Italien hat mit einer guten Ernte den Spitzenplatz in der Weinproduktion von Frankreich zurückerobert. Weltweit brachten die Hersteller nach ersten Schätzung der Internationalen Organisation für Rebe und Wein rund 275,7 Millionen Hektoliter in die Keller. Das seien 2 Prozent mehr als im Vorjahr und ein «guter Durchschnitt», sagte Generaldirektor Jean-Marie Aurand in Paris.
Deutschland hält trotz eines leichten Rückgangs der erzeugten Menge den zehnten Platz. Die deutschen Winzer dürften demnach auf rund 8,8 Millionen Hektoliter kommen, 4 Prozent weniger Wein als im Vorjahr. Aurand begründete das nach seinen Angaben eher schwache Ergebnis mit dem Wetter.
Im Spitzentrio hat sich nur die Reihenfolge verändert: Italien kann sich über eine zehn Prozent höhere Produktion freuen und zieht mit 48,9 Millionen Hektolitern an Frankreich vorbei. Die Franzosen kommen auf 47,4 Millionen Hektoliter - die Spitzenposition hatte in den vergangenen Jahren mehrfach zwischen den beiden Ländern gewechselt.
Der Drittplatzierte Spanien fiel nach seinem Rekordjahr 2013 weiter auf ein durchschnittliches Ergebnis zurück und dürfte nun auf 36,6 Millionen Hektoliter kommen. Die drei traditionsreichen europäischen Weinländer stemmen damit fast die Hälfte der weltweiten Produktion.
Außerhalb Europas ging es vor allem in Chile aufwärts, mit einem Plus von 23 Prozent konnte das südamerikanische Land den Einbruch des Jahres 2014 mehr als wettmachen und einen neuen Rekord aufstellen. Die Vereinigten Staaten als größter nichteuropäischer Weinerzeuger blieben dagegen mit 22,1 Millionen Hektolitern auf Rang 4 annähernd stabil (plus 1 Prozent).
Das Gleichgewicht zwischen Angebot und die Nachfrage auf dem weltweiten Weinmarkt sei in etwa gesichert, sagte Aurand. Auch für die industrielle Verarbeitung etwa zu Brandy, Essig oder Vermouth sei genug da. dpa
Die Rangliste der weltweiten Weinproduktion
Die Weinlese ist weltweit etwas besser gelaufen als im Vorjahr. Die Internationale Organisation für Rebe und Wein schätzt die Weinproduktion 2015 auf 275,7 Millionen Hektoliter, das ist ein Plus von zwei Prozent. Die wichtigsten Produzenten (in Klammern Vergleich zu 2014):
1. Italien: 48,9 Millionen Hektoliter (plus 10 Prozent)
2. Frankreich: 47,4 Millionen Hektoliter (plus 1 Prozent)
3. Spanien: 36,6 Millionen Hektoliter (minus 4 Prozent)
4. USA: 22,1 Millionen Hektoliter (plus 1 Prozent)
5. Argentinien: 13,4 Millionen Hektoliter (minus 12 Prozent)
6. Chile: 12,9 Millionen Hektoliter (plus 23 Prozent)
7. Australien: 12 Millionen Hektoliter (nahezu unverändert)
8. China: noch keine Schätzung, Vorjahr: 11,2 Millionen Hektoliter
9. Südafrika: 11,3 Millionen Hektoliter (nahezu unverändert)
10. Deutschland: 8,8 Millionen Hektoliter (minus 4 Prozent)
Zu China liegen noch keine Zahlen für 2015 vor, die Organisation führt das Land vorläufig an achter Stelle.
Klimawandel schürt Sorgen im Weinimperium Frankreich
Nun haben die Italiener wieder die Nase vorn. Nach ersten Schätzungen kann Italien bei der Weinproduktion in diesem Jahr knapp an Frankreich vorbeiziehen. Kein Drama, seit Jahren geht der 1. Platz zwischen den Nachbarn hin und her. Doch wenn man andere Statistiken hinzuzieht, ergibt sich ein Bild: Frankreichs Ausnahmestellung in Sachen Wein hat Kratzer bekommen. Und manche Experten fürchten, dass die französischen Winzer durch den Klimawandel erst noch so richtig in die Bredouille kommen könnten.
