Von Christiane Gläser
Die fränkischen Winzer haben ihre typische Weinflasche, den Bocksbeutel, optisch generalüberholt. Für das neue Design der Flasche, das moderner, frischer und eleganter wirken soll, zeichnet der bekannte Hamburger Designer Peter Schmidt verantwortlich. Die Grundform des Bocksbeutels ist nach wie vor eher rund und gedrungen. Doch die Flasche ist nun weniger bauchig und mit Kanten versehen worden. «Gerade jetzt, wo wir den regionalen Trend in der Wirtschaft verspüren, ist es wichtig, dass wir uns zu diesem identitätsstiftenden Symbol bekennen», sagte Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU) am Freitag in Veitshöchheim (Landkreis Würzburg).
Die Franken lassen fast nichts auf ihren guten alten Bocksbeutel kommen. Egal, wen man fragt - er stimmt sofort ein Loblied auf die runde Flasche an. «Markenzeichen für Qualität aus Franken», «Botschafter des Frankenweins» und «Alleinstellungsmerkmal», das sind nur ein paar Aussagen, die immer wieder von Winzern, Weinköniginnen und Kellermeistern der Region mit dem Bocksbeutel in Verbindung gebracht werden.
Um künftig auch das Adjektiv «modern» hinzufügen zu können, haben der Fränkische Weinbauverband und die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) der Flasche nun eine Verjüngungskur verordnet.
Dafür haben sie die Designer-Ikone Peter Schmidt ins Boot geholt. Der Hamburger hat zuvor schon den Flaschen von 4711-Kölnisch Wasser und Apollinaris einen neuen Schliff gegeben. Der Design-Experte ist leidenschaftlicher Weintrinker, in Bayreuth geboren und fühlt sich dem Frankenwein verbunden. Der Kontakt zu den Franken kam 2010 zustande, weil sie ihn für eine Podiumsdiskussion mit dem Titel «Wein und Architektur» gewinnen wollten.
«Ich mache das wahnsinnig gern», sagte er damals. Hatte aber auch eine Bedingung: «Wir müssten unbedingt auch was an der Flasche machen, die ist ein bisschen zu altbacken, bauchig und kauzig», sagte der heute 78-Jährige damals zu Hermann Kolesch von der LWG und den Chefs des Fränkischen Weinbauverbandes. Mit Schmidt saß dem Trio einer der erfolgreichsten deutschen Verpackungsdesigner gegenüber. Auf sein Konto gehen der lilafarbene Kuh-Auftritt von Milka, Parfümflacons von Jil Sander, Hugo Boss und Strellson und die Markenauftritte von Idee Kaffee und der Bamberger Symphoniker.
Die Verantwortlichen stimmten schnell zu. Der erste Prototyp war weniger bauchig und hatte eckige Kanten. «Es war mir wichtig, am alten Design erkennbar zu bleiben und trotzdem was Innovatives auf die Beine zu stellen», sagt Designer Schmidt. Es ist ein beinahe flaconartiges Design. Von oben auf den Bocksbeutel draufgeschaut, laufen die Kanten wie ein X zusammen. «Er hat den Bocksbeutel grafischer gemacht», erklärt LWG-Präsident Kolesch.
Die Veränderung war längst überfällig. Abgesehen von technischen Anpassungen hat sich der Bocksbeutel in den vergangenen Jahrzehnten kaum verändert. «Er wurde ovaler, er wurde runder, er wurde länger. Aber das waren meist technische Veränderungen. Nun passen wir das Markenzeichen erstmals dem Zeitgeist an», sagt Kolesch weiter.
Auch die Marktforschung zeigt die positiven Auswirkungen der Bocksbeutel-Generalüberholung. Beschrieben die Testgruppen die alte Frankenwein-Flasche noch als «behäbig», «nicht aufregend», «der Tradition verpflichtet» und zuweilen sogar als «Grabvase», so fielen ihnen für die neue Flasche Bezeichnungen wie «überraschend cool», «demonstriert Stärke» und «jung, modern, spritzig» ein.
Doch das neue Design stellte die Glashütten vor Schwierigkeiten. An den oberen Kanten war das Glas plötzlich zu dünn und drohte, beim Transport oder der Stapellagerung zu brechen. Es wurde also immer wieder neu designt und neu getestet. Der Produktionsstart musste deshalb verschoben werden.
In Franken, Bayerns wichtigstem Weingebiet, werden jährlich bis zu 45 Millionen Flaschen Frankenwein abgefüllt. Etwa ein Drittel davon sind Bocksbeutel.
Pflicht ist der neue Bocksbeutel für die Winzer nicht. Wer möchte, macht mit. «Es ist eine Evolution und keine Revolution», betont Geschäftsführer Hermann Schmitt vom Fränkischen Weinbauverband und der Gebietsweinwerbung. Denn natürlich ist die Umstellung für die Winzer auch mit Kosten und Zeit verbunden. Maschinen und Etikettiermaschinen müssen umgerüstet werden. Bislang kostet ein Bocksbeutel etwa 30 bis 40 Cent, über den Preis für die neuen Flaschen verhandeln die Hersteller noch mit den Franken.
