update: Wine-Pairing mit Joachim Wissler
An diesem Oktobermorgen verspricht es ein herrlicher Tag in der Ortenau zu werden: Bei spätsommerlichen Temperaturen reicht die Sicht weit über die Rheinebene bis ins Elsass, wo wir am Horizont das Straßburger Münster erahnen können. Hier im Kinzigtal am Rande des Schwarzwaldes thront über den Weinbergen das Schloss Ortenberg, Namensgeber der Ortenau und des Weingutes. Was für ein majestätischer Ort mit Weinbergen, die wie von Künstlerhand gemalt scheinen. Jeder Hektar atmet Geschichte: Auf nicht weniger als 600 Jahre blicken die beiden ursprünglich kommunalen Weingüter Hospitalweingut St. Andreas und das Weinbauversuchsgut Schloss Ortenberg zurück, bevor sie 1997 zu dem heutigen Namen fusionierten.
Über 20 Jahre hatte Thomas Althoff nach einem Weingut gesucht, mit dem er seine erlesene Perlenkette aus fein selektierten Hotels und dazugehörigen Gourmetrestaurants erweitern wollte. Mit der Übernahme des Weingut Schloss Ortenberg vom Ortenaukreis und der Stadt Offenburg hat er 2021 den perfekten Ort für sein Herzensprojekt gefunden. In einer Region mit großem Potenzial, die trotz engagierter Winzer:innen zu den wohl unterschätztesten zählt. „Seit dem 15. Jahrhundert ist der Weinbau überliefert. Mit einigen der besten Lagen Badens, einer langen Tradition und einem tollem Team ist das Weingut genau das, was ich mir vorgestellt habe.“, sagt der Hotelier. „Alle hier produzierten Weine passen auf die Karten unserer Hotels, so dass es Ortenberg-Wein erstmalig sogar in St.Tropez gibt. Aber auch über die eigenen Häuser hinaus möchten wir uns international als badisches Spitzenweingut positionieren.“
45 Hektar Anbaufläche umfasst das Weingut Schloss Ortenberg. Traditionsreiche Toplagen wie Schloss-, Andreas- und Spitalberg erstrecken sich um das Schloss (aktuell Sitz der Jugendherberge Ortenberg) und das ehemalige Versuchsgut. Letzteres dient nicht nur als Produktionsort, sondern neuerdings auch als moderne Vinothek mit Eventräumen und einem Fußbodenfenster in den herrlichen Barrique-Keller. Angebaut werden authochtone badische Rebsorten wie Klingelberger (der Ortenauer Name für Riesling), Spätburgunder, Grau- und Weißburgunder und Müller-Thurgau, aber auch internationale Sorten wie Chardonnay, Sauvignon Blanc, Merlot und Syrah.
Matthias Wolf, Gesa Noormann und Hanspeter Rieflin verkosten den neuen Wein - Foto Niko Rechenberg
Im Weingut treffen wir Geschäftsführer Matthias Wolf. Er setzt den Anspruch von Weinliebhaber Althoff in Ortenberg professionell um und wird uns als leidenschaftlicher Botschafter des neuen Geistes von Schloss Ortenberg begleiten. Der Stolz ist ihm anzumerken, als wir mit ihm durch die Weinberge fährt - im praktischen Kombi und immer mit geländetauglichen Schuhen im Kofferraum. Nach Stationen in Südafrika und Neuseeland kehrte der Weinbetriebswirt in seine Ortenauer Heimat zurück und leitet seit 2010 das damals noch kommunale Weingut. Während wir die neuangebauten PIWI-Reben begutachten, parliert er auf Französisch - seine Frau stammt aus Frankreich - mit den rumänischen Erntehelfer:innen über den Stand der Weinlese und den Zustand der Weinstöcke.