Ob beim Anbau oder beim Verbrauch, internationale Trends relativieren die Position Frankreichs für das weltweite Weingeschäft. Neue Wettbewerber kommen auf den Markt, China baut inzwischen auf größerer Fläche Reben an als die Winzer in Burgund und Co. Auch beim nationalen Weinkonsum hat Frankreich den Spitzenplatz 2013 an die USA abgetreten. Was Gesundheitsexperten nicht bedauern: Statt wie einst 100 Liter trinkt jeder Franzose heute noch 42 Liter im Jahr. Eine kleine, schleichende Kulturrevolution.
Statt wie früher ein fester Bestandteil der Ernährung sei Wein auch für Franzosen zunehmen ein Genussmittel, sagt der Chef der Internationalen Organisation für Rebe und Wein, Jean-Marie Aurand. Es gebe eine zunehmende Internationalisierung sowohl der Produktion als auch des Verbrauchs.
Und der Trend ist längst nicht vorbei - im Gegenteil. Mit steigenden Temperaturen rechnen sich plötzlich ganz neue Regionen von Großbritannien bis nach Niedersachsen Chancen auf einen Platz im Weingeschäft aus.
Was dort Hoffnungen weckt, stellt ausgerechnet die traditionsreichen Châteaus um Bordeaux oder die Winzer im Burgund vor neue Herausforderungen. «Wenn man nichts ändert, wird das Klima von Bordeaux 2050 so sein wie heute in Sevilla, und der Bordeaux-Wein wird nur eine ferne Erinnerung sein», warnt der ehemalige beigeordnete Minister in einem Buch über die anstehende Klimakonferenz von Paris.
«Der südliche Teil Frankreichs ist mittelfristig echt bedroht», warnt der Autor Yves Leer. Er erzählt in einem Interview mit dem Fachmagazin «La Revue du vin de France», dass die ersten Effekte schon heute sichtbar seien: Die Trauben werden früher geerntet, der Alkoholgehalt des Weins steigt, das hat Auswirkungen auf den Geschmack. «Wir haben Unwetter, manchmal sehr heftig und sehr plötzlich, die wir vorher nicht hatten», sagte Arnaud d'Arfeuille, Winzer aus Saint-Émilion, dem Sender RMC.
Vor zwei Jahren prognostizierte eine amerikanische Studie Frankreich einen deutlichen Rückgang der Weinanbaufläche - allerdings zweifelten andere Experten schnell an den Annahmen. Der Forschungsdirektor des nationalen Agrarforschungs-Instituts Inra, Jean-Marc Touzard, betonte, dass Winzer sich anpassen könnten - höhere Lagen, um der Hitze auszuweichen, und andere Techniken. Allerdings: «Wenn der Verbraucher will, dass ein Bordeaux das bleibt, was ein Bordeaux heute ist, dann ist das eine weitere Herausforderung», sagte er dem Magazin «Paris Match». Er meint deshalb: Wer den Wein liebt, sollte auf einen Erfolg der Klimakonferenz hoffen.
Aurand von der Internationalen Organisation für Rebe und Wein betont, dass die Reben sehr anpassungsfähig seien - schließlich würde auch in sehr trockenen Regionen Wein produziert. Experten verweisen zudem darauf, dass Frankreichs Weinerzeuger auf eine lange Erfahrung zurückgreifen können, um mit den künftigen Entwicklungen klarzukommen - Alarmismus sei deshalb Fehl am Platz. Und schließlich haben die französischen Winzer nach wie vor einen Ruf zu verteidigen - Wein und Spirituosen stehen in Frankreichs Exportbilanz an dritter Stelle. dpa