Von Simone Andrea Mayer
Die klassische Küche stirbt. Nahezu in jedem Neubau sind die Grundrisse inzwischen offen - die Küche geht fließend ins Esszimmer über, und dieses geht fließend ins Wohnzimmer über. Es gibt keine trennenden Wände mehr. Und das heißt: Es gibt hier auch keine klassischen Küchen mehr, sagt Markus Majerus, Sprecher der Internationalen Möbelmesse IMM Cologne in Köln (noch bis 22. Januar). Und der Trendforscher Frank A. Reinhardt glaubt, dass sich «die typischen Bezeichnungen Wohnzimmer oder Küche irgendwann auflösen».
Aber wie geht es nun weiter? Ist nicht die Küche das Herz der Wohnung? Findet nicht jede gute Fete in der Küche statt? Ist die Party nun vorbei?
Auf keinen Fall! Das Gegenteil trifft zu, sagen Trendexperten wie Majerus. Der offene Grundriss und die daraus resultierende Verschmelzung von Wohnzimmer und Küche zur Wohnküche fördern das Zusammenleben und die Kommunikation. Statt dass sich der Koch hinter Türen und Wänden versteckt, wird das Zubereiten des gemeinsamen Essens zum Event im offenen Wohnbereich - gleichermaßen im Rahmen des normalen Abendessens der Familie oder eben mit Freunden bei einer Geburtstagsfeier. Und nach dem Essen bleibt man im Küchen-Ess-Bereich sitzen, quatscht, spielt, trinkt - und feiert.
Allerdings verlangt dieses Konzept neue Möbel und neue Geräte. Diese sollten gestalterisch mit den Möbeln in anderen Räumen korrespondieren - am besten sogar aufeinander abgestimmt sein. Statt drei Räume für Essen, Kochen und Wohnen mit drei Möbelsets, richtet man nun einen einzigen Bereich ein. Die Folge: «Im Grunde fragt man sich inzwischen schon, wo genau ist denn nun die Küche?», sagt IMM-Sprecher Majerus. So stark würden Küchenschränke inzwischen aussehen wie klassische Schrankwände aus dem Wohnzimmer.
Wie sieht das im Detail aus?
- Vitrinen und Bücherregale: Lange Zeit gab es das nicht - jeder Küchenschrank hatte eine blickdichte Tür. Wer will schon die Vorräte sehen? Inzwischen kombinieren viele Hersteller verschiedene Regaltypen im Kochbereich: In offenen Regalen stehen Teller oder auch die Büchersammlung aus dem einstigen Wohnzimmer. In Glasvitrinen steht Schnickschnack genauso wie eine Sammlung hübsch angeordneter Gläser mit Vorräten. Und es gibt natürlich noch geschlossene Schränke - «den Mülleimer will man ja nach wie vor verstecken», betont Reinhardt. Mancher Hersteller geht sogar schon so weit und entwirft zueinander passendes Küchen- und Wohnzimmermobiliar.
- Kücheninsel: Eine der wichtigsten, und beliebtesten Veränderungen in Küchen ist die Kücheninsel. Ihr Anteil am Markt wächst langsam, aber er wächst. Sie findet Platz, wo zuvor Wände standen, und wird ein gestalterisches Zentrum des neuen Küchen-Wohnbereichs. Und die Designer suchen neue Ideen dafür: Michael Hilgers hat zum Beispiel für Ballerina Küchen auf der IMM eine ypsilonförmige Insel vorgestellt. Die Form macht sie flexibel einsetzbar, auch in der kleinen Stadtwohnung - sie kann frei stehen, von einer Wand abgehen oder aus der Küchenzeile herausragen. Noch sind diese Lösungen allerdings etwas für den Premiumbereich, sagt Thomas Grothkopp, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Möbel und Küchen.
- Bequemere Sitzmöbel: Ein großer Trend sind aktuell die von der Branche gehypten gemütlichen Sitzbänke zum Esstisch. «Wir wollen die Gemütlichkeit aus dem Wohnzimmer in den Essbereich kriegen», erklärt Leo Lübke, Inhaber von COR. In einem offenen Wohnraum übernimmt schließlich die Essgruppe vermehrt die Funktion des Sofas. Hier bleibt man auch nach dem Essen lange sitzen.
- Geräte hinter Türen: Haushaltsgeräte sind ein Problem. Sie erinnern einfach immer daran, dass hier nun mal die Küche und nicht das Wohnzimmer ist. So mancher Küchenhersteller löst das Problem, indem er Geräte konzipiert, die ein wesentliches Merkmal verlieren: ihren Metallgriff. Die IMM-Neuheit seamless combination von Neff mit integriertem Griff zum Hochkippen ist daher nun flächenbündig. Das bringt neue Gestaltungsmöglichkeiten für die Küche mit sich: Neff-Designchef Ralf Grobleben schlägt vor, diese Backöfen hinter Schiebetüren am Regal zu verbergen.
Einen anderen Lösungsansatz bietet die Schrankkombination PIA von Dizzconcept: Die aufklappbare Front hält den Flachbildschirm und bietet sogar ein paar Regalen Platz, dahinter befindet sich eine kleine Küchenzeile. In diese Entwicklung gehören auch die vielen neuen, nahezu unsichtbaren Dunstabzüge, die im Kochfeld integriert sind oder direkt daneben eingebaut werden.
- Geräte werden hübscher: Viele Hersteller verändern ihre Geräte auch optisch, damit sie sich besser in den Wohnraum einfügen. So setzen sie zum Beispiel auf verbindende Gestaltungselemente wie abgestimmte Leisten. Stehen die Geräte in der Küchenzeile neben- oder übereinander, wirken sie nun wie eine Einheit.
Die Veränderungen betreffen oft so kleine, nicht relevant erscheinende Details wie eben Leisten. Sie wirken allerdings in der Summe. Ein weiteres Beispiel: Siemens-Chefdesigner Gerhard Nüssler nutzt für die Front der neuen Geräteserie StudioLine Grauglas. Dieses wirkt nahezu schwarz und ist fast undurchsichtig, wenn der Ofen ausgeschaltet ist - man sieht also den leeren Ofenraum nicht mehr, der ja das Gerät als Küchengerät entlarven würde. Außerdem schätze der Mensch schwarzes Glas, erklärt Nüssler: Es verspreche die Funktionalität von Smartphones und andere Bildschirmen. «Ob wir es uns eingestehen oder nicht: Ein Großteil von dem, was Spaß macht, findet hinter so einem schwarzen Screen statt.» dpa