Kos in Griechenland Urlaubsparadies mit Rissen

Es ist die Heimat von Hypokrates: Kos eine der beliebtesten griechischen Urlaubsinseln. Der antike Heiler hätte in diesen Tagen viel zu tun. Vielleicht zu viel. Mohammed ist 23 und kommt aus Damaskus. Seit vier Tagen kampiert er direkt an der Promenade und wartet dass er in der Polizeistation gegenüber endlich seine Papiere zur Weiterreise bekommt.

IT habe er studiert, erzählt er gut gelaunt und will unbedingt ein Selfie von uns machen. 3000 Dollar hat er bisher an Schleuser gezahlt. "Jetzt hoffe ich dass ich bald nach Athen weiter reisen kann und dann über Serbien und Ungarn nach Deutschland komme", sagt er. "Dort würde ich gern mein Studium zu ende bringen." Trotz der katastrophalen Situation macht er einen optimistischen Eindruck. "Es kann nur besser werden", ist er sich sicher.

Mit ihm hausen in diesen Tagen Hunderte an der Promenade, der alten Festungsmauer und in umliegenden Parks. Die Stadt Kos ist damit völlig überfordert. Bis vor einigen Tagen war es noch schlimmer. Das kurzzeitig als Aufnahmeort genutzte Stadion ist wieder leer, nachdem eine erste Fähre gut 3000 Flüchtlinge nach Athen befördert hat. Doch auch jetzt ist es trostlos. Es gibt keine Toiletten ("Wenn wir müssen gehen wir ins Meer", erzählt ein Flüchtling), keine Waschmöglichkeiten, nichts.

Hin und wieder kommen Privatleute vorbei, bringen Essen und Wasser. Mitglieder einer holländischen Hilfsorganisation sind für zwei Wochen da und tun ihr möglichstes. Ein schwedisches Touristenpärchen kommt mit einem Zelt und schenkt es einer Frau aus Syrien die mit ihren Kindern nur auf einer Decke sitzt. Kleine Hilfen.

Nur wenige Meter entfernt liegen Touristen auf ihren Liegen, genießen die Sonne und kühle Cocktails. Zwei Welten, ein Strand. Reste von Schwimmwesten liegen herum, Schlauchboote, an einer Kaimauer ragt ein halb gesunkenes Schiff aus dem Meer. In die Cafés und Restaurants an der Promenade kommen indes immer weniger Gäste. "Das ist eine Katastrophe", erzählt Yanis. Er steht auf seiner Restaurantterrasse. Nicht ein Tisch ist belegt.

"Ich habe in den vergangen Wochen 50 Prozent meines Umsatzes verloren", meint er. Er könne verstehen dass die Flüchtlinge hierher kämen. "Aber das muss besser gehandhabt werden. Wir brauchen ein richtiges Aufnahmelager. Aber Die Regierung schiebt es auf Kos, Kos schiebt es auf die Regierung. Am Ende passiert nichts." Und es sei nicht nur das Problem der Griechen, sagt der Wirt. "Europa muss handeln." Da ist er sich mit Bürgermeister Giorgos Kiritsis einig.

Im Gespräch ist er vor allem bemüht die Schönheiten der Insel zu betonen. "Die Besucher können sich bei uns sicher fühlen und schöne Urlaubstage verbringen", betont er mehrfach. In der Tat. So verbucht etwa Reiserveranstalter alltours kräftigen Zuwachs. Ein paar wenige Stornierungen habe es gegeben aber nichts wesentliches, sagt alltours Pressechef Stefan Suska. "Natürlich gibt es vermehrt Anfragen wie die Lage ist", fügt er hinzu. Das sei im Rahmen der Finanzkrise auch schon so gewesen. "Doch weder das eine noch das andere ist für die Urlauber spürbar."

An den Urlauberstränden und den Hotelanlagen ist alles wie immer. Die Flüchtlinge bleiben in Kos Stadt, um möglichst schnell weiter zu kommen. Denn bleiben will niemand in Griechenland. Das ist dem Bürgermeister ganz recht so. "Wir haben mit unseren eigenen Problemen genug zu tun." Als Beispiel führt er die Kirche an, die täglich 400 Portionen Essen kocht. "Das reicht nicht mal für die bedürftigen Einheimischen."

Richtig in Rage kommt der Politiker wenn es um das etwas außerhalb der Hauptstadt gelegene Hotel Captain Elias geht. Das leerstehende Hotel wurde im Auftrag der Athener Regierung zu einem Flüchtlingsheim. In der Nacht zuvor hat es gebrannt und einige verloren so ihre letzte Habe.

Hin und wieder schaut jemand von 'Ärzte ohne Grenzen' vorbei. Ansonsten sind die bis zu 1000 Personen auf sich gestellt. Vor allem Afrikaner sind hier gestrandet. Sillah ist 19 und kommt aus Gambia. Er sei vor der Armut in seiner Heimat geflohen, erzählt er. Frankreich oder Deutschland ist sein Ziel. Frankreich ist auch das Ziel eines jungen Mannes der seinen Namen nicht sagen möchte. Er ist mit seiner 16jährigen Schwester aus Kenia gekommen. Aber auch Iraner, Pakistani, Nepalesen, Inder, Nigerianer, Menschen aus Bangladesh, Afghanistan und dem Irak sind hier.

Niemand kümmert sich um sie. Der Bürgermeister fühlt sich nicht zuständig, Athen ist weit weg. "Das Hotel ist eine Schande für Kos", wettert er. Er will die Unterkunft per Gericht schließen lassen. Wo dann die Menschen hin sollen, diese Frage kann er auch nicht beantworten. Seine Sorge ist vor allem, dass der Tourismus weiter geht. Immerhin bringt er 90 Prozent des Einkommens der Insulaner. Auch für Griechenland als ganzes ist er der wichtigste Teil des Inlandsproduktes.

Auf Kos werden es in dieser Saison gut eine Million Touristen gewesen sein. Davon 215.000 Deutsche. 2014 waren es noch 200.000. Nun haben alle Angst, dass dieser Aufwärtstrend im nächsten Jahr einbrechen könnte. Deshalb hofft Kiritsis, die Flüchtlinge schnell wieder los zu werden. "Allerdings", sagt er, "da auf der anderen Seite warten noch mehr als 2,5 Millionen. Wenn der Krieg in Syrien nicht endet und arme Länder nicht unterstützt würden, könnten es leicht noch mehr werden. Zum Schluss meint er: "Sicherlich werden alle die Insel irgendwann verlassen haben. Europa jedoch muss sich Gedanken machen."  

Bin dann mal wieder unterwegs