Weintrend weiß, rosé und trocken Junge Winzer setzen Schwerpunkte

Das entspricht einem Plus von zwei Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr. 20 Jahre zuvor waren nur 35 Prozent der deutschen Qualitätsweine trocken.

Der Anteil halbtrockener Weine hingegen blieb gegenüber dem Vorjahr mit 21 Prozent konstant und hat sich auch in den vergangenen 20 Jahren kaum verändert. Zurückgegangen ist stattdessen die Produktion lieblicher und süßer Weine. Sie machten 2022 nur noch 29 Prozent aller qualitätsgeprüften Weine aus, im Gegensatz zu 45 Prozent im Jahr 2002.

Weißweinanteil bei 66 Prozent

Bezogen auf die Weinfarben legten letztes Jahr die Roséweine nicht nur im Konsum, sondern auch im Angebot der Weinerzeuger zu. Mit einem Anstieg von einem Prozentpunkt auf 13 Prozent aller Qualitäts- und Prädikatsweine, haben die Rosés wieder das Niveau und den bisherigen Höchststand von 2020 erreicht.

Der qualitätsgeprüfte Weißweinanteil wuchs 2022 um zwei Prozentpunkte auf 66 Prozent. Der Anstieg der Weiß- und Roséweinproduktion ging zulasten der Rotweine, die noch 21 Prozent der qualitätsgeprüften deutschen Weine ausmachten.

Diese Angebotsentwicklung spiegelt sich auch im Rebenbestand in den Weinbergen wider.

Weißweinsorten dominieren auch im Anbau

Der Anteil der angebauten Weißweinsorten hat sich 2022 hierzulande seit ihrem niedrigsten Stand von 63,1 Prozent im Jahr 2006 wieder auf 68,4 Prozent erhöht. Die Rebfläche der Weißweinsorten belief sich 2022 auf insgesamt 70.752 Hektar und hat sich damit um 614 Hektar gegenüber dem Vorjahr erhöht. Deutschlands Gesamtrebfläche ist dagegen mit 103.391 Hektar so gut wie konstant geblieben.

Burgundersorten mit größten Zuwächsen

Zu den beliebtesten Rebsorten mit den größten Flächenzuwächsen zählten wie bereits in den vergangenen Jahren die weißen Burgundersorten, allen voran der Grauburgunder (+396 ha), gefolgt von Chardonnay (+173 ha) und Weißburgunder (+119 ha). Der Anbau aller weißer Burgundersorten wuchs inklusive der Rebsorte Auxerrois zusammengenommen auf 17.308 Hektar.

Weiterhin leicht wachsend zeigte sich auch die Anbaufläche von Deutschlands wichtigster Rebsorte Riesling (+92 ha), mit der 2022 rund ein Viertel der bundesweiten Rebfläche bepflanzt war.

Neue, nachhaltige Weißweinsorten legen zu

Von den neuen, nachhaltigen Rebsorten, die kaum noch Pflanzenschutz benötigen, waren 2022 ebenfalls die weißen Vertreter am stärksten gefragt. Favorit war hier die Sorte Souvignier Gris, die nach einem Plus von 74 Hektar mit nunmehr 205 Hektar auf dem dritten Rang der wichtigsten weißen pilzwiderstands­fähigen Rebsorten hinter den Sorten Solaris (207 ha) und Cabernet blanc (260 ha) lag. Zusammengenommen kamen die neuen weißen Sorten auf eine Rebfläche von 1026 Hektar (+144 ha).

Nachhaltigkeit und Austausch: Junge Winzer setzen neue Schwerpunkte

Von Ira Schaible

Die Weinbaulandschaft in Deutschland ist im Wandel: Es gibt weniger, aber größere Betriebe. «Wir beobachten seit vielen Jahren einen Konzentrationsprozess im deutschen Weinbau», berichtet Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut. Viele Winzer haben keinen Nachfolger, geben auf und verkaufen an erfolgreiche Betriebe. Die gesamte Rebfläche in Deutschland bleibt aber konstant. Und eine Reihe junger Weinbauern setzt andere Schwerpunkte als ihre Eltern und Großeltern.

Fast jeder fünfte Betrieb (19 Prozent) hatte 2020 mehr als zehn Hektar Rebfläche, wie Büscher sagt. Diese Weinbauern bewirtschafteten 62 Prozent der gesamtdeutschen Rebfläche. Zehn Jahre zuvor gehörte nur die Hälfte der gesamten Rebfläche zu den Betrieben mit mehr als zehn Hektar. Neuere Zahlen gibt es nicht.

Der klassische Winzer müsse inzwischen alles machen, auch Marketing, sagt Professor Jon Hanf von der Hochschule Geisenheim. Ein weltweites strukturelles Überangebot an Wein hat nach seiner Einschätzung die Wettbewerbsintensität deutlich gesteigert. Zur Arbeitsteiligkeit kämen höhere Löhne für Arbeitnehmer als für Familienangehörige. Daraus resultiere der Druck, in großen Einheiten produzieren zu müssen, um mehr Mengen zu verkaufen und arbeitsteilig arbeiten zu können. Die Konzentration der Betriebe sei die Folge.