„Für mich ist die Verbindung zur Natur zutiefst befriedigend, trotz aller Anstrengungen, die der Weinbau mit sich bringt“ sagt Wolf. „Die Herausforderung ist, die Trauben genau dann zu ernten, wenn die physiologische Reife erreicht ist und so ihr maximales Potenzial auszuschöpfen. Der Kellermeister kann nur das veredeln (bzw. im schlimmsten Fall retten) was an Qualität aus dem Weinberg kommt. Die Natur verzeiht nicht - dann kann der Winzer nur auf das nächste Jahr warten.“ Deshalb ist Hanspeter Rieflin - seit 26 Jahren Kellermeister im Weingut Schloss Ortenberg - auch täglich in den Reben, um das Weinbaujahr zu begleiten und fachlich involviert zu sein.
Thomas Althoff setzte seinen langjährigen COO und ausgewiesenen Weinkenner Andreas Schmidt als Mit-Geschäftsführer ein und beauftragte den renommierten Weinberater Frank John. Nun werden die Böden der Weinbergen anhand von speziellen Bodenanlaysen und einer darauf aufbauenden organischen Düngung besser in Balance gebracht und für den Klimawandel fit gemacht. Die Mitarbeiter:innen wurden auf den sanften Rebschnitt geschult, der nun für einen verbesserten Saftfluss vom Stamm in die Triebe und somit bessere Trauben sorgt.
Viele Veränderungen also im Weingut Schloss Ortenberg, die sich nicht zuletzt in einer modernen Betriebsstylistik zeigen. Sie setzt auf schlankere Weine, die niemals fett und immer elegant sind. Dazu gehört eine Rückbesinnung auf das enorme Potential des Terroirs, das die Region so besonders macht. Während in der Ebene eher Löss und Löss-Tonböden dominieren, herrscht in der Höhe Granitgestein vor. Für diese höheren Lagen hat das Weingut Schloss Ortenberg einst die typische Ortenauer Querterrassierung entwickelt. „Mich fasziniert das einzigartige Terroir der Ortenau, das mit seinen Granit-Verwitterungsböden die DNA unserer Weine darstellt. Sie verleihen unseren Weinen eine mineralische Tiefe, während der warme Einfluss des Rheintals ihnen eine besondere Reife schenkt, die von den kühlen Winden aus dem Schwarzwald ideal ausbalanciert wird“ sagt Matthias Wolf.
Thomas Althoff und Matthias Wolf mit seinem Team scheinen ein ideales Match zu sein, und der Erfolg gibt ihnen auf ganzer Linie recht. Während bereits die Einstiegsweine einen hohen Qualitätsanspruch verfolgen, strebt besonders die neu eingeführte Premium-Linie an die Spitze. Mit einer bewussten Verbindung aus Tradition und Moderne nimmt sie den alten Weingutsnamen Sankt Andreas wieder auf und punktet mit ersten und großen Gewächsen aus den Toplagen von Schloss Ortenberg. Nach zwei Jahren Bemühungen zeigen sich terrorgeprägte Weine mit immensem Potenzial, die bereits ahnen lassen, was in der Zukunft noch möglich sein wird. „Die Herkunft ist das Einzige, das dir niemand nehmen kann - unsere Weine müssen nach Granit schmecken“ erklärt Matthias Wolf. „Sie sind eher fruchtbetont mit gelbfleischigen Noten, würzig, leicht und pur. Wir produzieren Weine, die nie aus der Mode kommen werden.“
Der neue Stil auf Schloss Ortenberg hat sich in der Weinkritik bereits niedergeschlagen: Bei der Falstaff-Weinguide Prämierung 2024 wurden gerade elf der Weine mit über 90 Punkten bewertet, der 2022 Collection Sauvignon blanc et Sauvignon gris erzielte bei der Falstaff Sauvignon Trophy mit 93,5 Punkten den dritten Platz unter den besten Sauvignons Deutschlands. 2022 zeichnete Stephan Reinhardt von Robert Parkers Wine Advocate eine große Auswahl der Ortenberg Weine mit über 90 Punkten aus, davon die Weißweincuvée Furore mit stolzen 93 Punkten - quasi ein Ritterschlag.
Beim 2022 CUP Rot der GOURMETWELTEN siegte Schloss Ortenberg als bestes Weingut, beim 2023 Lagen CUP der GOURMETWELTEN wurden sieben der St. Andreas-Weine mit hohen Punktzahlen ausgezeichnet, und der Chardonnay Schossberg GG gehörte mit 92,8 Punkten zu den Top 3 in Baden. Die Ergebnisse der aktuellen Verkostung von Herausgeber Nikolas Rechenberg finden Sie am Ende dieses Artikels.
