Rohmilchkäse aus Frankreich

Von Nicola Menke

Manche sind mild im Geschmack und so zart, dass sie fast auf der Zunge schmelzen, andere pikant-würzig oder feurig. Käse aus Rohmilch schmecken intensiver als solche aus pasteurisierter Milch, und sie lassen die Herzen von Gourmets weltweit höherschlagen. Durch den Verzicht aufs Abkochen bleiben die Milchsäurebakterien erhalten, die den Käse so aromatisch machen. Sie veranlassen aber auch manch einen, vom Verzehr der Käse «au lait cru» (französisch: aus Rohmilch) Abstand zu nehmen.

Welche Köstlichkeiten einem auf diese Weise entgehen, zeigt ein kulinarischer Streifzug durch eine der Hochburgen des Rohmilchkäses - die Normandie: Aus der nordfranzösischen Region stammen der weltberühmte Camembert sowie weitere bekannte Sorten: Livarot, Neufchâtel oder Pont l'Evêque zum Beispiel. Ursprünglich alle «au lait cru» hergestellt, gibt es sie seit vielen Jahren auch aus pasteurisierter Milch. «So sind sie länger haltbar, und auch die, die keine Rohmilchprodukte essen, kommen in den Genuss», erklärt Amélie Le Méhauté von der Fromagerie Graindorge in Livarot, in der Pont l'Evêque und Livarot produziert werden.

Aromatischer und geschmacklich einzigartig - so ist sie sich mit vielen Käseliebhabern einig - ist jedoch der Käse aus naturbelassener Rohmilch, die nicht über 37 Grad erwärmt wurde. «Mit seiner Würze kann der pasteurisierte einfach nicht mithalten», schwärmt Le Méhauté. Mit dem Reifen des Käses wird sein Geschmack zunehmend voller und intensiver - und so hat er je nach Stadium andere Fans.

«Manche mögen Rohmilchweichkäse wie Camembert oder Livarot, wenn sie noch mild sind und einen quarkigen Kern haben, andere bevorzugen sie herb-pikant und im Inneren flüssig», erzählt Nadia Durand von der Fromagerie Durand in Camembert. In der kleinen Hofkäserei, die die letzte im Geburtsort des gleichnamigen Käses ist, werden die beliebten Weißschimmellaibe streng nach alter Tradition produziert.

Und so weiß Durand, die die Käserei mit ihrem Mann François führt, genau, was es neben den natürlichen Milchsäurebakterien und dem Reifungsprozess noch ist, das den «fromage au lait cru» so besonders macht. «Man schmeckt die natürliche Süße der Milch. Außerdem wird sein Aroma davon bestimmt, von welchen Wiesen das Futter der Tiere stammt», erklärt sie. Dieser «goût de terroir» kann eine feine Würze von Kräutern sein, eine nussige Note oder ein Hauch von Apfel.

Die Qualität der Milch - die für normannischen Rohmilchkäse nur von heimischen Kühen stammen darf - ist jedoch nicht das einzige, was «echten» Traditions-Camembert, Pont l'Evêque und Co. zum besonderen Leckerbissen macht. Auch das althergebrachte Verfahren, in dem sie hergestellt werden, spielt eine Rolle. So wird ersterer handgeschöpft und darf nur mit Trockensalz gewürzt werden. Beim zweiten wird die Molke nicht aus dem Käsebruch gepresst, sondern geknetet.

Gemeinsam ist den «rohen» Weichkäsesorten aus der Normandie, dass sie mehrere Wochen reifen, während sie mehrmals gewendet werden und ihr typisches Schimmelkleid anlegen. «Ein traditionell produzierter Käse aus normannischer Milch ist einfach das Beste. Besonders, wenn er aus Rohmilch ist - dagegen ist ein pasteurisierter geschmacklich tot», findet Brigitte Dumant, Betreiberin einer Kochschule in Saint-Étienne-la-Thillaye.

Garantie dafür, dass es sich um die Original-Köstlichkeiten aus der Normandie handelt und sie auf althergebrachte Weise und aus hochqualitativer lokaler Milch hergestellt wurden, ist die «Appellation d' Origine Contrôlée» (A.O.C.). Beim Camembert, dessen Name nicht geschützt ist, sollte man zudem darauf achten, dass er ein «Camembert de Normandie» ist.

Der Erhalt des staatlichen Herkunftssiegels ist außerdem daran gebunden, dass die Hersteller sich regelmäßigen Qualitätskontrollen unterwerfen. «Für A.O.C.-Produkte wird nur Milch gesunder Kühe verwandt. Außerdem werden in allen Produktionsstadien Stichproben entnommen und im Labor untersucht», erklärt Amélie Le Méhauté. Besonders genau fielen die Kontrollen bei Rohmilchprodukten aus, um dem Vorkommen unerwünschter Bakterien - beispielsweise potenziell gesundheitsgefährdenden Listerien - im Endprodukt entgegenzuwirken.

Da ein Rest-Risiko bleibt, wird gewissen Bevölkerungsgruppen wie Menschen mit schwachem Immunsystem oder Schwangeren geraten, vorsichtshalber auf Rohmilchprodukte zu verzichten. Allerdings: Käse aus naturbelassener Milch sei reich an Mineralien, Proteinen und Lipiden, erläutert Dumant. Außerdem enthalte er die Vitamin A, B und C. Beim Abkochen der Milch ginge all das verloren.

«Die Menschen essen so viel Müll. Ich finde es wichtig, hochwertige Produkte zu kaufen, die möglichst naturbelassen und ohne künstliche Zusatzstoffe sind», betont sie. Die normannischen Rohmilchkäsesorten kann die Köchin sich aus ihrem Speiseplan nicht weggedenken. «Man braucht gar nicht viel, sie sind schon mit Baguette und einem guten Rotwein toll», schwärmt sie.

Darüber hinaus lässt sich Leckeres mit ihnen zaubern: Sei es eine «Pont-l'Evêque-Tourte», Ofenkartoffeln mit Camembert-Lauch-Füllung oder Kalbslendchen mit Livarot-Schnittlauchsoße. dpa