Weingut Allendorf und seine Weinerlebniswelt

Wein kann man sehen, schmecken und riechen - aber erlebt man ihn auch bei jedem Licht gleich? Ulrich Allendorf, der selbst ernannte «Harry Potter der Winzer», hat auf seinem Weingut in Oestrich-Winkel eine Weinerlebniswelt geschaffen, die Besucher auf besondere Weise hinters Licht führt.

Ein Offenbacher Kochclub ist zu Besuch in der Weinerlebniswelt. Ulrich Allendorf lockert die Stimmung mit einem Scherz auf. «Wie beginnt jedes gute Rezept? Man nehme eine gute Flasche Wein und schütte sie in den Koch hinein.» Zunächst gibt es aber ein Glas Rosé - dazu Spundekäs, wie im Rheingau so üblich. Der Sekt ist schnell geleert. Das ist der Startschuss: Hinein in die Weinerlebniswelt, für die Allendorf rund 55 000 Euro investiert hat und nun auf zahlreiche Besucher hofft.

Der Winzer erzählt vom Wein, fast poetisch, man merkt ihm den Enthusiasmus an. «Wein ist nicht nur eine Flüssigkeit,» sagt er begeistert. «Wein ist reines Gefühl, das Lächeln auf den Lippen der Kunden, Wein ist Leidenschaft.» Beim letzten Wort wird seine Stimme kräftiger, er schreit fast. Die Besucher fahren zusammen.

Allendorf erklärt ihnen seinen Plan. Er wird den kahlen Raum nun in verschiedenfarbiges Licht tauchen - erst rot, dann grün, danach noch blau und gelb. Dabei sollen alle den Wein probieren und «mal sehen, wie er schmeckt.» Die Besucher sind skeptisch. «Zweifler erkennen den Unterschied oft am schnellsten», sagt Allendorf.

Zunächst erleuchtet der Raum in intensivem Rot. Eben noch schmeckte der Riesling wie ein Riesling so schmeckt: frisch, fruchtig, etwas trocken. Im roten Licht ist der Wein «irgendwie süßer», sagen die Besucher. Ja, «irgendwie».

Bei 95 Prozent der Besucher funktioniere das Experiment, so Allendorf. Dem Winzer merkt man die Freude bereits an. «Lassen Sie uns nun einmal die Farbe des Frühlings ausprobieren», und schon ist der Raum grün ausgestrahlt. Die Besucher nehmen den nächsten Schluck. Viele zucken zusammen. «Und das ist immer noch der selbe Wein?», fragt eine Frau verdutzt. Ist er. Bei grünem Licht tritt die Säure aber sehr viel stärker hervor.

«Menschen reagieren auf Farben», erklärt Allendorf. «Wir verlassen uns auf das, was wir sehen. Das entspricht aber häufig nicht der Realität.» Der Kochclub aus Offenbach soll dies nun am eigenen Leib erfahren. Im blauen Licht wirkt der Wein wie Wasser. Das Aroma ist fast vollkommen verschwunden.

Abschließend noch gelb. Der Riesling schmeckt deutlich angenehmer: Nicht zu süß, nicht zu sauer. Es sei weniger die Farbe, als vielmehr die Stimmung, in die man durch sie versetzt wird, erklärt Allendorf. Das bemerke man auch im Alltag. «Wenn Sie im Urlaub bei Sonnenuntergang entspannt eine Flasche Wein genießen, scheint alles perfekt. Daheim schmeckt der Wein dann aber häufig ganz anders.»

Auf geht es nun zur zweiten Station. Die Besucher werden in den liebevoll dekorierten Raum zurückgeführt, aus dem sie gekommen sind. Es wird nachgeschenkt. Nun zeigt der Winzer ihnen seine Aromabäumchen. In 18 Gläsern befinden sich verschiedene Düfte, die im Wein zu finden sind. Man riecht an Ananas und schmeckt, tatsächlich, Ananas. Der Duft in Reinform unterstützt die Geschmacksnerven. Wieder schafft es Ulrich Allendorf, die Besucher zu überzeugen.

Mit einem Glas Rotwein im etwas düsteren Weinkeller endet die etwa zweistündige Führung. Der Kochclub ist überzeugt. «Ich wusste, dass Farben einen großen Einfluss haben», sagt Bernd Starrmann. «Selbst erlebt habe ich so etwas allerdings noch nicht.» Auch Edda Hain ist begeistert. «Man lässt sich so leicht beeinflussen. Hier werden einem seine Schwächen vor Augen geführt.» (Sinikka Kenklies, dpa)

Übrigens: Eine wissenschaftliche Studie des Psychologischen Instituts der Johannes Gutenberg-Universität Mainz von Prof. Heiko Hecht belegt, dass das Umgebungslicht Einfluss auf das Geschmacksempfinden von Wein hat. Bei rotem Licht etwa wird der Wein süßer und fruchtiger wahrgenommen, bei grünem Licht wird ihm mehr Säure und Frische zugesprochen.

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