Leere Keller, reife Trauben, frühe Lese: Auch in Baden-Württemberg beginnt in diesem Jahr die Weinlese einige Wochen früher als im Durchschnitt der Jahre. «Die Vegetation ist gut zwei bis drei Wochen voraus», berichtet Kilian Schneider, Präsident des Badischen Weinbauverbandes in Freiburg.
Für den Winzer vom Kaiserstuhl bedeutet dies, dass in großen Teilen des Weinbaugebiets Baden bereits am 5. September die Hauptlese der frühen Sorten wie Müller-Thurgau beginnen wird. «Die Bestände sind vital und absolut gesund. Um die Qualität mache ich mir keine großen Sorgen», erklärt Schneider. Lediglich am Bodensee seien die Reben «reifemäßig etwas zurück».
Traditionell beginnen die Winzer in den Offenburger Stadtteilen Zell-Weierbach und Rammersweier als erste Genossenschaften mit der Lese. Sie ernten schon in dieser Woche die Rebsorten Findling und Solaris, die sie als «Neuen Wein» verkaufen.
Andernorts geht es mit der Lese der bekannten Sorten, die später in die Flaschen kommen, spätestens in der zweiten September-Woche richtig los, glaubt Jürgen Bender vom Winzerkeller Wiesloch (Rhein-Neckar-Kreis). Die Reben in den Bereichen Kraichgau und Badische Bergstraße litten zwar bis vor einigen Wochen noch unter Trockenheit, aber auch hier sind die Bestände «kerngesund, zeigen keine Fäulnis und haben keine Pilze».
Deshalb will der Geschäftsführer der drittgrößten badischen Genossenschaft die Weißweine vom Jahrgang 2011 noch vor Weihnachten auf den Markt bringen. «Im Moment ist bei uns jeder Tank leer», begründet Bender die Eile.
Ähnliche Sorgen haben auch die Lauffener Weingärtner, Deutschlands größter Produzent von Schwarzriesling. «Bereits jetzt steht fest, dass wir die Nachfrage nicht decken können», sagt Vorstandschef Ulrich Maile. Alles deute in seiner Genossenschaft auf einen außergewöhnlich guten Jahrgang hin: «Ein herrlich gleichmäßiger Austrieb, sehr guter Fruchtansatz, optimale Wetterbedingungen.» Doch dann kam im Mai über Nacht der Frost und zerstörte mehr als 30 Prozent der Anlagen. Trotzdem hofft Maile, dass sich das Gesetz der Serie nicht fortsetzt: «1811 und 1911 gab es schlechte Jahrgänge.»
Auch in anderen Gebieten hält sich die Freude vor der Lese in Grenzen. Der Frost im Mai und Hagel haben im Bereich Tauber-Franken sowie im Unterland und im Bottwartal für Schäden bis hin zum Totalausfall gesorgt. Direktor Karl-Heinz Hirsch vom Weinbauverband Württemberg erwartet deshalb einen «kleineren» Herbst: «Normalerweise ernten wir im Schnitt 110 Millionen Liter, ich gehe dieses Mal von 70 bis 75 Millionen Liter aus, denn ein Drittel der Rebfläche in Württemberg ist ganz oder stark geschädigt.»
Dieter Weidmann, Vorstand der Württembergischen Weingärtner-Zentralgenossenschaft (WZG) in Möglingen (Kreis Ludwigsburg), geht von einem Ertragsausfall in Höhe von 40 Prozent in den Weinbergen der 61 Mitglieder umfassenden umsatzstärksten deutschen Weingenossenschaft aus.
Allerdings erwartet Hirsch bei der Mitte September beginnenden Hauptlese «hervorragende Qualitäten», vor allem, wenn das Wetter in den nächsten Wochen nach dem verregneten Sommer mitspielt. «Das Lesegut könnte die letzte Süße bekommen. 20 bis 30 Grad wären gut», sagt er.
«Was der August nicht kocht, kann der September nicht braten.» Vorstand Albrecht Hamm von der Strombergkellerei Bönnigheim bemüht eine alte Wengerter-Regel und hofft, dass es in den nächsten Wochen trocken bleibt. «Schwül-warmes Wetter wäre jetzt schlecht. Was wir brauchen ist tagsüber Trockenheit und kühle Nächte. Das fördert die Aromen», erklärt Badens Präsident Schneider. Wie in jedem Jahr würden auch 2011 die «letzten Tage vor der Lese" die Qualität entscheiden. dpa