«Dort wo die junge Generation ins Weingut einsteigt, wird oftmals in neue Vinotheken oder Technologien investiert und auf Qualität gesetzt», berichtet Büscher. «Dafür werden dann größere Flächen benötigt, weil mit zunehmender Qualität die Erträge in der Regel sinken.»

So wie bei Thomas (40) und Martin (36) Philipps vom Weingut Philipps-Mühle am Mittelrhein. Das Müllerhandwerk des Vaters hatte in dem Familienbetrieb keine Zukunft mehr. Die Brüder bauten den Weinbau-Hobbybetrieb ihrer Eltern von 0,3 Hektar zu einem Vollerwerbsbetrieb mit rund sechs Hektar aus und eröffneten nahe der Loreley eine Vinothek mit Weincafé.

Einen hohen Qualitätsanspruch hat auch der 24 Jahre alte Carlo Schmitt von der Mosel, der den Familienbetrieb nach Ausbildung und Studium in dritter Generation führt. Er war elf Jahre alt, als sein Vater in einer Steillage tödlich verunglückte. Das Weingut habe danach drastisch auf 1,5 Hektar verkleinert werden müssen. Inzwischen sei es fast doppelt so groß und soll weiter wachsen.

Shanna Reis führt in vierter Generation das Weingut Reis @ Luff im rheinhessischen Aspisheim - mit Unterstützung ihres Schwagers, der Eltern und Großeltern. Die 31-Jährige, die auch Jägerin, Buchautorin und Doktorandin ist, macht etwa ein Drittel der 30 Weine selbst, hat dabei auch eine junge Zielgruppe im Blick und schenkt im Hotel und Café ihrer Schwester aus - fünf Kilometer entfernt in Gensingen.

Shanna Reis: «Weinbau ist eine Monokultur. Wir pflanzen auch Wald an.» Nachhaltigkeit ist für sie «ein Herzensthema», aus wirtschaftlichen Gründen und mit Rücksicht auf unterschiedliche Vorstellungen der Generationen mit «Ziel und Augenmaß» umsetzbar. Übrigens: Reis & Luff holten beim EDEL-CUP der GOURMETWELTEN mit ihrem 2018er Riesling edelsüß bemerkenswerte 93,5 Punkte.

«Wir haben die bestausgebildete Winzergeneration jemals», sagt Jürgen Oberhofer vom Institut für Weinbau und Oenologie des DLR Rheinpfalz. «Früher war es reines Handwerk und heute benötigt man fast noch eine zweite Ausbildung zum Büromanager», beschreibt er die Herausforderungen. Aber: «Wein hat ein sehr gutes Image.» Und auch Quereinsteiger haben Interesse, einen Betrieb zu übernehmen. Oft fehle ihnen aber das Geld. «Denn in der Fläche ist viel Kapital gebunden.»

Für die jungen Weinbauern spielen Bio, Nachhaltigkeit und neue pilzwiderstandsfähige Rebsorten (Piwis) auch eine entscheidende Rolle. «Oftmals findet die Umstellung auf den Ökoweinbau in den Betrieben mit dem Generationswechsel statt», stellt Büscher fest. «Wenn die Generation Fridays for Future älter wird und auf den Weingeschmack kommt, wird sie sicherlich Weine bevorzugen, die von unbehandelten Trauben der nachhaltigen Rebsorten stammen.»

Die Brüder von der Philipps-Mühle haben 2021 mit der dreijährigen Umstellung auf Biowein begonnen und pflanzen jetzt auch Piwis.

«Den Druck aus der Familie, das Weingut zu übernehmen, gibt es kaum noch», berichtet die Vorsitzende von Wein.Im.Puls in Württemberg, Mara Walz. Mehr als 60 Betriebe sind in der Vereinigung junger Winzer aus der Region zusammengeschlossen. Sie füllen unter anderem jedes Jahr eine weiße und eine rote Cuvée gemeinsam ab - also einen Wein aus verschiedenen Rebsorten. «Die neue Generation an Winzern ist offen. Wir sehen den Nachbarn nicht als Konkurrent, sondern als Kollegen», sagt die 31-Jährige. Dabei seien viele Freundschaften und auch schon Ehen entstanden.

Enger Austausch, Auslandserfahrung und Events: «Der Winzernachwuchs hat mit seinen frischen Ideen und unkomplizierten Weinpräsentation sehr stark dazu beigetragen, dass Wein hierzulande insgesamt als trendiges Produkt angesehen wird», sagt Büscher. «Das ist in anderen europäischen Weinerzeugerländern nicht immer der Fall.» Die junge Winzer-Generation mache vor allem eine «massive Professionalisierung aus», sagt Professor Hanf. Viele Studierende, die aus kleinen Weingütern stammten, wollten auch gar nicht mehr dahin zurück, sondern woanders in der Branche arbeiten. GW/dpa