Yotam Ottolenghi Der neue Jamie Oliver

Von Elena Koene

Er grillt Zitronen, dünstet Salat, räuchert Blumenkohl - und die Hobbyköche lieben ihn dafür. Der israelische Koch Yotam Ottolenghi (45) hat inzwischen mit «Vegetarische Köstlichkeiten» sein viertes Kochbuch veröffentlich und gilt in London als eine Art Nachfolger von Jamie Oliver.

Es ist das zweite mit ausschließlich vegetarischen Gerichten. Der gebürtige Israeli und Fleischesser sprach in München über seine Liebe zu Gemüse, seinen palästinensischen Geschäftspartner und warum er sein Privatleben öffentlich macht.

Herr Ottolenghi, es gibt das Sprichwort «Traue keinem schlanken Koch». Sie sind ziemlich schlank und haben trotzdem eine wachsende Fangemeinde. Woher kommt Ihr Erfolg?

Offenbar nicht durch meine Körperfülle. Ich denke, die Leute vertrauen mir, weil meine Rezepte funktionieren und ich sie sehr intensiv teste. Ich bin auch gar nicht so schlank, wie ich vielleicht wirke, ich ziehe mich nur geschickt an. Und ich mache viel Sport, um mein Gewicht unter Kontrolle zu halten. Wenn man über Essen schreibt, muss man das Vertrauen der Menschen über die Zeit gewinnen und ich habe schon so viele Rezepte veröffentlicht, dass die Leute wissen, dass meine Vorschläge gut nachzukochen sind.

Gemüse wird auch in der Szene der Starköche häufig noch als simple Beilage betrachtet. Warum haben Sie sich als Nicht-Vegetarier dafür entschieden, ein zweites Kochbuch mit rein vegetarischen Rezepten zu veröffentlichen?

Man muss kein Vegetarier sein, um Gemüse zu lieben. Es gibt sicherlich die überzeugten Vegetarier, aber auch die Menschen, die einfach gerne mit Gemüse kochen. Ich finde es toll, mit den verschiedenen Aromen von Gemüse zu arbeiten und es kam mir ganz natürlich vor, ein zweites Buch dazu herauszubringen. Wenn ich normalerweise mit Gemüse koche, gebe ich ab und zu auch mal Dinge wie eine Fischsoße dazu, aber das geht ja für strenge Vegetarier gar nicht. Für das Buch habe ich mir Alternativen einfallen lassen müssen, um den typischen Geschmack von Fleisch zu ersetzen. Eine Möglichkeit ist da zum Beispiel Parmesan.

Sie kochen teilweise sehr ungewöhnlich. Sie grillen Zitronen und dünsten Salat. Muss man denn heutzutage extra kreativ mit den Zutaten umgehen, um noch Erfolg zu haben?

Nein, absolut nicht. Aber ich persönlich mag das einfach und finde, dass gerade im Bereich Gemüse immer nur eine Zubereitungsart gewählt wird. Blumenkohl gehört in kochendes Wasser und das war's. Dabei kann man ihn doch grillen, räuchern, braten und vieles mehr und es schmeckt immer unterschiedlich. Es ist nicht mein Ziel, originell zu sein, sondern nur zu zeigen, was alles möglich ist.

Was halten Sie von deutschem Essen?

Ich liebe deutsches Essen. Bei meinem aktuellen Besuch hier hatte ich zwar nur bayerische Gerichte, aber was kann man am deutschen Essen denn nicht lieben?

Na es legt zum Beispiel wenig Gewicht auf Gemüse.

Das stimmt, aber ich denke, jede gute Küche hat ihre Berechtigung und ich mag vor allem Schweinshaxen mit Knödel und zwei Arten von Kohl.

Sie betreiben in London mehrere Delis - im Prinzip eine Art von Imbissladen. Wollten Sie nicht wie viele Ihrer berühmten Kollegen lieber gleich ein High-Class-Restaurant eröffnen?

Das Konzept eines Delis hat mir schon immer gefallen. Gemeinsam mit meinem Geschäftspartner Sami Tamimi, der auch aus Jerusalem kommt, kennen wir die arabischen Märkte - die Souk. Dort wird auch unglaublich viel Essen angeboten. Uns reizte auch die Möglichkeit, simples Essen zuzubereiten und es zunächst schön zu präsentieren und auszustellen, bis es jemand kauft.

Können Sie sich vorstellen, auch in Deutschland ein Deli zu eröffnen?

Leider nein. Das liegt aber daran, dass ich gerne alles unter Kontrolle habe und nicht loslassen kann. Wenn ich mein Restaurant nicht regelmäßig besuchen könnte, wäre das ein Problem für mich.

Viele Ihrer Kollegen haben eigene Kochshows. Wäre das was für Sie?

Ich bin bereits für eine Fernsehsendung umhergereist und habe verschiedene Küchen vorgestellt. Ich lerne gerne neue Leute kennen und lerne von ihnen. Wiederum anderen Leuten zu zeigen, wie sie am besten Kochen sollen, reizt mich aber weniger.

Sie sind als Jude in Jerusalem aufgewachsen, Ihr Geschäftspartner Sami Tamimi ist Palästinenser und kommt ebenfalls aus Jerusalem. Spüren Sie Druck, mit Ihrer Freundschaft und Zusammenarbeit auch ein politisches Statement abzugeben?

Das werde ich sehr oft gefragt. Aber Sami und ich sind keine Politiker, sondern nur sehr gute Freunde. Natürlich sagen wir unsere Meinung, wenn wir danach gefragt werden, aber wir wollen uns mehr auf das Kochen konzentrieren. Die Frage ist, ob wir ein Vorbild dafür sind, dass Israelis und Palästinenser im Nahen Osten miteinander auskommen können. Und die Antwort lautet: Vermutlich sind wir kein gutes Beispiel, denn wir leben ja beide schon lange nicht mehr dort.

Sie sind sehr offen, was Ihr Privatleben angeht. In einem Zeitungsartikel haben Sie beschrieben, wie Sie mit Ihrem Partner per Leihmutter einen Sohn bekommen haben. «Privatsphäre ist keine Option» haben Sie in diesem Zusammenhang gesagt. Warum?

Ich wollte diese Erfahrung einfach teilen - ich hatte das Gefühl, das ist eine Verantwortung, die ich habe. Meiner Meinung nach sind viele Menschen zu verschlossen und sprechen zu wenig über ihre Herausforderungen. Unser Weg war nicht einfach, aber ich wollte anderen sagen, wie er war und ihnen helfen, wenn sie vielleicht Ähnliches durchmachen müssen.

Haben Sie negative Reaktionen erhalten?

Keine einzige.

ZUR PERSON:

Yotam Ottolenghi wurde 1968 in Jerusalem geboren. Der Sohn einer deutschen Mutter und eines italienischen Vaters betreibt inzwischen in seiner Wahlheimat London mehrere Delis und ein Restaurant. Für seine Kochbücher (etwa «Genussvoll vegetarisch» (Original: «Plenty»)) wurde er mehrfach ausgezeichnet. Ottolenghi lebt gemeinsam mit seinem Partner und seinem Sohn in London. dpa

Yotam Ottolenghi, Vegetarische Köstlichkeiten, 352 Seiten, 26,95 Euro, DORLING KINDERSLEY VERLAG