Weinbau in Niedersachsen Winzer setzen auf Herkunftsbezeichnung

Von Elmar Stephan

Schnurgerade fährt langsam ein Traktor das abschüssige Feld am Ortsrand von Bad Iburg hinunter. Vorne an der Maschine lockert eine Vorrichtung den Boden auf. Hinten sitzen auf einem kleinen Wagen zwei Helfer, die Metallstäbe in eine Maschine geben, die diese in den Boden steckt. An den Metallstäben hängen kleine Setzlinge für Weinreben. Mit einem zentimetergenauen Abstand wird hier ein Weinberg gepflanzt. «Der Trecker ist GPS-gesteuert», sagt Winzer Jan Brinkmann. Das garantiert, dass die Reben gerade gepflanzt werden. Und auch für den genauen Abstand der Pflanzen wird GPS-Technik eingesetzt.

Professioneller Weinbau in Niedersachsen ist seit 2016 wegen einer Änderung von EU-Richtlinien möglich. Seitdem hat sich bereits eine kleine Winzer-Szene entabliert. Derzeit wird Wein auf einer Fläche von rund 22 Hektar angebaut. Genehmigungen gibt es sogar für 36 Hektar Rebfläche, heißt es vom zuständigen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Laves). Noch vor drei Jahren waren es 22 Hektar - die Fläche wächst also weiter.

Es gibt auch schon einen Niedersächsischen Weinbauverband, dessen Vorsitzender Brinkmann ist. Etwa 30 Mitglieder habe der Verband derzeit, sagt er. Das ist winzig im Vergleich mit dem klassischen Weinerzeugungsland Rheinland-Pfalz, wo 6550 Weinbaubetriebe auf 64 845 Hektar jährlich rund 6 Millionen Hektoliter Wein erzeugen.

Jan Brinkmann und sein Vater haben 2018 mit dem Weinanbau südlich von Osnabrück angefangen. Nun hat er eine weitere Südhanglage angelegt und dort rund 2500 Pflanzen gesetzt. Dazu beauftragte er einen Lohnunternehmer aus Würzburg, der mit seinem Traktor nach Niedersachsen gekommen ist. Es wird noch eine Weile dauern, bis der Wein getrunken werden kann, der auf dieser neuen einen Hektar großen Fläche angebaut wird. Brinkmann schätzt etwa 2000 Arbeitsstunden. «Mit der ersten Ernte rechnen wir im besten Fall schon 2024», sagt er. Es könnte aber auch 2025 werden. Wenn der Berg erst einmal im Vollertrag stehe, könne er einige Tausend Flaschen Wein bringen.

Es sei davon auszugehen, dass der Weinanbau auch in Niedersachsen in den nächsten Jahren weiter wachsen werde, sagt Christian Schwörer, Generalsekretär und Geschäftsführer des Deutschen Weinbauverbandes. Dass die Weinbauern im Norden zu den traditionellen Winzerregionen im Süden Deutschlands aufschließen oder gar den Rang ablaufen könnten, sehe er nicht: «Der Weinbau wird sich entwickeln, aber in einem kleinerem Rahmen.»

In der Landwirtschaft gibt es kaum einen Bereich, der so genau kontrolliert und geregelt ist wie der Weinbau. Wer Wein professionell anbauen will, darf die Reben nicht einfach drauflos pflanzen, sondern muss bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) einen Antrag stellen. Deutschlandweit darf die Weinanbaufläche jedes Jahr um 0,3 Prozent wachsen. «Vor diesem Hintergrund ist nur ein sehr moderates Wachstum möglich», sagt Schwörer.

Aber könnte es nicht sein, dass aufgrund des Klimawandels mit seinen wärmeren und trockeneren Sommern und seinen extremeren Wetterlagen auch süddeutsche Winzer nach Anbauorten im Norden suchen? Im Einzelfall könne das mal sein, aber grundsätzlich sei nicht damit zu rechnen, dass sich der Weinanbau nach Norddeutschland verlagere, erklärt Schwörer. Bislang sei beim Weinbau die Wasserversorgung auch trotz Trockenheit und Klimawandelfolgen sicher, abgesehen von einigen Extremstandorten.

«Da spielen auch noch andere Dinge eine Rolle», sagt Schwörer und verweist auf die Kulturlandschaft, die Tradition und den Tourismus. Das Thema Herkunft sei bei der Vermarktung des Weins sehr wichtig: «Badischer Wein, Pfälzer Wein, Wein aus Rheinhessen - das können sie nur dann anbieten, wenn die Trauben auch entsprechend angebaut worden sind.»

Auch die niedersächsischen Weinproduzenten würden gerne mit der Herkunft ihrer Produkte werben, dürfen dies aber noch nicht. Regionale Bezeichnungen sind rechtlich derzeit nicht möglich. Eine solche Bezeichnung müsste die EU erst zulassen. Voraussetzung dafür wäre, dass der Wein über eine geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.) oder eine geografisch geschützte Angabe (g.g.A.) verfügt.

Ein Antrag ist allerdings noch nicht gestellt, sagt Brinkmann. «Der Entwurf ist im Verband in Arbeit.» Die Arbeit an dem Antrag sei für die Winzer-Neulinge nicht einfach. Er hoffe, dass der Antrag noch in diesem Jahr gestellt werden könne - vielleicht noch in diesem Sommer.

Für einen erfolgreichen Antrag an die EU müssen bestimmte Qualitätsvorgaben erfüllt werden, sagt Schwörer. Über den zweistufigen Antrag entscheidet zunächst die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, danach die EU. «Wenn Sie ein neues g.g.A-Gebiet schaffen wollen, ist das für die Erzeuger mit sehr viel Verwaltungsarbeit verbunden.» Aber es helfe auf jeden Fall bei der Vermarktung. «Wenn Sie sich einen größeren Namen machen wollen, dann müssen Sie in das System rein.» dpa