Mit der Ernte der letzten Eisweine Anfang Februar 2012 ging die Weinernte 2011 dem Ende zu, die mit einer gesamten Erntemenge von über 2,8 Mio. hl. endlich wieder die leeren österreichischen Weinkeller füllt.
Begonnen hat das Weinjahr 2011 mit einem recht strengen Winter, der da und dort auch für Frostschäden sorgte. Diese führten in den betroffenen Gebieten, wie etwa dem Weinviertel, später zu Ernteeinbußen. Dann aber kam der Frühling, und zwar pünktlich und mit aller Macht. Die überdurchschnittlich warme und sonnige Periode hielt bis zur frühen Weinblüte an, die unter optimalen Bedingungen erfolgte. Ein Wermutstropfen waren geringfügige Frostschäden durch eine kühle Woche Anfang Mai.
In der zweiten Junihälfte änderte sich die Großwetterlage und eine äußerst instabile und feuchte Phase folgte, die zum Leidwesen der Österreich-Urlauber den ganzen Juli hindurch anhielt. Kaum waren die ersten Befürchtungen zur Wachstumsentwicklung geäußert, wendete sich allerdings das Blatt in Gestalt eines sonnenreichen und warmen August, wobei ausgesprochene Hitzewellen größtenteils ausblieben. Dennoch war sorgfältige Weingartenarbeit gefragt, um beispielsweise den gefürchteten Sonnenbrand der heranwachsenden Beeren zu vermeiden. Für Terrassenlagen mit kargen Böden war eine Bewässerungsmöglichkeit ein Segen.
Das wichtigste Zeitfenster vor der Hauptlese war von einem wunderbar warmen Altweibersommer geprägt, der den ganzen September hindurch praktisch niederschlagsfrei bis zum 8. Oktober anhielt. Zu diesem Zeitpunkt etwa war die Ernte im Burgenland fast vollständig abgeschlossen. Diese sehr angenehmen Rahmenbedingungen waren auch den Rest des Oktobers weithin gegeben. Ein wenig von der österreichischen Winzerschaft gefürchtet wurde der Trockenstress, dem die Reben teilweise ausgesetzt waren. Die Situation wurde durch ungewöhnlich hohe Nachttemperaturen verschärft, was zu einem relativ raschen Absinken der Säurewerte führte. Die Hauptlese konnte zeitlich sehr gut eingeteilt werden, wobei anfangs nach Möglichkeit noch die kühleren Morgenstunden genutzt wurden, um nicht allzu aufgeheiztes Traubengut einzubringen.
Hohe Reife, zufrieden stellender Ertrag
Nach dem nun vorliegenden Zahlenmaterial wird sich die österreichische Gesamternte 2011 auf rund 2,8 Millionen Hektoliter belaufen, was etwas über dem langjährigen Durchschnitt und weit über den Ergebnissen von 2009 (2,35 Mio. hl) und 2010 (1,74 Mio. hl) liegt. Hier gibt es gebietsmäßig jedoch erhebliche Schwankungen, wie etwa ein frostbedingtes Minus im Weinviertel und ein fast zweistelliges Plus in der Steiermark, die diesmal von späten Adriatiefs und den gefürchteten Hagelschlägen, die anderswo punktuell aufgetreten sind, größtenteils verschont blieb.
Die beschriebenen Wachstumsvoraussetzungen haben naturgemäß zu einer sehr hohen Traubenreife und entsprechenden Alkoholgraden geführt, wie dies zuletzt etwa 2006 der Fall war. Die Extraktwerte liegen dabei in einem guten bis durchschnittlichen Bereich, die Säurewerte eher am unteren Limit. Selbst wenn die Säurewerte analytisch gesehen gering sind und im krassen Gegensatz zur überaus hohen Säure des Vorjahres stehen, wird dieses Merkmal sensorisch kaum je als Manko wahrgenommen. Die meisten Weißweine präsentieren sich sehr balanciert und harmonisch. Aufgrund der beschriebenen Witterung sind der Befall mit Peronospora und Oidium weitgehend ausgefallen. Glücklicherweise ebenso ausgeblieben sind Botrytis und andere Fäulnisformen, sodass im Regelfall überaus gesundes Traubengut zu reintönigen Mosten und Weinen verarbeitet werden konnte. Im Allgemeinen sind die Sortencharakteristika in markanter Weise wahr zu nehmen.
