Von Pauline Sickmann
Hotelbewertungen sind bei Reisebuchungen im Internet allgegenwärtig. Urlauber schätzen die Meinungen der anderen. Wer auf den großen Portalen wie Booking, Expedia und Holidaycheck unterwegs ist, dem fällt auf: So richtig schlechte Bewertungen gibt es nur selten.
Hotelbewertungsportale haben den Innovationswert der Anfangsjahre verloren - so sieht es Axel Jockwer, Experte für Online-Touristik. "Die revolutionäre Kraft existiert nicht mehr, die einzelne Bewertung verliert an Bedeutung." Das liege auch daran, dass viele Bewertungen nicht aussagekräftig seien.
"Es ist mittlerweile wirklich bei jedem in der Hotellerie angekommen, dass modernes Marketing ohne Bewertungen nicht mehr funktioniert", sagt Jockwer. Deshalb werde die Darstellung auf den Webseiten so angepasst, dass jedes Hotel möglichst gut dasteht - für jeden Typ von Urlauber. Wie großder Unterschied zwischen einer Bewertung von 9,3 und 8,2 wirklich? Das lässt sich oft ist kaum sagen.
"Wenn ein Hotel zu 99 Prozent weiterempfohlen wird, dann sollten die Nutzer vorsichtig sein. Es gibt auch bei Hotels nicht die eierlegende Wollmilchsau", warnt der Experte. Dafür sind die Ansprüche der Reisenden einfach zu unterschiedlich.
Wie die Bewertungen zustande kommen, ist fast auf allen Portalen ähnlich, ob bei Booking, Holidaycheck, Expedia oder Tripadvisor: Nutzer geben nach dem Besuch eines Hotels auf der Website eine Bewertung ab. Diese dient anschließend anderen als Orientierung bei der Hotelwahl. Zunächst können Bewertende meist ein Gesamtnote abgeben. Dann gibt es die Möglichkeit, im Fließtext vom Besuch zu erzählen. Außerdem lassen sich einzelne Kategorien bewerten: Lage, Zimmerausstattung, Preis-Leistungs-Verhältnis.
Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Die Bewertungen sind für Urlauber immer noch sehr wichtig. "Urlauber vertrauen anderen Urlaubern", gibt die Sprecherin von Tripadvisor, Susanne Nguyen, als Kernbotschaft aus. Laut einer Studie des IT-Verbands Bitkom von März 2016 nutzen rund 28 Prozent aller Reisenden Onlinebewertungen beim Buchen eines Hotel.
Gekaufte oder gefälschte Bewertungen seien entgegen der Sorge einiger Nutzer kein großes Problem, versichert Nguyen. Tripadvisor überprüft automatisch alle abgegebenen Urteile. Gibt es Auffälligkeiten, schaut ein Team noch einmal genau hin. Verdächtige Bewertungen, die durchrutschen, können Nutzer dem Anbieter melden.
Axel Jockwer bestätigt, dass gekaufte Bewertungen eine sehr geringe Rolle spielen. Er sieht das Problem an anderer Stelle: "Es gibt einen Anteil von Bewertungen in einer Grauzone." Diese entstehe dadurch, dass Hotelbetreiber zum Beispiel gezielt Gäste zu einer Bewertung motivieren, die vom Aufenthalt ohnehin begeistert waren. Urlauber können einige Ratschläge beachten, um das beste Hotel für die eigene Reise zu finden:
- Nutzer sollten sich auf ein bis zwei Hotel- und Bewertungsportale beschränken, anstatt das Netz querbeet zu durchsuchen.
- Die Suche mit Filtern nach bestimmten Kategorien und Wünschen erleichtert bei der Fülle an Bewertungen die Suche nach dem richtigen Hotel erheblich. Nutzer sollten sich fragen, was ihnen wirklich wichtig ist und dann diese Aspekte berücksichtigen.
- Drei ausführliche Bewertungen zu lesen reicht oft, um das Hotel grob beurteilen zu können.
- Nutzer sollten auf die Sprache der Bewertungen achten, da sie von Wortwahl, Zeichensetzung und Satzbau Rückschlüsse auf die Person ziehen können, die eine Bewertung geschrieben hat.
- Das Bildmaterial, das Nutzer hochgeladen haben, ist in der Regel aussagekräftiger als die Bilder von der Hotelwebsite. Deshalb genau hinschauen, woher die Fotos im Bewertungsportal stammen.
Meist lieferten die Bewertungsportale nur wenige Informationen über den Verfasser einer Bewertung, sagt Jockwer. Denn oft seien nur Basisdaten zu den Nutzern hinterlegt. Alter und Geschlecht reichten jedoch nicht aus, um zu erkennen, ob die Bewertung den Ansprüchen des Hotelsuchenden entspricht. "Prinz Charles und Ozzy Osbourne sind beide Briten und gleich alt, haben aber mit Sicherheit andere Vorstellungen von einem perfekten Hotel."
Axel Jockwer selbst war maßgeblich am Aufbau von Holidaycheck beteiligt. Er sagt: Es gibt bei den Portalen noch viel zu tun. "In Zukunft sollten die Filtermechanismen stärker ausgebaut werden." Eine riesige Masse an Bewertungen hilft nicht sonderlich. Besser sei es, nach Reisetypen zu unterscheiden, etwa alleinreisende Geschäftsleute oder Familien mit Kindern. In Ansätzen gibt es das schon. In Zukunft könnten Filter noch besser dabei helfen, das Wunschhotel zu finden.
Laut Tourismusreferentin Miriam Taenzer vom Bitkom stehen die Portale für Hotels und Hotelbewertungen immer stärker in Konkurrenz zu Internetgrößen wie Google oder Amazon. "In den USA hat Amazon gerade den eigenen Hotelfinder gelauncht. Und Google spricht Nutzer offensiver an als herkömmliche Hotelbewertungsportale." Für den Nutzer mag das am Ende egal sein: Die Unterschiede zwischen den Portalen sind für Verbraucher oft nicht auf Anhieb zu erkennen. dpa