Unterwegs im Prosecco DOC Dolce Vita im Glas

Wenn Italien nach dem Brenner zur flachen Ebene wird, nähern wir uns Venetien und dem Friaul: Sanfte Hügellandschaften, pittoreske Städte und eine trinkfreudige Genusskultur prägen die Region, die sich von den Ausläufern der Dolomiten bis zur Adria erstreckt. Jede Piazza, jeder Palazzo atmet italienische Lebensfreude, und angesichts omnipräsenter Bellezza wirkt das Leben jenseits der Alpen unvergleichlich prickelnder. Prosecco ist die Verkörperung dieses Gefühls: Seine blumig-fruchtige Leichtigkeit mit dem zarten Duft passt immer und bringt selbst nach Wanne-Eickel ein Stück Italien.

Dank des deutlich günstigeren Preises gegenüber Champagner muss kein großer Anlass her, um eine Flasche Prosecco zu öffnen. Er passt immer und zu jeder Gelegenheit - kaum jemand in Venetien, der nicht stets eine gekühlte Flasche zu Hause hätte. Auch bei uns boomt der italienische Schäumer seit Jahren, mit steigender Tendenz: Wie das Konsortium Prosecco DOC mitteilte, stieg der Absatz in Deutschland 2022 um 2,8 Prozent auf 46 Millionen importierte Flaschen. In der Weinszene haftet dem Prosecco deshalb ein gewisses Allerweltsimage an. Dabei gibt es durchaus qualitativ hochwertige Vertreter des easy Sparkling - die bleiben zwar leider oft in Italien, aber auch hierzulande führen Weinhandlungen und selbst gut sortierte Supermärkte hervorragende Prosecchi.

Luca Giavi und Arianna Pizzolato, Consorzio Prosecco DOC

Strenge Auflagen für Anbau und Ausbau

Aber was genau ist eigentlich Prosecco? Entgegen der landläufigen Meinung handelt es sich dabei nicht um das italienische Pendant zum Sekt und somit einen Oberbegriff für alle Schaumweine aus Italien. Vielmehr ist Prosecco die Bezeichnung für das Anbaugebiet. Es umfasst 5 Provinzen im Veneto (Treviso, Venedig, Vicenza, Padua und Belluno) und 4 in Friaul-Julisch-Venetien (Gorizia, Pordenone, Triest und Udine). Seit 2009 gibt es die geschütz­te Her­kunfts­be­zeich­nung Prosecco DOC (Deno­mi­na­zio­ne di ori­gi­ne con­trolla­ta), die die Auf­la­gen für Anbau und Aus­bau regelt. Das DOC Treviso e Trieste ist eine spezifische Herkunftsbezeichnung innerhalb des Prosecco DOC und gilt für Weine, die ausschließlich mit eigenen, im selben Gebiet gekelterten und veredelten Trauben hergestellt werden. Vorwiegend kalkhaltig, manchmal vermischt mit sandigen oder steinigen Bereichen, sind die Terroirs des Prosecco DOC hauptsächlich in der flachen Ebene, aber auch auf sanften Hängen ("Colli") angesiedelt.

DOP oder DOC/DOCG: Europaweite Regelung

Steillagen sind als „Rive“ nur im DOCG-Gebiet zu finden. Selbst Profis verwirrt es, dass das Kerngebiet des Prosecco mit den Regionen Conegliano Valdobbiadene und Asolo als Prosecco DOCG (Deno­mi­na­zio­ne di Ori­gi­ne Con­trolla­ta e Garan­ti­ta) noch stren­ge­ren Pro­duk­ti­ons­kri­te­ri­en unterliegt. Im Rahmen der europaweiten Regelung wurde ab 2009 die zusammenfassende Bezeichnung DOP (Denominazione di origine protetta) für die italienischen Begriffe DOC und DOCG eingeführt. Da beide Varianten nach wie vor erlaubt sind, konnte sich die europäische Vereinfachung in Italien allerdings kaum durchsetzen. DOC und DOCG bedeuten nicht zwangsläufig einen Qualitätsunterschied - die hängt wie bei jedem Wein von vielen Faktoren ab, und zahlreiche Winzer:innen besitzen Reben in beiden Herkunftsbezeichnungen. Die unangefochtene Spitze bildet im Prosecco die nur 103 Hektar große Kult-Steillage Cartizze DOCG, weshalb jede/r Prosecco-Winzer/in hier eine Parzelle zu ergattern versucht.

Glera und die Stadt Prosecco

Im Rahmen der DOC-Zertifizierung in 2009 bekam die Prosecco-Traube ihren alten Namen „Glera“ zurück, um Verwechslungen zu vermeiden und zu verhindern, dass sich auch Weine außerhalb des DOC-Gebietes Prosecco nennen konnten. Das Prosecco DOC-Konsortium mit Sitz in Treviso achtet streng auf die Einhaltung der Kriterien, denn im Zuge des Prosecco-Hypes waren außerhalb des eigentlichen Gebietes so einige Anlehnungen und Plagiate entstanden - aus diesem Grund müssen deutsche Neuschöpfungen wie der „Secco“ auf das „Pro“ verzichten.

