Mittsommer im Norden So schmeckt der längste Tag

Von Claudia Wittke-Gaida

Es ist kein Wunder: Wer so lange und dunkle Wintermonate hat, feiert den längsten Tag des Jahres richtig groß. Und zwar immer an dem Sonnabend, der zwischen 20. und 26. Juni liegt. «Nach Weihnachten ist es das wichtigste und vor allem das fröhlichste Fest des Jahres», sagt Michaela Fuchs, die einen Blog über die nordische Küche betreibt. «Mahtava» heißt er. Das ist finnisch und bedeutet so viel wie «klasse, super, sensationell».

Die Bloggerin kennt das Mittsommer-Festgefühl der Skandinavier. Sie pendelt zwischen München und ihrem roten Holzhäuschen oberhalb des Polarkreises. «Es fängt immer schon am Freitag an. Ab 12 Uhr ist jede Stadt wie ausgestorben. Dann sollte man alles für die Feierlichkeiten besorgt haben.»

Raus auf's Land, rein in die Hütte

Die Leute zieht es dann raus aufs Land, am liebsten ins eigene Ferienhaus. Oder zu jemandem, der eines hat. «Es gibt schon Tage zuvor kein anderes Thema als wer, wann, wo und mit wem feiert und was mitzubringen hat», bestätigt auch Tarja Prüss von der Deutsch-Finnischen Gesellschaft über das Mitbring-Fest, wie sie es nennt.

Aus der Beobachtung von Michaela Fuchs haben Finnen und Schweden ein ähnliches Feier-Prinzip: «Freitag wird Party gemacht und Sonnabend mit der Familie gefeiert.» Dann haben neue Kartoffeln und alle Art von Fisch Hochsaison, vor allem eingelegter Hering und gegrillter Lachs. Und damit der Fisch schwimmen kann, braucht es jede Menge Aquavit, den berühmten skandinavische Kümmelschnaps. «Oder irgendwelche anderen Schnäpse - am liebsten Marke Eigenbau», sagt Fuchs.

Must-haves: Eingelegter Hering und Lachs

Eines von Fuchs' liebsten Heringsrezepten ist Skärgårdssill, Schärengarten-Heringstopf: «Das Rezept mit Fischrogen ist so herrlich einfach und hält sich eine Woche im Kühlschrank». Für 4 bis 6 Portionen werden 150 ml saure Sahne mit 2 EL Mayonnaise, 4 EL Fischrogen und 2 EL geschnittenen Schnittlauch in einer Schüssel vermischt. Darin landen dann die mundgerechte Stückchen von 400 g Matjesfilets und ziehen gut drei Stunden im Kühlschrank durch.

«Spätestens wenn die Fischeier im Mund zerploppen und man den leichten Salzgeschmack des Meeres hat, fühlt man sich wie an der See», verspricht Michaela Fuchs. Dazu passen wunderbar neue Kartoffeln - oder Hasselbackspotatis. Hasselback-Kartoffeln am Spieß lassen sich auf einem Grill schön hin- und her drehen oder ganz einfach über einem Lagerfeuer garen.

Wie man die Fächerkartoffeln im Stil des schwedischen Restaurants Hasselbacken zaubert, erklären die Rezeptentwickler der deutschen Kartoffelproduzenten: Die ungeschälten rohen Knollen zwischen zwei Holzlöffel legen, dann mehrfach in wenigen Millimetern Abstand mit einem großen Messer bis zu den Griffen der Löffel einschneiden. Mit geschmolzener Butter bepinseln und nach Geschmack salzen. Öl über die Kartoffeln geben - und ab auf den Grill oder für 40 bis 50 Minuten in den 200 Grad heißen Ofen.

Das ist die Spitze: Finnen kochen auch in der Sauna

Während die Schweden mit Wiesenblütenkränzen im Haar am liebsten Mittsommer direkt am Strand feiern, treiben es die Finnen mit ihrem Saunakult auf die Spitze. Da wird zur Sommersonnenwende schon mal in der Sauna gekocht und gebrutzelt. Wie bitte? In der Sauna kochen?

Katariina Vuori aus dem nordfinnischen Oulu hat darüber sogar ein ganzes Kochbuch geschrieben («Das Sauna-Kochbuch - Vom Aufguss zum Hochgenuss»). Um zu demonstrieren, wie einfach das geht, hat sie für zwei Mittsommer-Rezepte den Kochlöffel in der Sauna der Finnischen Botschaft in Berlin geschwungen. Im Gepäck: Lachsfilet, Rentierlendchen und neue Kartoffeln.