Während Matthias Wolf nebenbei noch eine Weinlieferung an ein stadtbekanntes Gourmetrestaurant organisiert, kehren wir an der frühmittelalterlichen Bühlwegkapelle vorbei wir ins Weingut zurück. Wir haben nicht nur mit dem Wetter Glück an diesem sonnigen Dienstag im Oktober: Wie von Gottes Hand geplant, fällt unser Besuch auf den letzten Tag der Weinlese. Die letzten Wagen mit Klingelberger (die badische Riesling-Traube wird traditionell zuletzt geerntet) fahren auf den Hof, der Duft von reifen Trauben erfüllt die Luft und die Weinberge erstrahlen in warmen Herbstfarben. Sorgfältig wurden die Trauben von Hand gepflückt, so dass nur die besten und gesündesten in die Kelter gelangen.
Zum Abschluss dieser Zeit der harten Arbeit und der Gemeinschaft feiert das Ortenberg-Team mit den Erntehelfer:innen den „Herbstabschluss“ („Herbst“ ist das badische Wort für „Weinlese“), der mit Kanonenschüssen, dem Verkosten des neuen Jahrgangs und einem gemeinsamen Essen gefeiert wird. Während wir das alte Kirchenlied „Großer Gott wir loben Dich“ anstimmen und die Sonne über dem Andreas-Berg untergeht, spüren wir die Faszination, die von der uralten Tradition, von den Früchten der Erde und der Leidenschaft der Menschen für den Wein ausgeht. Was für ein Tag, was für ein Team, was für ein Wein.
Sankt Andreas
Die Bewertungen des Premium-Labels Sankt Andreas von Nikolas Rechenberg
St. Andreas Chardonnay 1G Andreasberg 2022
Öffnet sich langsam, schöne nussige Aromen, macht Lust auf mehr und Salat mit Shrimps – 92,5 Punkte
St. Andreas Weissburgunder 1G Andreasberg 2022
Helle Würze, tolle Säurestruktur, Salz, geschliffen, ideal zur Forelle - 92-93 Punkte
St. Andreas Weissburgunder GG Steingrube 2021
cremig-elegant, rassig und klassisch, ein großer Tänzer, zu Meeresfrüchten - 94 Punkte
St. Andreas Grauburgunder 1G Andreasberg 2022
Karamell, Toffee, rund und balanciert, zu Geflügel - 92 Punkte
St. Andreas Grauburgunder GG In der Steingrube 2021
ölig, dunkle Würze, geheimnisvoll wie 1001 Nacht, zu Poularde, Lachs und Wild-Terrinen - 94 Punkte
St. Andreas Riesling 1G Andreasberg 2022
Salzig, mineralisch, rauchige Frucht, Trinkfluss, zu weißem Fisch - 93 Punkte
St. Andreas Riesling GG Im Geislesbrunnen 2021 aus dem Betonei
Cremig, salzig, dichter Druck, ein großer Wein und asketischer Held, zu Hummer, Lachs und Thunfisch – 96 Punkte
St. Andreas Riesling GG Schlossberg 2021
Frucht, feingliedrige Eleganz, Harmonie und Balance, großes Kino, zur Pute und zum Truthahn - 95 Punkte
St. Andreas Spätburgunder Alte Reben 2020
Rauchige Frucht, dezentes Leder, sehr gelungen, zur Jausen-Platte – 90-91 Punkte
St. Andreas Spätburgunder GG Schlossberg 2020
Leder, Druck, trotzdem tolle Balance, dichter Stoff, dunkle Schokolade, großes Potenzial, zum Hirschbraten – 93-94 Punkte
Collection Furore Sauvignon blanc et gris 2022
Ein touch Holz, dazu rassige grüne Töne, ausgezeichnet zu Ziegenkäse und Salat - 92 Punkte
Collection Furore Rotweincuvée 2020
Mainstream-Trinkfluss, dabei fruchtige Eleganz, schöner Einstiegswein, perfekt zum Wild – 92,5 Punkte