Für die niederösterreichische Leitsorte Grüner Veltliner kam es in der leichteren Kategorie darauf an, eine gute Balance zwischen Alkohol- und Säuregehalt sowie eine gewisse Frische und Rasse zu bewahren. In einzelnen Teilgebieten war es schwierig, die für bestimmte DAC-Herkünfte vorgesehenen Alkoholobergrenzen nicht zu überschreiten. Für Premiumweine der Reservekategorie und lagerfähige Lagenweine war der Jahrgang hingegen prädestiniert, bauen diese ja weniger auf jugendliche Lebendigkeit als auf Körperreichtum und Ausdauer. Ausgezeichnet geraten sind viele Weine der Burgunder-Gruppe. Vor allem die Weißburgunder sind bei hoher Reife so elegant und pointiert wie selten gelungen. Für unsere Rieslinge gilt sogar - über alle Gebietsgrenzen hinweg - ein Pauschallob. Sie präsentieren sich derart fruchtbrillant und klar, wie es in diesem Frühstadium äußerst selten ist. Bei den exotischen Raritäten lässt sich für Roten Veltliner wie für Rotgipfler und Zierfandler ebenfalls ein exzellentes Jahr voraussagen.
Gesamthaft betrachtet zeichnet sich somit für die trockenen Weißweine ein ausgereifter, zum Teil sehr kräftiger Weißweintyp von dezenter Säurestruktur ab, der qualitativ etwa zwischen dem der Jahrgänge 2006 und 2007 liegen könnte. Speziell die mächtigen, für die längere Lagerung vorgesehenen Weißweine stellen eine Klasse für sich dar. Ähnlichkeiten mit einstigen Hitzejahren, wie etwa 1992, 2000 oder 2003, sind nicht vorhanden. Einerseits war die Feuchtigkeitsversorgung im Frühsommer gut und extreme Hitzewellen blieben aus, andererseits haben Österreichs Weinbauern ihre Lehren aus den jahrgangsbedingten Erfordernissen vergangener Jahre gezogen.
Profunde Aromasorten und traumhafte Rote
Die Steiermark kann 2011 auf überaus ausgereifte Sauvignon Blancs und Muskateller hinweisen, die trotzdem die sortentypischen Fruchtnuancen und jene feinrassige Art besitzen, die sie etwas vom übrigen Wein-Österreich unterscheiden. Hier spricht man von einem Jahrgang, der den großen 2007er zumindest erreichen, wahrscheinlich sogar übertreffen dürfte. Auch hier und im Nordburgenland, das mit einer sehr frühen Ernte ausgewogene Weißweine erzielt hat, verweist man auf die besonderen Vorzüge der Burgundersorten.
2011 waren auch alle klimatischen Voraussetzungen gegeben, um tolle Rotweine zu keltern: Tiefdunkel funkeln sie im Glas und vereinen hohe Reife mit erstaunlicher Fruchttiefe und vornehmen, weichen Tanninen im Hintergrund. Vergleiche mit den ähnlich strukturierten, dichten 2006ern sowie den besonders fruchttiefen 2009ern bieten sich sofort an. Alles in allem könnten die hinreißenden 2011er die beiden letzten großen Rotweinjahre noch um ein Quäntchen übertreffen. Sie sind derart solide gebaut, dass sie für einen forcierten Barriqueausbau wie geschaffen erscheinen. Die euphorische Erwartung bezieht sich übrigens auf alle Rebsorten, also von Pinot Noir über St. Laurent, Zweigelt und Blaufränkisch bis zu den Bordeauxsorten, die bei entsprechender Wahl des Lesezeitpunkts in gleich blendender Weise reüssieren konnten. Aufgrund dieser Umstände werden auch nicht so bekannte Rotwein-Herkünfte in diesem Jahr gute Resultate liefern.
Nicht gerade günstig war das trockene Herbstwetter jedoch für die Erzeugung von Prädikatsweinen, da die Botrytis - und auch der Frost - erst sehr spät aufgetreten sind. Die Produktion wird sich daher im Großen und Ganzen auf die bekannten Süßwein-Hochburgen des nördlichen Burgenlandes beschränken. Mit kleiner, aber hochinteressanter Beute belohnt wurden allerdings die ganz Mutigen, die an einigen Stöcken die Trauben hängen ließen. In der ersten Februarwoche 2012 setzte der Winterfrost mit aller Härte ein, sodass in geringer Menge noch überaus hochgradige und konzentrierte Eisweine gelesen werden konnten.