Erstmals seit Langem könnten im vergangenen Jahr nicht mehr Touristen nach Berlin gekommen sein und damit ein Trend enden. Die Branche hatte bis einschließlich Oktober zwar erneut mehr Übernachtungen (plus 1,1 Prozent) und mehr Gästeankünfte (plus 2,7 Prozent) im Vergleich zum Vorjahreszeitraum registriert. Mit dem Ende von Air Berlin seien aber viele Flugverbindungen weggefallen, sagte Tourismuswerber Burkhard Kieker am Montag. Für das Gesamtjahr erwartet er deswegen höchstens noch ein kleines Plus, wahrscheinlich eher eine Stagnation.
Deutschlands Hauptstadt hatte lange eine wachsende Zahl an Gästen angezogen. 2016 verbuchten Hotels und andere Unterkünfte mehr als 31 Millionen Übernachtungen, allerdings hatte sich das Wachstum bereits verlangsamt. Nun könnten die Übernachtungszahlen das erste Mal seit 2003 stagnieren. Das Statistische Landesamt legt die Bilanz in einigen Wochen vor.
Die Flugausfälle bei Air Berlin im Frühjahr und die spätere Insolvenz der Airline hätten sich viel stärker ausgewirkt als etwa der Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt, sagte Kieker. Für das neue Jahr ist er aber zuversichtlich. Easyjet und Eurowings würden die Lücken im Flugbetrieb teilweise füllen. "Das rettet uns." Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) widersprach der Sorge, dass mit Easyjet noch mehr Partytouristen kommen könnten. Die Fluglinie übernehme die Gäste, die vorher Air Berlin genutzt hätten.
Dass Berlin jahrelang Tourismusrekorde verbucht hat, kam Hotels, Restaurants und Museen zugute. In manchen Kiezen aber sind Touristen ein Reizthema, etwa in Ecken von Kreuzberg und Neukölln. Pop will deswegen ein Tourismuskonzept vorlegen, das auch klären soll, wie sich Touristen mit dem Leben in der Stadt vereinbaren lassen.
Das Konzept soll bei der Senatsklausur am 30. Januar beschlossen werden. Andere Städte wie Barcelona und Amsterdam hätten inzwischen mit Akzeptanzproblemen in der Bevölkerung zu kämpfen - so weit solle es nicht kommen, betonte die Senatorin. Das Budget für die Reinigung von Parks werde bereits verdoppelt, das Konzept für öffentliche Toiletten erneuert. Ebenso werde über einen Bürgerbeirat diskutiert, der wie ein Frühwarnsystem funktionieren könnte.
Auch die Bezirke sollen stärker eingebunden werden. Wer etwa als Wassersportler Berlin besuche, müsse nicht zwingend in Mitte wohnen, bemerkte Pop. Tourismuswerber Kieker will zudem besser erforschen, was Stadtbesucher eigentlich machen. Er arbeitet an einer digitalen Form der "Welcome Card", die Touristen kaufen können, um Bahn, Busse und Vergünstigungen zu nutzen. Aus dem Papierticket soll nach Kiekers Vorstellungen eine Chipkarte werden, mit der sich dann verfolgen lasse, wo Urlauber sie einsetzen.
Kieker will es auch möglich machen, dass Karten für verschiedene Veranstaltungen künftig über eine zentrale Plattform buchbar sind. Für 2018 ist er nicht nur wegen der neuen Flugverbindungen optimistisch. In diesem Jahr gebe es auch viele Kongresse, beispielsweise die Bahn-Messe Innotrans. Auch die Ausstrahlung der TV-Serie "Babylon Berlin" wollen die Tourismuswerber für die Stadt nutzen. Kieker hofft deswegen für 2018 wieder auf ein Plus bei den Übernachtungen von mindestens zwei Prozent. dpa