Ein zertifizierter Prosecco DOC besteht zu 85 % aus der Traube Glera und darf maximal 15 % andere lokale Sorten wie Verdiso, Perero, Bianchetta, aber auch internationale wie Chardonnay und Pinot Bianco enthalten. Die Rebsorte stammt ursprünglich aus Prosecco nördlich von Triest, wo der Wein 1382 erstmalig erwähnt wurde. An diesem Ort liegt es auch, dass Prosecco nunmehr nicht nur im Veneto, sondern auch im Friaul angebaut werden darf.

Sanfter Druck

88 % der Produktion entfällt auf den schäumenden Spumante, 12% auf den Perlwein Frizzante mit unter 2,5 bar Flaschendruck. Der Stillwein ist bei der älteren Generation im Veneto noch bekannt, spielt bei der Vermarktung mit 0,5 % Produktion aber keine Rolle - die Glera-Traube eignet sich schlicht besser für Schaumwein. Dass der Frizzante bis vor kurzem in Deutschland die Nase vorn hatte, liegt vor allem an der Sektsteuer, die nur auf Prosecco Spumante erhoben wird und unabhängig vom Preis einen Euro pro Flasche beträgt. Hergestellt werden alle Prosecco-Weine nach der Charmat- oder Martinotti-Methode („Metodo italiano“), bei der die zweite Gärung im Drucktank und nicht, wie etwa bei Crémant, Champagner oder Winzersekt, in der Flasche stattfindet - nur so kann die unvorstellbar große Menge von 638 Millionen Flaschen allein im Prosecco DOC produziert werden.

Blumige Leichtigkeit

Die Drucktankgärung verfolgt allerdings auch einen geschmacklichen Zweck: Die beim Champagner oder anderen Flaschengärsekten entstehenden Hefearomen entfallen beim Prosecco, der stattdessen seinen charakteristischen zarten Duft nach Weißdorn, Jasmin und grünem Apfel und seinen frischen Geschmack entwickelt. Da die Glera-Traube eine hohe Säure mitbringt, entsteht durch den moderaten Alkoholgehalt eine ausgewogene Balance, die sich für easy drinking und zum Mixen anbietet. Ein hochwertiger Prosecco DOC entfaltet seine fruchtigen Noten von Apfel und Birne in der Extra Dry- (mit 65% die beliebteste) und der Brut-Variante (27,7, %) besonders gut. Tatsächlich bewahrheitet sich in Blindverkostungen manchmal die alte Wein-Weisheit „Talk dry, drink sweet“, wenn der Extra Dry entgegen des Trends zu Extra Brut und Brut Nature überraschend gut abschneidet.

Ganz neu in Rosa

Als Antwort auf die starke internationale Nachfrage lancierte das Konsortium im Oktober 2020 den neuen Prosecco DOC Rosé. Während den traditionellen Winzer:innen die Neuschöpfung anfangs missfiel, gibt der Markt den Visionären Recht: Nach nur zwei Jahren fallen bereits 10% der Gesamtproduktion auf Prosecco DOC Rosé. Er besteht zu 85% aus Glera und 10-15% aus als Rotwein vinifiziertem Pinot Nero. Die rote Traube sorgt nicht nur für die zartrosa Farbe, sondern auch für zusätzliche Aromen von roten Früchten und mehr Struktur. Prosecco DOC Rosé ist als Brut Nature, Extra Brut, Brut und Extra Dry erhältlich. 

Prosecco DOC: Nur echt mit Siegel

Wir sprachen bereits über Plagiate und schlechte Kopien: Einen echten Prosecco DOC erkennt man daran, dass jede Flasche eine blaue Banderole (beim DOCG ist sie braun) und das Prosecco DOC-Siegel mit Angaben zu Zuckergehalt, Alkohol, Herkunft etc. trägt. Er darf nur in Flaschen, nicht vom Fass oder in der Dose ausgeschenkt werden. Die Winzer:innen waren 2006 auf die Barrikaden gegangen, als Paris Hilton den Schäumer im goldenen Aluminium-Packaging unters Partyvolk bringen wollte.

Im Prosecco DOC verteilen sich auf 28.100 Hektar Rebfläche 10.398 Winzer:innen, 1.173 Weingüter und 364 Sektproduktionsstätten. Dass bei solchen Dimensionen nicht nur Spitzenweine produziert werden, versteht sich von selbst. Hinzu kommt, dass die Deutschen nach England und den USA zwar an dritter Stelle der Prosecco-Importeure stehen, mit durchschnittlich 2,70 Euro aber recht wenig für eine Flasche Wein ausgeben. So tummelt sich in hiesigen Discountern eine Menge mittelmäßiger Stoff, den wir hier kaum empfehlen möchten.