Viele Winzer stehen der Neuentwicklung offen gegenüber. Doch sie sind auch skeptisch, aufgrund der Bruch- und Stapel-Probleme im Entwicklungsprozess. Einige wollen deshalb zunächst die Erfahrungen anderer Winzer abwarten und solange weiter die alten Flaschen befüllen. Die Winzergenossenschaft GWF will 2016 komplett umstellen. «Wir gehen davon aus, dass wir - wenn alle Parameter stimmen - im zweiten Quartal 2016 komplett umstellen könnten», sagt GWF-Vorstandsvorsitzender Andreas Oehm dazu. Die GWF produziert etwa ein Fünftel des Frankenweins. Mehr als fünf Millionen Bocksbeutel füllt die Winzergemeinschaft Jahr für Jahr ab.
Die LWG und der Weinbauverband hoffen dennoch, dass die Winzer sich von der neuen Form genauso schnell überzeugen lassen wie vom Schraubverschluss statt des Korkens vor einigen Jahren. «Das hat überraschenderweise nur zwei bis drei Jahre gedauert. Mittlerweile ist der Drehverschluss Standard», sagt Schmitt.
Von der neuen Flaschenform erhoffen sich die LWG und der Verband auch, dass sie damit dem rückläufigen Trend des Bocksbeutels vor allem bei der jüngeren Generation gegensteuern können. «Wir wollen, dass man sich die Flasche wieder gern auf den Tisch stellt», sagt Kolesch. dpa
Geschichte des Bocksbeutels
Der Bocksbeutel klingt für Nicht-Franken zunächst vor allem komisch. Das Wort könnte sich Experten zufolge sowohl vom niederdeutschen Booksbüdel (Bücherbeutel) als auch vom Hodensack eines Ziegenbocks ableiten.
Die Flaschenform an sich ist schon sehr alt und geht zurück auf oft lederne Feldflaschen. Weiteres Vorbild waren die Pilgerflaschen aus Glas oder Keramik. Auch sie waren eher kugelig und in der Mitte flach gedrückt. Das hatte den Vorteil, dass sie nicht wegrollten und eng am Körper getragen werden konnten, ohne zu stören.
Typisch für den Frankenwein ist der Bocksbeutel seit mindestens 1728. In diesem Jahr beschloss die Stadt Würzburg, dass nur die edelsten Tropfen des Bürgerspitals in die bauchigen Flaschen gefüllt werden durften.
Heute sind in den Bocksbeuteln qualitativ hochwertige Weine vor allem aus Franken zu finden. Auch Winzer aus dem geografisch nahen Baden nutzen die Flaschenform. Zudem ist sie in Portugal gebräuchlich und wird auch in Griechenland und Norditalien verwendet. Der Begriff Bocksbeutel ist von der Europäischen Union als geschützter Begriff anerkannt.
Schlegelflasche, Bocksbeutel, Rheingau-Flöte und Sachsen-Keule
Deutschland hat 13 Wein-Anbaugebiete und mindestens vier verschiedene Flaschenformen. «Gebietstypische Flaschen sind nicht selten. Die Anbaugebiete versuchen, sich mit der eigenen Flaschenform auf dem Markt zu profilieren», sagt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut mit Sitz in Mainz. Ein Überblick:
SCHLEGELFLASCHE: Das ist die bekannteste Flaschenform. Es handelt sich dabei nämlich um eine ganz normale längliche Weinflasche. Sie fast meist 0,75 Liter und hat eine von unten nach oben gerade laufende Linie. Sie wird vornehmlich für Weißwein und Dessertweine genutzt.
BURGUNDERFLASCHE: Sie ist ebenfalls eine Hochflasche, die allerdings am Bauch ein bisschen fülliger ist. Sie wird meist für Rotwein verwendet.
BORDEAUX-FLASCHE: Sie hat sozusagen Schultern. Die Flaschenlinie ist gerade und läuft erst im oberen Bereich eng auf den Verschluss zu. In diese Flaschen werden vor allem Rotweine (grünes Glas), aber auch Weißweine (weißes Glas) abgefüllt.
BOCKSBEUTEL: Kleine kugelige Form mit flach gedrücktem Bauch. In diese Flasche kommen per Verordnung nur hochwertige Weine - meist sind sie aus Franken. Aber auch Winzer aus Portugal, Baden-Württemberg, Nord-Italien und Griechenland verwenden diese Flaschenform für ihre Weine.
SACHSEN-KEULE: Wie der Name schon verrät, wirkt diese Flaschenform wie eine Keule. Sie ist unten schmaler als in der Mitte und läuft dann wieder gerade auf den Verschluss zu. Mit dieser Form sollte der Wein aus dem Elbtal sofort erkennbar gemacht werden.
RHEINGAU-FLÖTE: In die Flöte, die schmaler als eine normale Weinflasche ist, kommt nur Qualitätswein aus dem Rheingau. Sie ist mit ihren 35 Zentimetern höher als andere Weinflaschen - nebst Wulst als Abtropfrand an der Flaschenöffnung.