Von Birgit Reichert
Stefan Hanke lässt eine Probe des neuen Bieres aus dem Lagertank in sein Glas fließen. Prüfend betrachtet er die hellbraune Flüssigkeit, bevor er einen Schluck nimmt. «Es ist genau so wie es sein soll», sagt der Ober-Braumeister zufrieden. Rund zwei Jahre hat der 39-Jährige mit seinem Team in der Versuchsbrauerei der Bitburger Braugruppe an dem neuen Produkt getüftelt: Ein glutenfreies Bier, das Bitburger im nächsten Jahr im großen Stil auf dem Markt bringen will. Seit Mitte Juli ist es bereits an sechs Stationen in Deutschland im Test.
«Ich glaube, das Glutenfrei wird super einschlagen», sagt der Geschäftsführer für Technik und Umwelt bei der Braugruppe, Jan Niewodniczanski. Es gebe dafür einen Markt: Immer mehr Menschen litten an einer Glutenunverträglichkeit (Zöliakie) oder entschieden sich, im Zuge einer gesundheitsbewussten Ernährung, auf Gluten zu verzichten. Auch international sei dies ein Riesenthema. «Ich glaube, dass man damit einen neuen Konsumenten erreicht.»
Das Klebereiweiß Gluten ist in vielen Getreidesorten enthalten - auch in Braugerste. Die Eifeler Brauer haben in den silberfarbenen Kesseln ein Verfahren entwickelt, bei dem Gluten durch das natürliche Enzym Protease abgebaut wird. Und eine «Rezeptur gefunden, die wirklich gut ist», sagt Niewodniczanski. Bitburger werde die erste große Brauerei sein, die das glutenfreie Bier unter ihrer Marke anbiete.
Insider der Branche bestätigten diese Aussage. Es gibt aber bereits ein paar Anbieter von glutfreien Bieren auf dem deutschen Markt. Dazu gehört eine Tochtergesellschaft der Radeberger Gruppe, die Gesellschaft für Importbiere und Bierspezialitäten, die das glutenfreie Pionier-Pilsener 2016 rausgebracht hat. «Das Produkt richtet sich an eine eng umrissene, sehr spezifische Zielgruppe und besetzt insofern eher eine Nische», sagt eine Sprecherin.
Auch die bayerische Brauerei Neumarkter Lammsbräu hat «glutenfreie Spezialitäten» im Angebot und die Brauerei Schleicher in Itzgrund (Bayern) ein glutenfreies Bio-Bier. Auch nach Angaben vom Deutschen Brauerbund ist der Markt für glutenfreie Biere «ein Nischenmarkt».
Von einer Glutenunverträglichkeit sind nach Angaben der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft in Stuttgart rund 800 000 Menschen in Deutschland betroffen. Hinzu kämen noch etliche, die eine Gluten-Sensitivität hätten und solche, die als Trend auf Gluten verzichteten. «Wir sind sehr dankbar, dass immer mehr Produkte kommen», sagt ein Sprecher. Zöliakie kann eine chronische Erkrankung des Dünndarms mit Bauchkrämpfen, Durchfall und Verdauungsbeschwerden hervorrufen.
Die Bitburger Brauer erhoffen sich ein Zusatzgeschäft. «Ich glaube nach wie vor an unseren Pils-Markt. Aber dieser Markt steht unter großem Wettbewerbsdruck», sagt der Geschäftsführer. Er rechne in den nächsten Jahren mit einem Verdrängungswettbewerb. Umso wichtiger sei es, «Konsumentenbedürfnisse» mit neuen Produkten zu bedienen. Die Bitburger Braugruppe setzte 2018 mit 6,6 Millionen Hektolitern 2,7 Prozent weniger ab als im Vorjahr. Der Umsatz lag mit 797 Millionen Euro um 1,3 Prozent höher. Der deutsche Biermarkt schrumpft seit Jahren kontinuierlich.
Die Versuchsbrauerei hat bei der Entwicklung der neuen Biersorte eine entscheidende Rolle gespielt. «Ohne diese Ideenschmiede hätten wir keine Chance, so ein Produkt zu schaffen, das ziemlich komplex ist und viel Zeit braucht.» Die Brauerei im Kleinformat ist eine genaue Nachbildung der echten großen Brauerei in Bitburg im Maßstab 1 zu 50. Sie fasst 20 Hektoliter - und ist nach Angaben von Leiter Hanke, der an der Universität im bayerischen Weihenstephan studiert und promoviert hat, einer der größten bundesweit.
Ein gelungenes Produkt könne dann in der regulären Brauerei reproduziert werden. Das gelte nicht nur für Bitburger, sondern auch für die zur Gruppe gehörenden Marken König, Köstritzer, Licher und Wernesgrüner. «Im Schnitt sind es pro Jahr drei bis fünf Produkte, die auf den Markt kommen. Aber das ist nur ein Bruchteil von dem, was wir machen», sagt Hanke.
Zu den neuen Bieren gehörten dieses Jahr beispielsweise das König Rotbier, 2018 das Kellerbier von Bitburger. Auch die handwerklich gebrauten Biere der Marke Craftwerk Brewing entstehen in der Versuchsbrauerei. «Jedes Produkt der Bitburger Braugruppe kommt aus diesen Kesseln oder aus diesen Räumen», sagt Hanke im Sudhaus. Die Versuchsbrauerei, in der auch neue Hopfen- und Gerstensorten sowie technische Innovationen getestet werden, gibt es seit 1990.
Ob es auch Grenzen beim Ausprobieren von neuen Bieren gibt? Ja, von den natürlichen Farben her, sagt Hanke. «Ein grünes oder blaues Bier geht nicht mit Malz. Man könnte vielleicht mit Blaubeeren arbeiten, aber nicht innerhalb des Reinheitsgebotes.» Und das, betont Niewodniczanski, steht bei den Eifelern nicht zur Diskussion. dpa
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