Lachs-Wraps mit neuen Kartoffeln

«Die Lachsfilets sind für einen Wrap gedacht», sagt Vuori. Dafür landet der Fisch zunächst als Streifen in Ziehharmonikaform auf Holzspießen. Die rund 20 Spieße kommen dann zusammen mit 1/2 Liter Weißwein, 1/2 Liter Wasser, je einer halben Tasse Sojasoße und Honig, sowie einem Bund Dill, dem Saft einer halben Zitrone und einem circa 8 cm großem Stück frischen Meerrettich in einen Topf und kochen darin 10 bis 20 Minuten.

Während parallel dazu Karottenstreifen in einer Pfanne neben dem Topf auf dem Saunaofen brutzeln, rührt die Köchin eine Sour Cream zusammen - aus 500 g Saurer Sahne, gehacktem Dill, etwas mildem Senf, 1/2 Zitrone und etwas Salz. «Die Spieße, die Saure-Sahne-Creme, das Gemüse und gekochte kleine neue Kartoffeln werden mit Tortilla-Fladen wie auf einem Buffet angerichtet und dann füllt und wickelt sich jeder seinen Wrap», erklärt die Saunaköchin. Wer keine Sauna hat, kann das natürlich alles auch auf dem Herd zaubern.

Rentierlendchen in Salzmantel

Und was passiert mit den Rentierlenden? Sie kommen für Saunen mit Holzofen infrage, landen in einem Salzmantel und können alternativ durch Rindfleisch oder jede Art von Fisch, etwa Lachs, Barsch oder Forelle ersetzt werden. Dazu circa 400 g in circa 2 cm große Würfel vom jeweiligen Fleisch oder Fisch schneiden.

«Jeder Würfel kommt in ein Salzteig-Bällchen», sagt Katariina Vuori und vermengt dafür 400 g Mehl, 400 g Salz, 200 ml Wasser zu einem Teig und drückt jedes Fleischstück in eine etwa 1 cm dicke Teighülle. Die Bällchen landen auf einem Stück Pappe - so groß, dass es durch die Ofenöffnung passt. «Im Ofen verbrennt die Pappe, aber sie sorgt dafür, dass die Bällchen einen festen Boden bekommen.»

Die Bällchen backen 20 bis 25 Minuten in der Glut. «Oder solange bis die Teighülle hart wie Stein ist», sagt Vuori. Wer die dann noch beißen soll? Niemand! «Der Salzmantel wird abgeschlagen», gibt die Köchin Entwarnung. Gegessen wird nur das Fleisch, in das reichlich Salz aus dem Teig gezogen ist. Das wird dann aber in eine süße Preiselbeersauce getunkt und so neutralisiert. Ein herrlich salzig-süßer Genuss, beinahe fettfrei. Wer keine Sauna mit Holzofen besitzt, kann natürlich auch Kamin, Feuerschale oder Herd nutzen.

Kein Mittsommer ohne klassische Erdbeertorte

Die Erdbeertorte darf auf keiner Mittsommer-Tafel fehlen. «Da hat jeder sein Familienrezept», sagt Tanja Huutonen. Die Botschaftsrätin der Finnen in Berlin backt ihre «Mansikkakakku» so wie es schon ihre Großmutter getan hat. Dazu verquirlt sie 5 Eier mit Zucker - so viel davon, wie in ein großes Wasserglas passt.

Dann wird die gleiche Menge (Wasserglas voll) gesiebtes Mehl (gemixt aus Weizen- und Kartoffelmehl) und 1 TL Backpulver vorsichtig unter die Ei-Zucker-Masse gehoben und in eine gefettete und mit Semmelbrösel bestreute Springform gegeben. Den Teig dann bei 175 Grad backen.

«Nach 35 Minuten kann man mit Zahnstochern testen, ob der Tortenboden durchgebacken ist», sagt Tanja Huutonen und warnt: «Aber den Herd bitte nicht während des Backens öffnen, da der Biskuitteig sonst zusammenfällt.» Der Boden wird dann aus der Form gestürzt. Wenn er ausgekühlt ist, wird er horizontal in drei Schichten geschnitten.

«Auf die unterste Schicht kommt eine Mischung aus Wasser, Zucker und Marmelade, auf die mittlere Schicht Erdbeermarmelade, frische Erdbeeren und Schlagsahne. Dann mit der dritten Schicht abdecken», erklärt die Hobbybäckerin. Abschließend bestreicht sie die Torte komplett obenauf und ringsum mit Schlagsahne oder mit der Spritztülle und dekoriert sie mit vielen frischen schönen Erdbeeren. dpa

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