Von Doreen Fiedler
Der Weinkeller von Stefanie Weegmüller riecht nach Feuchtigkeit und vergorenen Trauben. In dem mehr als 300 Jahre alten Gemäuer unter einem Barockhaus in Neustadt an der Weinstraße liegt der jüngste Schatz der Winzerin in großen Gitterkisten: 2015 Scheurebe Auslese edelsüß. "Ich hatte vier Jahre lang keine Auslese, jetzt endlich wieder", sagt sie.
Weegmüller ist großer Fan der Rebsorte, die in diesem Jahr 100 Jahre alt wird. "Die Aromatik fasziniert mich", sagt sie, und zählt die Duftnoten auf: schwarze Johannisbeeren, Grapefruit und Limette im Trockenen, reife gelbe Früchte wie Aprikose und Pfirsiche im Vollen. Im vergangenen Jahr hat Weegmüller noch einmal einen dreiviertel Hektar Scheurebe zusätzlich gepflanzt.
Dabei war die Sorte, die oft mit Restsüße ausgebaut wurde, lange Zeit verpönt. Sie wurde besonders getroffen von dem Glykol-Skandal, als 1985 bekannt wurde, dass Weine mit Zucker verfälscht wurden. Zum Einsatz kam dabei Diethylenglykol, das auch als Frostschutzmittel genutzt wird. "Danach war Süßes gar nicht mehr in der Mode. Die Verbraucher schwenkten um auf trockene Weine", sagt Otto Schätzel vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR).
Das DLR in Alzey ist die Nachfolgeorganisation der Landesanstalt für Rebzüchtung, wo die Scheurebe von Georg Scheu 1916 gekreuzt wurde. Scheu konnte sich damals wenig anfreunden mit dem säurebetonten Riesling der Region, und suchte nach einer fruchtigen, aromatischen Sorte.
"In den vergangenen Jahrzehnten wurde die Scheurebe mehr in Verschnitte, in Cuvées hineingemischt. Aber jetzt wird sie wieder ausgebaut", sagt Schätzel. Eine junge, unbelastete Generation von Konsumenten habe etwa über Prosecco wieder Gefallen am Aroma gefunden. Sogar Scheurebe-Wettbewerbe wurden jüngst veranstaltet.
DLR-Dienststellenleiter Schätzel meint, tatsächlich sei die trockene Scheurebe "die regionale Antwort auf den Sauvignon Blanc". Diese Sorte mit internationaler Bekanntheit wurde jüngst zunehmend mehr in Deutschland angebaut.
"Die Scheu ist ein verkanntes Kind", sagt Winzerin Weegmüller, während sie durch ihren Weinberg geht und Blätter abzupft, damit die Blüten nach dem ganzen Regen nicht so feucht bleiben. Früher habe man die Scheurebe "Katzenpisse" genannt. Nun schenke sie Besuchern auf ihrem Weingut oft heimlich Scheurebe ein - und die meisten seien begeistert. "Manche Menschen muss man eben zu ihrem Glück zwingen."
Georg Scheu züchtete die Scheurebe 1916 im rheinhessischen Alzey aus Riesling und der Bukettrebe, er selbst ging noch fälschlicherweise von Silvaner aus. Zuletzt betrug die Rebfläche in Deutschland 1423 Hektar (1,4 Prozent der Gesamtfläche), damit liegt sie bei den Weißweinsorten an neunter Stelle. Ihre Hochzeit hatte die Scheurebe in den 80er Jahren, als auf bis zu 4,4 Prozent der bestockten Rebfläche Scheurebe wuchs.
Die Scheurebe mag trockene, karge Böden, kommt aber auch gut mit Lößböden und kalkhaltige Böden zurecht. Mehr als die Hälfte der Scheurebe wird heute in Rheinhessen angebaut.
Der Wein duftet nach schwarzen Johannisbeeren (Cassis), Pfirsichen oder reifen Birnen. Traditionell wird die Scheurebe edelsüß, nun aber vermehrt auch trocken ausgebaut. Passt zu asiatischen Gerichten und Käse wie etwa Blauschimmel. dpa