Genuss-Tipps

Ein vernünftiger Richtwert für einen guten Prosecco DOC sind Preise zwischen 7 Euro und 15 Euro. Im Supermarkt finden sich in dieser Klasse vertretbare Mainstreammarken, darunter Valdo oder Zonin mit dem Prosecco DOC Spumante Brut, während handverlesene, kleinere Anbieter eher im (Online-) Fachhandel und in hippen Weinbars gelistet sind.

Villa Sandi in Crocetta Montello, Valdobbiadene

Hochwertigen Prosecco in vielen Qualitätsstufen produziert die berühmte Villa Sandi (z.B. bei vicampo.com). Ebenfalls ausgezeichnete Verkostungsnoten bekommt regelmässig Masottina, z.B. für den Masottina Brut Prosecco Treviso DOC (erhältlich z.B. bei callmewine.de). Über kontinuierlich gute Bewertungen freut sich auch die Kellerei Ruggeri (2017 vom deutschen Sekt-Marktführer Rotkäppchen-Mumm übernommen) mit ihrem Argeo Prosecco Spumante DOP Treviso brut (z.B. bei https://www.ludwig-von-kapff.de)

In Restaurants empfiehlt es sich, auf die Beschreibung in der Speisekarte zu achten: Wenn dort schlicht und ohne weitere Angaben „Prosecco“ auf der Karte steht, kommt wahrscheinlich das Billigste vom Billigsten auf den Tisch. Ein Prosecco DOC mit geschützter Herkunftsangabe wird in der Regel auch so benannt - erfreulicherweise ist es inzwischen Usus, auf europäische Siegel hinzuweisen.

Je weniger Restzucker ein Prosecco hat, je besser passt er als Aperitif, während süßere Stile sich gut zum Käse und zum Dessert eignen. Problemlos kann er auch ein ganzes Menü begleiten: Meeresfrüchte, Fisch und Gemüsegerichte vertragen sich hervorragend mit den feinen Perlen, und selbst eine Lammkeule mit mediterranem Ofengemüse lässt sich bestens mit einem Prosecco DOC Extra Brut pairen.

Optimal eignet sich Prosecco für Mixgetränke. Berühmte Drinks sind der Aperol Spritz, der Bellini mit weißem Pfirsichpürre oder der Hugo mit Holunderblütensirup und Minze. Letztes Jahr ist nach einem Social Media-Video ein wahrer Hype um den Negroni Sbagliato ausgebrochen, der 1972 in der Mailänder Bar Basso aufgrund einer Verwechslung (sbagliato heißt falsch) von Prosecco mit dem eigentlich vorgeschriebenen Gin entstanden ist.

Tipps für Treviso und Venedig 

Am allerbesten trinkt sich Prosecco natürlich in Italien. Wir empfehlen eine Reise nach Treviso als optimalem Ausgangspunkt, um das klassische Prosecco-Gebiet zu entdecken. In jedem Lokal gibt es hier guten Prosecco DOC. Unser Tipp: Die Weinhandlung in der Casa dei Carraresi verfügt über eine ausgezeichnete Auswahl an Prosecco, die man gegen ein Korkgeld von 50% zu der hervorragenden modernen Küche im dazugehörigen Restaurant Ca’ dei Brittoni trinken kann. Die Poolposition im Vitra-Bürodrehstuhl mit Blick auf den Kanal gibt es kostenlos dazu.

Ca' dei Brittoni

Köstliche Aperitivi auf Prosecco-Basis - zum Beispiel den ur-venezianischen Select Spritz - gibt es zu typischer Küche und kleinen Häppchen zu ausgesprochen smarten Preisen in der Osteria Acquasalsa, Vicolo Pescheria, 43, 31100 Treviso. Außerdem soll das Originalrezept für das berühmte Tiramisu von Alba Campeol aus dem Restaurant Beccherie in Treviso stammen. Dort kann man das Original heute noch genießen, idealerweise in Begleitung eines Prosecco DOC Dry oder Extra Dry.

Viele Weingüter bieten als Agroturismo gleichzeitig Zimmer an - eine sehr authentische Art, Urlaub zu machen und das Prosecco DOC kennenzulernen. Eine gute Adresse mit großartigem Prosecco, außergewöhnlichen Rotweinen und Übernachtungsmöglichkeit ist zum Beispiel das Weingut Antonio Facchin.

Mitten im Prosecco DOC-Gebiet liegt übrigens Venedig. Ganz wunderbar lässt sich die Stadt bei einer Tour durch die Bàcari zu erkunden. Das sind rustikale Weinlokale, die mittags und vor allem zur frühabendlichen Aperitivo-Zeit kleine Häppchen („Cicchetti) im Stehen servieren. Es gibt sie direkt an der Rialto Brücke (Bancogiri, Il Diavolo e L'Acqua Santa, in Cannareggio (Ostaria al Ponte, Ai promessi sposi, Alla vecia carbonera) und in Dorsoduro (Osteria Al squero). Es gibt überall guten Prosecco, pur oder als Select, Cynar oder Aperol Spritz - Salute!

Diese Reise fand mit Unterstützung des Consorzio Tutela di Prosecco DOC statt.