüte sowie der CDU-Politiker Peter Harry Carstensen. Auch Altbundeskanzler Gerhard Schröder und seine Frau Soyeon Schröder-Kim waren im vergangenen Jahr zu Gast.

Auf allen Partys tanzt Gosch heute aber nicht mehr: «Ich habe früher immer viel mitgetrunken, aber ich trinke das nicht mehr, das ist zu hart für mich. Mit 80 muss man mal aufhören.» Allerdings nur mit dem Alkohol. Sein Unternehmen abzugeben, daran denkt der deutsche «Fischkönig» nicht. Denn alt fühlt er sich nicht. Bereit steht aber seine Tochter Anja, die seit 2012 gemeinsam mit ihrem Mann die Läden in Westerland übernommen hat.

«Ich plane so, als wenn ich 50 Jahre alt bin. Ich werde überhaupt nicht nachlassen und planen. Der liebe Gott sagt ganz von allein, so mein lieber Junge, jetzt hörst du auf.» Er fürchtet die Einsamkeit: «Dann sitze ich nachher zu Hause, gucke Fernsehen und dann kommen da die Wiederholungen, und ich merke das gar nicht. Da wirst du tüdelig», sagt der Fischhändler, der auf Sylt in Braderup wohnt. Über das Alter denke er nicht nach. «Ich habe das große Glück, dass ich mitten im Betrieb bin und gar nicht dazu komme. Es ist das Schönste im Leben vom Alter abgelenkt zu werden», sagt er.

Zeit war sein ganzes Leben lang rar: Die gastronomische Karriere startete der während des Krieges auf dem Festland in Tönning (Nordfriesland) geborene Gosch Ende der sechziger Jahre auf Sylt. Schon als Kinder pulten er und seine zwei Schwestern, eine davon sein Zwilling, Krabben, um die Haushaltskasse der alleinerziehenden Mutter zu füllen. Am Hafen von List machte er Bekanntschaft mit Tönninger-Krabbenfischern und bemerkte eine Marktlücke: «Da kamen die Gäste an und fragten: Habt ihr auch Aale?» Die Fischer hatten keine und so startete Gosch damit, am Strand Aale aus einem Korb zu verhökern.

Mit Erfolg: 1972 schuf er am Lister Hafen den nördlichsten und wahrscheinlich populärsten Fischimbiss der Republik. Im Angebot waren jetzt auch Fischbrötchen. «Ich konnte ja nicht auf der Straße Brötchen schmieren», sagt Gosch. Schnell wurde der nur vier Quadratmeter große, einfache Stand weit über die Inselgrenzen hinaus bekannt und zu einer der berühmtesten «Fischbuden» Deutschlands.

Uwe Behrens, Gründer des legendären Strandlokals «Buhne 16» in Kampen, kennt Gosch schon lange und erinnert sich gut an «Jönnes» erste Jahre auf Sylt. «Er hat bei uns das Haus verputzt, damals noch schwarz», sagt der 80-Jährige, der auch als Sylter-Surflegende bekannt ist. Seine Brüder, ebenfalls Handwerker, hatten den jungen Tönninger auf einer Baustelle kennengelernt. Ein «lustiger und sehr guter Typ» sei dieser, zudem sehr fleißig. 

Über die Jahre machte der Friese mit Gosch-Lokalen und Imbissbuden auf Sylt sowie in vielen deutschen Städten sein Glück - und ein Vermögen. Mit gebratenen Scampi, Thai-Nudeln, Fischsuppe und Matjes können sich Hungrige zwischen dem Lister Hafen auf Sylt und dem Münchner Hauptbahnhof stärken. Auch eine eigene Fischfabrik auf dem Festland gehört zum Gosch-Imperium. 

Gosch braucht den Austausch und das Geschäkere mit den Gästen: Wenn er im Laden zwischen den Menschen steht, fühlt er sich lebendig. Zu weiblichen Verehrerinnen und Liebschaften möchte er sich aber nicht direkt äußern: «Ja, damals haben wir hier immer schöne Feste gefeiert», sagt er. Bei ihm im Laden sei es unkompliziert gewesen und die Leute hätten sich gehen lassen können.

Dass er wegen Corona seinen 80. Geburtstag nicht groß feiern kann, macht ihn traurig. Geplant hatte Gosch eine große Sause, mit Freunden und Weggefährten. Jetzt will er mit dem Wohnmobil wegfahren. Wohin? Das weiß er noch nicht. Wichtig ist ihm nur, an seinem Ehrentag nicht auf der Insel zu sein: «Was soll ich hier machen? Ich kann ja niemandem die Hand geben. Wenn dann ordentlich oder gar nicht.» dpa